als der Schulmeister wird den Fehler des Kindes gewahr: Macht ihm seine Verdre- hungen, auf eine geschickte Art nach, und frägt: Wie läßt mir das? Das Kind schämt sich, und fasset von Stund an den Ent- schluß, sich zu bessern. Die geschickte Nach- ahmung durch welche dieser Vater sein Kind bekehret, ist nichts anders, als eine liebrei- che und sanftmüthige Spötterey, wodurch er den Fehler seines Kindes, zu dessen Be- sten, lächerlich macht: Und meine ersten Satyren gegen Sievers und Philippi sind nichts anders, als eine Nachahmung des- sen, was ich in ihren Schriften zu tadeln fand? Wie konnte ich liebreicher und sanft- müthiger mit ihnen verfahren? Jch frug sie gleichsahm: Wie läßt mir das? Und gab ihnen stillschweigend die Lehre: Cauendum est, ne quid in agendo dicendove facias, cujus imitatio rideatur(11). Diese Lehre hätten sie annehmen, und sich bedancken sollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen bescheidener und höflicher, als sie es verdien- ten. Man sehe ihre Schriften an. Wer die gelesen hat, und doch meine Satyren, als gar zu scharf, unchristlich und sündlich lä- stert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn bekümmere.
Was
(11)Cicere in Bruto.
(o)
als der Schulmeiſter wird den Fehler des Kindes gewahr: Macht ihm ſeine Verdre- hungen, auf eine geſchickte Art nach, und fraͤgt: Wie laͤßt mir das? Das Kind ſchaͤmt ſich, und faſſet von Stund an den Ent- ſchluß, ſich zu beſſern. Die geſchickte Nach- ahmung durch welche dieſer Vater ſein Kind bekehret, iſt nichts anders, als eine liebrei- che und ſanftmuͤthige Spoͤtterey, wodurch er den Fehler ſeines Kindes, zu deſſen Be- ſten, laͤcherlich macht: Und meine erſten Satyren gegen Sievers und Philippi ſind nichts anders, als eine Nachahmung deſ- ſen, was ich in ihren Schriften zu tadeln fand? Wie konnte ich liebreicher und ſanft- muͤthiger mit ihnen verfahren? Jch frug ſie gleichſahm: Wie laͤßt mir das? Und gab ihnen ſtillſchweigend die Lehre: Cauendum eſt, ne quid in agendo dicendove facias, cujus imitatio rideatur(11). Dieſe Lehre haͤtten ſie annehmen, und ſich bedancken ſollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen beſcheidener und hoͤflicher, als ſie es verdien- ten. Man ſehe ihre Schriften an. Wer die geleſen hat, und doch meine Satyren, als gar zu ſcharf, unchriſtlich und ſuͤndlich laͤ- ſtert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn bekuͤmmere.
Was
(11)Cicere in Bruto.
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><p><pbfacs="#f0083"n="79"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
als der Schulmeiſter wird den Fehler des<lb/>
Kindes gewahr: Macht ihm ſeine Verdre-<lb/>
hungen, auf eine geſchickte Art nach, und<lb/>
fraͤgt: Wie laͤßt mir das? Das Kind ſchaͤmt<lb/>ſich, und faſſet von Stund an den Ent-<lb/>ſchluß, ſich zu beſſern. Die geſchickte Nach-<lb/>
ahmung durch welche dieſer Vater ſein Kind<lb/>
bekehret, iſt nichts anders, als eine liebrei-<lb/>
che und ſanftmuͤthige Spoͤtterey, wodurch<lb/>
er den Fehler ſeines Kindes, zu deſſen Be-<lb/>ſten, laͤcherlich macht: Und meine erſten<lb/>
Satyren gegen Sievers und Philippi ſind<lb/>
nichts anders, als eine Nachahmung deſ-<lb/>ſen, was ich in ihren Schriften zu tadeln<lb/>
fand? Wie konnte ich liebreicher und ſanft-<lb/>
muͤthiger mit ihnen verfahren? Jch frug<lb/>ſie gleichſahm: Wie laͤßt mir das? Und gab<lb/>
ihnen ſtillſchweigend die Lehre: <hirendition="#aq">Cauendum<lb/>
eſt, ne quid in agendo dicendove facias,<lb/>
cujus imitatio rideatur</hi><noteplace="foot"n="(11)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Cicere in Bruto.</hi></hi></note>. Dieſe Lehre<lb/>
haͤtten ſie annehmen, und ſich bedancken<lb/>ſollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen<lb/>
beſcheidener und hoͤflicher, als ſie es verdien-<lb/>
ten. Man ſehe ihre Schriften an. Wer<lb/>
die geleſen hat, und doch meine Satyren, als<lb/>
gar zu ſcharf, unchriſtlich und ſuͤndlich laͤ-<lb/>ſtert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn<lb/>
bekuͤmmere.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Was</fw><lb/></div></front></text></TEI>
[79/0083]
(o)
als der Schulmeiſter wird den Fehler des
Kindes gewahr: Macht ihm ſeine Verdre-
hungen, auf eine geſchickte Art nach, und
fraͤgt: Wie laͤßt mir das? Das Kind ſchaͤmt
ſich, und faſſet von Stund an den Ent-
ſchluß, ſich zu beſſern. Die geſchickte Nach-
ahmung durch welche dieſer Vater ſein Kind
bekehret, iſt nichts anders, als eine liebrei-
che und ſanftmuͤthige Spoͤtterey, wodurch
er den Fehler ſeines Kindes, zu deſſen Be-
ſten, laͤcherlich macht: Und meine erſten
Satyren gegen Sievers und Philippi ſind
nichts anders, als eine Nachahmung deſ-
ſen, was ich in ihren Schriften zu tadeln
fand? Wie konnte ich liebreicher und ſanft-
muͤthiger mit ihnen verfahren? Jch frug
ſie gleichſahm: Wie laͤßt mir das? Und gab
ihnen ſtillſchweigend die Lehre: Cauendum
eſt, ne quid in agendo dicendove facias,
cujus imitatio rideatur (11). Dieſe Lehre
haͤtten ſie annehmen, und ſich bedancken
ſollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen
beſcheidener und hoͤflicher, als ſie es verdien-
ten. Man ſehe ihre Schriften an. Wer
die geleſen hat, und doch meine Satyren, als
gar zu ſcharf, unchriſtlich und ſuͤndlich laͤ-
ſtert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn
bekuͤmmere.
Was
(11) Cicere in Bruto.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/83>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.