List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.besonders auf dem Continent, in Gebrauch kommen, wie schon das großartige Beispiel von Belgien anzeigt, dessen aufgeklärter König, ein deutscher Fürst, das erste National-Eisenbahnsystem auf Staatsrechnung beschlossen und mit glorreichem Erfolge zum Theil schon ausgeführt hat. Die Staatstheoretiker werden alsdann in ihren Systemen und die Praktiker in ihrem Budgets die Kriegsschuld von der productiven Schuld getrennt aufführen. Unter der letztern Kategorie wird man alle diejenigen Anleihen begreifen, die gemacht worden sind, um Eisenbahnen, Canäle, Seehäfen und Chausseen anzulegen, um die Flüsse schiffbar zu machen, polytechnische Institute zu errichten u. s. w. Und je mehr die productive Schuld zunehmen und die Kriegsschuld sich vermindern wird, desto mehr wird der Staatscredit steigen. Wie sich ein nordamerikanisches Continental-Transportsystem ausbildet, so wird sich auch ein europäisches gestalten, und die verschiedenen Nationen werden durch die Sorge für ihre industriellen Interessen, wie durch den Trieb der Selbsterhaltung sich zu wechselseitiger Ämulation in Herstellung des sie betreffenden Antheils angespornt fühlen. Durch seine geographische Lage, wie durch seine übrigen Zustände ist offenbar Deutschland berufen, das Centrum dieses europäischen Continental-Transportsystems zu bilden. Alle Anzeigen deuten jedoch darauf hin, daß Frankreich allen andern Nationen des Continents mit großem Beispiele vorangehen wird. Frankreich hat bereits in Herstellung eines Canalsystems ungleich größere Fortschritte gemacht und seine Industrie ungleich mehr entwickelt, als Deutschland. Welche Nachtheile auch die Centralisation der Staatsverwaltung, wie sie in Frankreich besteht, in jeder andern Beziehung haben mag, und wie sehr das Föderativsystem, wie es in Deutschland besteht, eine geordnete und gewissenhafte Administration befördert: großen, eine ganze Nation umschließenden und verbindenden, Unternehmungen ist der in Frankreich bestehende Zustand förderlicher, als der in Deutschland bestehende. Dazu kommt, daß das französische Publicum in Dingen dieser Art schon mehr Einsicht erlangt hat, als das deutsche; daß der constitutionelle Zustand Frankreichs dem Einflusse der öffentlichen Meinung auf die Entschlüsse der Regierung und auf die energische Ausführung derselben viel günstiger ist; daß die tausend Bedenklichkeiten und Hindernisse, die sich in Deutschland größern, das Einverständniß mehrerer Staaten voraussetzenden Unternehmungen entgegenstellen, dort wegfallen; endlich daß die französische Büreaukratie zur Zeit die Sache besser kennt, geneigter ist, in die öffentlichen Wünsche einzugehen und in großen Geschäften schon größere Übung erlangt hat, als die deutsche. In Deutschland erschrickt man noch vor dem Gedanken an Unternehmungen auf Staatsrechnung und an Garantien von Seiten des Staats. Da man sich bisher mit Recht viel darauf zu gut gethan besonders auf dem Continent, in Gebrauch kommen, wie schon das großartige Beispiel von Belgien anzeigt, dessen aufgeklärter König, ein deutscher Fürst, das erste National-Eisenbahnsystem auf Staatsrechnung beschlossen und mit glorreichem Erfolge zum Theil schon ausgeführt hat. Die Staatstheoretiker werden alsdann in ihren Systemen und die Praktiker in ihrem Budgets die Kriegsschuld von der productiven Schuld getrennt aufführen. Unter der letztern Kategorie wird man alle diejenigen Anleihen begreifen, die gemacht worden sind, um Eisenbahnen, Canäle, Seehäfen und Chausseen anzulegen, um die Flüsse schiffbar zu machen, polytechnische Institute zu errichten u. s. w. Und je mehr die productive Schuld zunehmen und die Kriegsschuld sich vermindern wird, desto mehr wird der Staatscredit steigen. Wie sich ein nordamerikanisches Continental-Transportsystem ausbildet, so wird sich auch ein europäisches gestalten, und die verschiedenen Nationen werden durch die Sorge für ihre industriellen Interessen, wie durch den Trieb der Selbsterhaltung sich zu wechselseitiger Ämulation in Herstellung des sie betreffenden Antheils angespornt fühlen. Durch seine geographische Lage, wie durch seine übrigen Zustände ist offenbar Deutschland berufen, das Centrum dieses europäischen Continental-Transportsystems zu bilden. Alle Anzeigen deuten jedoch darauf hin, daß Frankreich allen andern Nationen des Continents mit großem Beispiele vorangehen wird. Frankreich hat bereits in Herstellung eines Canalsystems ungleich größere Fortschritte gemacht und seine Industrie ungleich mehr entwickelt, als Deutschland. Welche Nachtheile auch die Centralisation der Staatsverwaltung, wie sie in Frankreich besteht, in jeder andern Beziehung haben mag, und wie sehr das Föderativsystem, wie es in Deutschland besteht, eine geordnete und gewissenhafte Administration befördert: großen, eine ganze Nation umschließenden und verbindenden, Unternehmungen ist der in Frankreich bestehende Zustand förderlicher, als der in Deutschland bestehende. Dazu kommt, daß das französische Publicum in Dingen dieser Art schon mehr Einsicht erlangt hat, als das deutsche; daß der constitutionelle Zustand Frankreichs dem Einflusse der öffentlichen Meinung auf die Entschlüsse der Regierung und auf die energische Ausführung derselben viel günstiger ist; daß die tausend Bedenklichkeiten und Hindernisse, die sich in Deutschland größern, das Einverständniß mehrerer Staaten voraussetzenden Unternehmungen entgegenstellen, dort wegfallen; endlich daß die französische Büreaukratie zur Zeit die Sache besser kennt, geneigter ist, in die öffentlichen Wünsche einzugehen und in großen Geschäften schon größere Übung erlangt hat, als die deutsche. In Deutschland erschrickt man noch vor dem Gedanken an Unternehmungen auf Staatsrechnung und an Garantien von Seiten des Staats. 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Dazu kommt, daß das französische Publicum in Dingen dieser Art schon mehr Einsicht erlangt hat, als das deutsche; daß der constitutionelle Zustand Frankreichs dem Einflusse der öffentlichen Meinung auf die Entschlüsse der Regierung und auf die energische Ausführung derselben viel günstiger ist; daß die tausend Bedenklichkeiten und Hindernisse, die sich in Deutschland größern, das Einverständniß mehrerer Staaten voraussetzenden Unternehmungen entgegenstellen, dort wegfallen; endlich daß die französische Büreaukratie zur Zeit die Sache besser kennt, geneigter ist, in die öffentlichen Wünsche einzugehen und in großen Geschäften schon größere Übung erlangt hat, als die deutsche.</p> <p>In <hi rendition="#g">Deutschland</hi> erschrickt man noch vor dem Gedanken an Unternehmungen auf Staatsrechnung und an Garantien von Seiten des Staats. Da man sich bisher mit Recht viel darauf zu gut gethan </p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0032]
besonders auf dem Continent, in Gebrauch kommen, wie schon das großartige Beispiel von Belgien anzeigt, dessen aufgeklärter König, ein deutscher Fürst, das erste National-Eisenbahnsystem auf Staatsrechnung beschlossen und mit glorreichem Erfolge zum Theil schon ausgeführt hat. Die Staatstheoretiker werden alsdann in ihren Systemen und die Praktiker in ihrem Budgets die Kriegsschuld von der productiven Schuld getrennt aufführen. Unter der letztern Kategorie wird man alle diejenigen Anleihen begreifen, die gemacht worden sind, um Eisenbahnen, Canäle, Seehäfen und Chausseen anzulegen, um die Flüsse schiffbar zu machen, polytechnische Institute zu errichten u. s. w. Und je mehr die productive Schuld zunehmen und die Kriegsschuld sich vermindern wird, desto mehr wird der Staatscredit steigen.
Wie sich ein nordamerikanisches Continental-Transportsystem ausbildet, so wird sich auch ein europäisches gestalten, und die verschiedenen Nationen werden durch die Sorge für ihre industriellen Interessen, wie durch den Trieb der Selbsterhaltung sich zu wechselseitiger Ämulation in Herstellung des sie betreffenden Antheils angespornt fühlen.
Durch seine geographische Lage, wie durch seine übrigen Zustände ist offenbar Deutschland berufen, das Centrum dieses europäischen Continental-Transportsystems zu bilden. Alle Anzeigen deuten jedoch darauf hin, daß Frankreich allen andern Nationen des Continents mit großem Beispiele vorangehen wird.
Frankreich hat bereits in Herstellung eines Canalsystems ungleich größere Fortschritte gemacht und seine Industrie ungleich mehr entwickelt, als Deutschland. Welche Nachtheile auch die Centralisation der Staatsverwaltung, wie sie in Frankreich besteht, in jeder andern Beziehung haben mag, und wie sehr das Föderativsystem, wie es in Deutschland besteht, eine geordnete und gewissenhafte Administration befördert: großen, eine ganze Nation umschließenden und verbindenden, Unternehmungen ist der in Frankreich bestehende Zustand förderlicher, als der in Deutschland bestehende. Dazu kommt, daß das französische Publicum in Dingen dieser Art schon mehr Einsicht erlangt hat, als das deutsche; daß der constitutionelle Zustand Frankreichs dem Einflusse der öffentlichen Meinung auf die Entschlüsse der Regierung und auf die energische Ausführung derselben viel günstiger ist; daß die tausend Bedenklichkeiten und Hindernisse, die sich in Deutschland größern, das Einverständniß mehrerer Staaten voraussetzenden Unternehmungen entgegenstellen, dort wegfallen; endlich daß die französische Büreaukratie zur Zeit die Sache besser kennt, geneigter ist, in die öffentlichen Wünsche einzugehen und in großen Geschäften schon größere Übung erlangt hat, als die deutsche.
In Deutschland erschrickt man noch vor dem Gedanken an Unternehmungen auf Staatsrechnung und an Garantien von Seiten des Staats. Da man sich bisher mit Recht viel darauf zu gut gethan
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