hin, sondern mit Bedacht zu thun. Hoc age, heißt es in allen unsern Verrichtungen. Warum soll dann diese, so natürliche, und zur Fortpflantzung des menschlichen Geschlechts so nöthige, Handlung von dieser allgemeinen Regel ausgenommen seyn? Mir kömmt dieses sehr heuchlerisch vor, und möchte ich wohl wissen, ob die Herren, die eine so grosse Heiligkeit, oder vielmehr Unempfindlichkeit von dem Menschen verlangen, sich wohl zum ehlichen Leben würden be- quemet haben, wann der Beyschlaf kein grösser Ver- gnügen, als z. E. das Dreschen gäbe: oder ob sie durch nichts, als eine Christliche Betrachtungen des Cresei- te & multiplicamini angereitzet werden, ihre Wei- ber zu erkennen?
Jch glaube sie werden gerne geftehen, daß sie ihren Schatz in irrdischen Gefässen tragen. Aber sie haben nicht Ursache, sich ihrer Gesundheit zu schämen. Es ist eben so erlaubt, im Beyschlaf eine Lust zu empfinden, als sich mit Speise und Tranck zu er quicken. Die Lust, so wir empfinden, wann wir unsern Hunger und Durst stillen, kan Folgen haben, die eben so schädlich sind, als diejenigen, welche aus einer unmäßigen Pfle- gung der Liebe entstehen. Darum aber hat noch kein Moraliste gesaget, es sey sündlich, die Speise, die man geniesset, zu schmecken, und sich an deren Geschmack, wann er angenehm ist, zu belustigen. Unsere rei- nesten und eyferigsten Gottesgelehrte erlauben uns das poculum hilaritatis, und treiben es manch- mahl selbst so hoch, als es angehen will. Wie könn- ten sie aber dieses thun, wenn die Empfindung einer Lust, deren Mißbrauch schädlich ist, an sich eine Sünde wäre?
Jch
(o)
hin, ſondern mit Bedacht zu thun. Hoc age, heißt es in allen unſern Verrichtungen. Warum ſoll dann dieſe, ſo natuͤrliche, und zur Fortpflantzung des menſchlichen Geſchlechts ſo noͤthige, Handlung von dieſer allgemeinen Regel ausgenommen ſeyn? Mir koͤm̃t dieſes ſehr heuchleriſch vor, und moͤchte ich wohl wiſſen, ob die Herren, die eine ſo groſſe Heiligkeit, oder vielmehr Unempfindlichkeit von dem Menſchen verlangen, ſich wohl zum ehlichen Leben wuͤrden be- quemet haben, wann der Beyſchlaf kein groͤſſer Ver- gnuͤgen, als z. E. das Dreſchen gaͤbe: oder ob ſie durch nichts, als eine Chriſtliche Betrachtungen des Creſei- te & multiplicamini angereitzet werden, ihre Wei- ber zu erkennen?
Jch glaube ſie werden gerne geftehen, daß ſie ihren Schatz in irrdiſchen Gefaͤſſen tragen. Aber ſie haben nicht Urſache, ſich ihrer Geſundheit zu ſchaͤmen. Es iſt eben ſo erlaubt, im Beyſchlaf eine Luſt zu empfinden, als ſich mit Speiſe und Tranck zu er quicken. Die Luſt, ſo wir empfinden, wann wir unſern Hunger und Durſt ſtillen, kan Folgen haben, die eben ſo ſchaͤdlich ſind, als diejenigen, welche aus einer unmaͤßigen Pfle- gung der Liebe entſtehen. Darum aber hat noch kein Moraliſte geſaget, es ſey ſuͤndlich, die Speiſe, die man genieſſet, zu ſchmecken, und ſich an deren Geſchmack, wann er angenehm iſt, zu beluſtigen. Unſere rei- neſten und eyferigſten Gottesgelehrte erlauben uns das poculum hilaritatis, und treiben es manch- mahl ſelbſt ſo hoch, als es angehen will. Wie koͤnn- ten ſie aber dieſes thun, wenn die Empfindung einer Luſt, deren Mißbrauch ſchaͤdlich iſt, an ſich eine Suͤnde waͤre?
Jch
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hin, ſondern mit Bedacht zu thun. Hoc age, heißt
es in allen unſern Verrichtungen. Warum ſoll
dann dieſe, ſo natuͤrliche, und zur Fortpflantzung des
menſchlichen Geſchlechts ſo noͤthige, Handlung von
dieſer allgemeinen Regel ausgenommen ſeyn? Mir
koͤm̃t dieſes ſehr heuchleriſch vor, und moͤchte ich wohl
wiſſen, ob die Herren, die eine ſo groſſe Heiligkeit,
oder vielmehr Unempfindlichkeit von dem Menſchen
verlangen, ſich wohl zum ehlichen Leben wuͤrden be-
quemet haben, wann der Beyſchlaf kein groͤſſer Ver-
gnuͤgen, als z. E. das Dreſchen gaͤbe: oder ob ſie durch
nichts, als eine Chriſtliche Betrachtungen des Creſei-
te & multiplicamini angereitzet werden, ihre Wei-
ber zu erkennen?
Jch glaube ſie werden gerne geftehen, daß ſie ihren
Schatz in irrdiſchen Gefaͤſſen tragen. Aber ſie haben
nicht Urſache, ſich ihrer Geſundheit zu ſchaͤmen. Es iſt
eben ſo erlaubt, im Beyſchlaf eine Luſt zu empfinden,
als ſich mit Speiſe und Tranck zu er quicken. Die Luſt,
ſo wir empfinden, wann wir unſern Hunger und
Durſt ſtillen, kan Folgen haben, die eben ſo ſchaͤdlich
ſind, als diejenigen, welche aus einer unmaͤßigen Pfle-
gung der Liebe entſtehen. Darum aber hat noch kein
Moraliſte geſaget, es ſey ſuͤndlich, die Speiſe, die man
genieſſet, zu ſchmecken, und ſich an deren Geſchmack,
wann er angenehm iſt, zu beluſtigen. Unſere rei-
neſten und eyferigſten Gottesgelehrte erlauben uns
das poculum hilaritatis, und treiben es manch-
mahl ſelbſt ſo hoch, als es angehen will. Wie koͤnn-
ten ſie aber dieſes thun, wenn die Empfindung einer
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/846>, abgerufen am 25.11.2024.
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