Warum wollte man dann in Dingen grübeln, welche GOtt uns zu ofenbahren nicht vor nöthig erachtet habe? Mo- ses sagt uns, GOTT habe den Menschen nach seinem Bilde erschasen: Er habe ihn in einen schönen Garten gesetzet: Der Mensch habe von der Frucht eines Baumes gegessen, welche ihm von GOtt zu essen verboten: Und sey desfals aus dem schönen Garten vertrieben worden. Damit müssen wir zufrie- den seyn, und uns nicht einbilden, mehr zu wissen, als Moses.
Weil sich nun der Hr. Prof. Manzel unterstanden hat, von der Erzehlung Mosis abzugehen, und uns aus der Vernunft mehr zu lehren, als dieser grosse Prophet uns gesagt hat: So war es nöthig, zu zeigen, daß unsere Vernunft in den Sachen blind sey, und nicht einmahl den Stand der Unschuld begrei- fen, geschweige vor sich erkennen könne: und daß es also eine unnütze Arbeit sey, von solchen Sachen zu philosophiren. Die- ses ist meine Absicht, welche Ew. Hochwohlgeb. unmöglich werden tadeln können.
Uebrigens wird es mir eine sonderliche Freude seyn, bald zu vernehmen, wie Ew. Hochwohlgeb. moine Gedancken über die Schrift des Hn. Manzels gefallen habe. Jch habe sie auf De- ro Befehl zu Papier gebracht, um Jhnen auch dadurch zu zei- gen, mit wie vielem Eyfer ich sey
Ew. Hochwohlgeb. Schwerin den 30 November 1726.
gehorsamster Diener E. v. W.
suader a toute personne raisonnable que la plume de Moise a ete sous la direction particuliere du S. Esprit. En effet si Moise eaut ete le maeitre de ses expressions & de ses pensees, il n'auroit jamais enveloppe d'une fa- con si etonnaute le recit d'une telle action; il en auroit parle d'un stile un peu plus humain, & plus propre a instruire la posterite, mais une sagesse infinie le diri- geoit de telle sorte qu'il ecrivoit non pas selon ses vaues, mais selon les desseins cachez de la Providence.
(o)
Warum wollte man dann in Dingen gruͤbeln, welche GOtt uns zu ofenbahren nicht vor noͤthig erachtet habe? Mo- ſes ſagt uns, GOTT habe den Menſchen nach ſeinem Bilde erſchaſen: Er habe ihn in einen ſchoͤnen Garten geſetzet: Der Menſch habe von der Frucht eines Baumes gegeſſen, welche ihm von GOtt zu eſſen verboten: Und ſey desfals aus dem ſchoͤnen Garten vertrieben worden. Damit muͤſſen wir zufrie- den ſeyn, und uns nicht einbilden, mehr zu wiſſen, als Moſes.
Weil ſich nun der Hr. Prof. Manzel unterſtanden hat, von der Erzehlung Moſis abzugehen, und uns aus der Vernunft mehr zu lehren, als dieſer groſſe Prophet uns geſagt hat: So war es noͤthig, zu zeigen, daß unſere Vernunft in den Sachen blind ſey, und nicht einmahl den Stand der Unſchuld begrei- fen, geſchweige vor ſich erkennen koͤnne: und daß es alſo eine unnuͤtze Arbeit ſey, von ſolchen Sachen zu philoſophiren. Die- ſes iſt meine Abſicht, welche Ew. Hochwohlgeb. unmoͤglich werden tadeln koͤnnen.
Uebrigens wird es mir eine ſonderliche Freude ſeyn, bald zu vernehmen, wie Ew. Hochwohlgeb. moine Gedancken uͤber die Schrift des Hn. Manzels gefallen habe. Jch habe ſie auf De- ro Befehl zu Papier gebracht, um Jhnen auch dadurch zu zei- gen, mit wie vielem Eyfer ich ſey
Ew. Hochwohlgeb. Schwerin den 30 November 1726.
gehorſamſter Diener E. v. W.
ſuader à toute perſonne raiſonnable que la plume de Moïſe a été ſous la direction particuliere du S. Eſprit. En effet ſi Moïſe eût eté le maître de ſes expreſſions & de ſes penſées, il n’auroit jamais enveloppé d’une fa- çon ſi étonnaute le recit d’une telle action; il en auroit parlé d’un ſtile un peu plus humain, & plus propre â inſtruire la poſterité, mais une ſageſſe infinie le diri- geoit de telle ſorte qu’il écrivoit non pas ſelon ſes vûës, mais ſelon les deſſeins cachez de la Providence.
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(o)
Warum wollte man dann in Dingen gruͤbeln, welche
GOtt uns zu ofenbahren nicht vor noͤthig erachtet habe? Mo-
ſes ſagt uns, GOTT habe den Menſchen nach ſeinem Bilde
erſchaſen: Er habe ihn in einen ſchoͤnen Garten geſetzet: Der
Menſch habe von der Frucht eines Baumes gegeſſen, welche
ihm von GOtt zu eſſen verboten: Und ſey desfals aus dem
ſchoͤnen Garten vertrieben worden. Damit muͤſſen wir zufrie-
den ſeyn, und uns nicht einbilden, mehr zu wiſſen, als Moſes.
Weil ſich nun der Hr. Prof. Manzel unterſtanden hat, von
der Erzehlung Moſis abzugehen, und uns aus der Vernunft
mehr zu lehren, als dieſer groſſe Prophet uns geſagt hat: So
war es noͤthig, zu zeigen, daß unſere Vernunft in den Sachen
blind ſey, und nicht einmahl den Stand der Unſchuld begrei-
fen, geſchweige vor ſich erkennen koͤnne: und daß es alſo eine
unnuͤtze Arbeit ſey, von ſolchen Sachen zu philoſophiren. Die-
ſes iſt meine Abſicht, welche Ew. Hochwohlgeb. unmoͤglich
werden tadeln koͤnnen.
Uebrigens wird es mir eine ſonderliche Freude ſeyn, bald zu
vernehmen, wie Ew. Hochwohlgeb. moine Gedancken uͤber die
Schrift des Hn. Manzels gefallen habe. Jch habe ſie auf De-
ro Befehl zu Papier gebracht, um Jhnen auch dadurch zu zei-
gen, mit wie vielem Eyfer ich ſey
Ew. Hochwohlgeb.
Schwerin den 30 November
1726.
gehorſamſter Diener
E. v. W.
(42)
(42) ſuader à toute perſonne raiſonnable que la plume de
Moïſe a été ſous la direction particuliere du S. Eſprit.
En effet ſi Moïſe eût eté le maître de ſes expreſſions &
de ſes penſées, il n’auroit jamais enveloppé d’une fa-
çon ſi étonnaute le recit d’une telle action; il en auroit
parlé d’un ſtile un peu plus humain, & plus propre â
inſtruire la poſterité, mais une ſageſſe infinie le diri-
geoit de telle ſorte qu’il écrivoit non pas ſelon ſes vûës,
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/864>, abgerufen am 24.11.2024.
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