Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Cultur befindliche Ländereien zu besserem Ertrag und öde Ländereien in Bau bringen, und da nun der Landwirth dem Arbeiter höheren Lohn und bessere Nahrung bieten kann, so wird er von demselben auch mehr Arbeit fordern, und dieser wird mehr leisten. Ein entstehender Mangel an Arbeitern aber wird sich in Folge der vermehrten Nachfrage nach Arbeitern und der Vermehrung der Bevölkerung schnell ergänzen.

Gleiches wird der Fall bei der gewerblichen Bevölkerung sein. Eitel erscheint daher die Furcht, die sich in Frankreich bei Veranlassung der letzten Kammerdiscussion in Betreff der Eisenbahnen (1837) geäußert hat, daß nämlich die durch dergleichen Bauten entstehende Nachfrage nach Arbeitern Mangel an Arbeitern im Landbau und in den Fabriken bewirken müsse. An jenen Behauptungen ist nur so viel wahr, daß die Nachfrage den Taglohn steigern wird. Unglückselig wäre aber diejenige Prosperität der Fabriken und des Landbaues zu nennen, welche auf einen niedrigen Tagelohn sich stützen müßte.

Aus dem bisher Gesagten erhellt, daß diejenigen Länder und Gegenden, welche Überfluß an landwirthschaftlichen Arbeitern und Producten und an Holz und Eisen besitzen, durch die Anlage von Eisenbahnen und Canälen (wir sprechen hier überall nur von dem Bau an sich, nicht von den Wirkungen dieser Transportmittel nach ihrer Herstellung) am meisten gewinnen, und daß in dergleichen Ländern die Mittel zur Anlegung solcher Werke mit dem Producten-Überschuß, den sie zu schaffen vermögen, in ganz gleichem Verhältniß stehen. In Ländern von solcher Beschaffenheit erscheint der ganze Werth dieser Werke - ob sie von Privat-Compagnien oder von dem Staate unternommen werden - ob sie rentiren oder nicht - wenn sie nur in volkswirthschaftlicher Beziehung einen dem Aufwand entsprechenden Nutzen gewähren - als reiner Zuwachs zum National-Vermögen - als ein Zuwachs, welcher in demselben Verhältniß steigt, in welchem der volkswirthschaftliche Nutzen (auf einen financiellen Ertrag kommt es hier überall gar nicht an) sich vergrößert. Und hieraus erklärt sich, warum Nationen, welche bereits unermeßliche Summen auf die Herstellung solcher Werke verwendet haben, sich dadurch nicht nur nicht erschöpft, sondern im Gegentheil gestärkt fühlen, ihre Unternehmungen in fortwährender Progression zu vermehren. Man muß den Abstand zwischen der Prosperität eines Landstrichs, wie sie vor dem Angriff eines solchen Werks stand, und derjenigen, wie sie sich unmittelbar nach der Beendigung desselben darstellt, selbst wahrgenommen haben, um sich davon eine richtige Vorstellung machen zu können.

Thöricht wäre es übrigens, wenn man aus den angeführten Beobachtungen den Schluß ziehen wollte, daß die Vermehrung des Nationalvermögens vermittelst dergleichen Bauten keine Grenzen habe. Wie groß auch der Überschuß an Producten und Arbeitern in einem Lande sei, so groß kann er nirgends sein, daß nicht die Herstellung eines ganzen

Cultur befindliche Ländereien zu besserem Ertrag und öde Ländereien in Bau bringen, und da nun der Landwirth dem Arbeiter höheren Lohn und bessere Nahrung bieten kann, so wird er von demselben auch mehr Arbeit fordern, und dieser wird mehr leisten. Ein entstehender Mangel an Arbeitern aber wird sich in Folge der vermehrten Nachfrage nach Arbeitern und der Vermehrung der Bevölkerung schnell ergänzen.

Gleiches wird der Fall bei der gewerblichen Bevölkerung sein. Eitel erscheint daher die Furcht, die sich in Frankreich bei Veranlassung der letzten Kammerdiscussion in Betreff der Eisenbahnen (1837) geäußert hat, daß nämlich die durch dergleichen Bauten entstehende Nachfrage nach Arbeitern Mangel an Arbeitern im Landbau und in den Fabriken bewirken müsse. An jenen Behauptungen ist nur so viel wahr, daß die Nachfrage den Taglohn steigern wird. Unglückselig wäre aber diejenige Prosperität der Fabriken und des Landbaues zu nennen, welche auf einen niedrigen Tagelohn sich stützen müßte.

Aus dem bisher Gesagten erhellt, daß diejenigen Länder und Gegenden, welche Überfluß an landwirthschaftlichen Arbeitern und Producten und an Holz und Eisen besitzen, durch die Anlage von Eisenbahnen und Canälen (wir sprechen hier überall nur von dem Bau an sich, nicht von den Wirkungen dieser Transportmittel nach ihrer Herstellung) am meisten gewinnen, und daß in dergleichen Ländern die Mittel zur Anlegung solcher Werke mit dem Producten-Überschuß, den sie zu schaffen vermögen, in ganz gleichem Verhältniß stehen. In Ländern von solcher Beschaffenheit erscheint der ganze Werth dieser Werke – ob sie von Privat-Compagnien oder von dem Staate unternommen werden – ob sie rentiren oder nicht – wenn sie nur in volkswirthschaftlicher Beziehung einen dem Aufwand entsprechenden Nutzen gewähren – als reiner Zuwachs zum National-Vermögen – als ein Zuwachs, welcher in demselben Verhältniß steigt, in welchem der volkswirthschaftliche Nutzen (auf einen financiellen Ertrag kommt es hier überall gar nicht an) sich vergrößert. Und hieraus erklärt sich, warum Nationen, welche bereits unermeßliche Summen auf die Herstellung solcher Werke verwendet haben, sich dadurch nicht nur nicht erschöpft, sondern im Gegentheil gestärkt fühlen, ihre Unternehmungen in fortwährender Progression zu vermehren. Man muß den Abstand zwischen der Prosperität eines Landstrichs, wie sie vor dem Angriff eines solchen Werks stand, und derjenigen, wie sie sich unmittelbar nach der Beendigung desselben darstellt, selbst wahrgenommen haben, um sich davon eine richtige Vorstellung machen zu können.

Thöricht wäre es übrigens, wenn man aus den angeführten Beobachtungen den Schluß ziehen wollte, daß die Vermehrung des Nationalvermögens vermittelst dergleichen Bauten keine Grenzen habe. Wie groß auch der Überschuß an Producten und Arbeitern in einem Lande sei, so groß kann er nirgends sein, daß nicht die Herstellung eines ganzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="58"/>
Cultur befindliche Ländereien zu besserem Ertrag und öde Ländereien in Bau bringen, und da nun der Landwirth dem Arbeiter höheren Lohn und bessere Nahrung bieten kann, so wird er von demselben auch mehr Arbeit fordern, und dieser wird mehr leisten. Ein entstehender <hi rendition="#g">Mangel an Arbeitern</hi> aber wird sich in Folge der <hi rendition="#g">vermehrten Nachfrage</hi> nach Arbeitern und der Vermehrung der Bevölkerung <hi rendition="#g">schnell ergänzen</hi>.</p>
        <p>Gleiches wird der Fall bei der <hi rendition="#g">gewerblichen</hi> Bevölkerung sein. Eitel erscheint daher die Furcht, die sich in Frankreich bei Veranlassung der letzten Kammerdiscussion in Betreff der Eisenbahnen (1837) geäußert hat, daß nämlich die durch dergleichen Bauten entstehende Nachfrage nach Arbeitern Mangel an Arbeitern im Landbau und in den Fabriken bewirken müsse. An jenen Behauptungen ist nur so viel wahr, daß die Nachfrage den Taglohn steigern wird. Unglückselig wäre aber diejenige Prosperität der Fabriken und des Landbaues zu nennen, welche auf einen niedrigen Tagelohn sich stützen müßte.</p>
        <p>Aus dem bisher Gesagten erhellt, daß <hi rendition="#g">diejenigen Länder und Gegenden, welche Überfluß an landwirthschaftlichen Arbeitern und Producten und an Holz und Eisen besitzen, durch die Anlage von Eisenbahnen und Canälen</hi> (wir sprechen hier überall nur von dem Bau an sich, nicht von den Wirkungen dieser Transportmittel nach ihrer Herstellung) am <hi rendition="#g">meisten gewinnen</hi>, und daß in dergleichen Ländern die Mittel zur Anlegung solcher Werke mit dem Producten-Überschuß, den sie zu schaffen vermögen, in ganz gleichem Verhältniß stehen. In Ländern von solcher Beschaffenheit erscheint der <hi rendition="#g">ganze Werth dieser Werke</hi> &#x2013; ob sie von Privat-Compagnien oder von dem Staate unternommen werden &#x2013; ob sie rentiren oder nicht &#x2013; wenn sie nur in volkswirthschaftlicher Beziehung einen dem Aufwand entsprechenden Nutzen gewähren &#x2013; <hi rendition="#g">als reiner Zuwachs zum National-Vermögen</hi> &#x2013; als ein Zuwachs, welcher in demselben Verhältniß steigt, in welchem der volkswirthschaftliche Nutzen (auf einen financiellen Ertrag kommt es hier überall gar nicht an) sich vergrößert. Und hieraus erklärt sich, warum Nationen, welche bereits unermeßliche Summen auf die Herstellung solcher Werke verwendet haben, sich dadurch nicht nur nicht erschöpft, sondern im Gegentheil gestärkt fühlen, ihre Unternehmungen in fortwährender Progression zu vermehren. Man muß den Abstand zwischen der Prosperität eines Landstrichs, wie sie vor dem Angriff eines solchen Werks stand, und derjenigen, wie sie sich unmittelbar nach der Beendigung desselben darstellt, selbst wahrgenommen haben, um sich davon eine richtige Vorstellung machen zu können.</p>
        <p><hi rendition="#g">Thöricht</hi> wäre es übrigens, wenn man aus den angeführten Beobachtungen den Schluß ziehen wollte, daß die Vermehrung des Nationalvermögens vermittelst dergleichen Bauten keine Grenzen habe. Wie groß auch der Überschuß an Producten und Arbeitern in einem Lande sei, so groß kann er nirgends sein, daß nicht die Herstellung eines ganzen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0059] Cultur befindliche Ländereien zu besserem Ertrag und öde Ländereien in Bau bringen, und da nun der Landwirth dem Arbeiter höheren Lohn und bessere Nahrung bieten kann, so wird er von demselben auch mehr Arbeit fordern, und dieser wird mehr leisten. Ein entstehender Mangel an Arbeitern aber wird sich in Folge der vermehrten Nachfrage nach Arbeitern und der Vermehrung der Bevölkerung schnell ergänzen. Gleiches wird der Fall bei der gewerblichen Bevölkerung sein. Eitel erscheint daher die Furcht, die sich in Frankreich bei Veranlassung der letzten Kammerdiscussion in Betreff der Eisenbahnen (1837) geäußert hat, daß nämlich die durch dergleichen Bauten entstehende Nachfrage nach Arbeitern Mangel an Arbeitern im Landbau und in den Fabriken bewirken müsse. An jenen Behauptungen ist nur so viel wahr, daß die Nachfrage den Taglohn steigern wird. Unglückselig wäre aber diejenige Prosperität der Fabriken und des Landbaues zu nennen, welche auf einen niedrigen Tagelohn sich stützen müßte. Aus dem bisher Gesagten erhellt, daß diejenigen Länder und Gegenden, welche Überfluß an landwirthschaftlichen Arbeitern und Producten und an Holz und Eisen besitzen, durch die Anlage von Eisenbahnen und Canälen (wir sprechen hier überall nur von dem Bau an sich, nicht von den Wirkungen dieser Transportmittel nach ihrer Herstellung) am meisten gewinnen, und daß in dergleichen Ländern die Mittel zur Anlegung solcher Werke mit dem Producten-Überschuß, den sie zu schaffen vermögen, in ganz gleichem Verhältniß stehen. In Ländern von solcher Beschaffenheit erscheint der ganze Werth dieser Werke – ob sie von Privat-Compagnien oder von dem Staate unternommen werden – ob sie rentiren oder nicht – wenn sie nur in volkswirthschaftlicher Beziehung einen dem Aufwand entsprechenden Nutzen gewähren – als reiner Zuwachs zum National-Vermögen – als ein Zuwachs, welcher in demselben Verhältniß steigt, in welchem der volkswirthschaftliche Nutzen (auf einen financiellen Ertrag kommt es hier überall gar nicht an) sich vergrößert. Und hieraus erklärt sich, warum Nationen, welche bereits unermeßliche Summen auf die Herstellung solcher Werke verwendet haben, sich dadurch nicht nur nicht erschöpft, sondern im Gegentheil gestärkt fühlen, ihre Unternehmungen in fortwährender Progression zu vermehren. Man muß den Abstand zwischen der Prosperität eines Landstrichs, wie sie vor dem Angriff eines solchen Werks stand, und derjenigen, wie sie sich unmittelbar nach der Beendigung desselben darstellt, selbst wahrgenommen haben, um sich davon eine richtige Vorstellung machen zu können. Thöricht wäre es übrigens, wenn man aus den angeführten Beobachtungen den Schluß ziehen wollte, daß die Vermehrung des Nationalvermögens vermittelst dergleichen Bauten keine Grenzen habe. Wie groß auch der Überschuß an Producten und Arbeitern in einem Lande sei, so groß kann er nirgends sein, daß nicht die Herstellung eines ganzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die innerhalb des Werks inkonsistente Rechtschreibung und Schreibung von z. B. Ortsnamen wird beibehalten. Offensichtliche Druckfehler des Originals werden im sichtbaren Editionstext stillschweigend korrigiert, im Quelltext jedoch auskommentiert dargestellt.
  • Die Frakturschrift der Vorlage kennt keine großen Umlaute; Ae, Oe, Ue werden zu Ä, Ö und Ü umgesetzt. Weiterhin wird im Original für die großen I und J nur die Type J benutzt; hier werden I und J eingesetzt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/59
Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/59>, abgerufen am 22.11.2024.