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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
einrichten. Jch halte vor unnöthig Ew. Hochwohl-
gebohrnen hievon eine Probe zu geben: Sie sehen
wohl, daß ich mich nicht zu viel vermesse.

Jch mag auch über dem hier nicht weitläuftiger
seyn, weil mir leicht ein Wort entfallen könnte, wo-
durch ich mich an diesem Beweiß, von der Unmöglich-
keit der Ehen unter Geschwister, versündigen möchte.
Der Hr. Prof. Manzel ist so bescheiden, und gestehet
daß seine Demonstration sehr schwer hincket (mul-
tum claudicare
). Sie wissen, daß man mit gebrechli-
chen und preßhaften Personen ein Mitleiden haben,
und ihrer bey Leibe nicht spotten muß. Warum solte
ein gebrechlicher Schluß nicht eben dieses Mitleydens
würdig seyn?

So viel deucht mich, kan ich ohne Sünde sagen, daß
die Frage: Ob es nach dem Recht der Natur erlaubt
sey, seine Schwester zu heyrathen? nicht wohl beant-
wortet wird, wenn man spricht; Es sey unmöglich ge-
wesen, im Stande der Unschuld seine Schwester zum
Weibe zu nehmen. Denn dieses will man nicht wis-
sen: Sondern die Frage von der Rechtmäßigkeit die-
ser Ehen setzt die Möglich keit derselben voraus. Folg-
lich ist der Hr. Prof. Manzel, der ein Jus Naturae ve-
re tale
schreiben will, schuldig, uns zu berichten, was
in diesem Falle Rechtens gewesen, wenn er sich im
Stande der Unschuld begeben hätte.

Eben dieses sage ich von dem, was der Hr. Prof.
(§. 66.) von den Ehen zwischen Eltern und Kindern
schreibt. Er beweiset nicht, daß sie an sich sündlich sind,
sondern er ordnet nur, nach der unumschränckten Ge-
walt, die ihm niemand absprechen kan, die Sachen
in seinem Stande der Unschuld so, daß sie keine

Statt

(o)
einrichten. Jch halte vor unnoͤthig Ew. Hochwohl-
gebohrnen hievon eine Probe zu geben: Sie ſehen
wohl, daß ich mich nicht zu viel vermeſſe.

Jch mag auch uͤber dem hier nicht weitlaͤuftiger
ſeyn, weil mir leicht ein Wort entfallen koͤnnte, wo-
durch ich mich an dieſem Beweiß, von der Unmoͤglich-
keit der Ehen unter Geſchwiſter, verſuͤndigen moͤchte.
Der Hr. Prof. Manzel iſt ſo beſcheiden, und geſtehet
daß ſeine Demonſtration ſehr ſchwer hincket (mul-
tum claudicare
). Sie wiſſen, daß man mit gebrechli-
chen und preßhaften Perſonen ein Mitleiden haben,
und ihrer bey Leibe nicht ſpotten muß. Warum ſolte
ein gebrechlicher Schluß nicht eben dieſes Mitleydens
wuͤrdig ſeyn?

So viel deucht mich, kan ich ohne Suͤnde ſagen, daß
die Frage: Ob es nach dem Recht der Natur erlaubt
ſey, ſeine Schweſter zu heyrathen? nicht wohl beant-
wortet wird, wenn man ſpricht; Es ſey unmoͤglich ge-
weſen, im Stande der Unſchuld ſeine Schweſter zum
Weibe zu nehmen. Denn dieſes will man nicht wiſ-
ſen: Sondern die Frage von der Rechtmaͤßigkeit die-
ſer Ehen ſetzt die Moͤglich keit derſelben voraus. Folg-
lich iſt der Hr. Prof. Manzel, der ein Jus Naturæ ve-
re tale
ſchreiben will, ſchuldig, uns zu berichten, was
in dieſem Falle Rechtens geweſen, wenn er ſich im
Stande der Unſchuld begeben haͤtte.

Eben dieſes ſage ich von dem, was der Hr. Prof.
(§. 66.) von den Ehen zwiſchen Eltern und Kindern
ſchreibt. Er beweiſet nicht, daß ſie an ſich ſuͤndlich ſind,
ſondern er ordnet nur, nach der unumſchraͤnckten Ge-
walt, die ihm niemand abſprechen kan, die Sachen
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[764/0856] (o) einrichten. Jch halte vor unnoͤthig Ew. Hochwohl- gebohrnen hievon eine Probe zu geben: Sie ſehen wohl, daß ich mich nicht zu viel vermeſſe. Jch mag auch uͤber dem hier nicht weitlaͤuftiger ſeyn, weil mir leicht ein Wort entfallen koͤnnte, wo- durch ich mich an dieſem Beweiß, von der Unmoͤglich- keit der Ehen unter Geſchwiſter, verſuͤndigen moͤchte. Der Hr. Prof. Manzel iſt ſo beſcheiden, und geſtehet daß ſeine Demonſtration ſehr ſchwer hincket (mul- tum claudicare). Sie wiſſen, daß man mit gebrechli- chen und preßhaften Perſonen ein Mitleiden haben, und ihrer bey Leibe nicht ſpotten muß. Warum ſolte ein gebrechlicher Schluß nicht eben dieſes Mitleydens wuͤrdig ſeyn? So viel deucht mich, kan ich ohne Suͤnde ſagen, daß die Frage: Ob es nach dem Recht der Natur erlaubt ſey, ſeine Schweſter zu heyrathen? nicht wohl beant- wortet wird, wenn man ſpricht; Es ſey unmoͤglich ge- weſen, im Stande der Unſchuld ſeine Schweſter zum Weibe zu nehmen. Denn dieſes will man nicht wiſ- ſen: Sondern die Frage von der Rechtmaͤßigkeit die- ſer Ehen ſetzt die Moͤglich keit derſelben voraus. Folg- lich iſt der Hr. Prof. Manzel, der ein Jus Naturæ ve- re tale ſchreiben will, ſchuldig, uns zu berichten, was in dieſem Falle Rechtens geweſen, wenn er ſich im Stande der Unſchuld begeben haͤtte. Eben dieſes ſage ich von dem, was der Hr. Prof. (§. 66.) von den Ehen zwiſchen Eltern und Kindern ſchreibt. Er beweiſet nicht, daß ſie an ſich ſuͤndlich ſind, ſondern er ordnet nur, nach der unumſchraͤnckten Ge- walt, die ihm niemand abſprechen kan, die Sachen in ſeinem Stande der Unſchuld ſo, daß ſie keine Statt

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 764. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/856>, abgerufen am 23.11.2024.