Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
als der Schulmeister wird den Fehler des
Kindes gewahr: Macht ihm seine Verdre-
hungen, auf eine geschickte Art nach, und
frägt: Wie läßt mir das? Das Kind schämt
sich, und fasset von Stund an den Ent-
schluß, sich zu bessern. Die geschickte Nach-
ahmung durch welche dieser Vater sein Kind
bekehret, ist nichts anders, als eine liebrei-
che und sanftmüthige Spötterey, wodurch
er den Fehler seines Kindes, zu dessen Be-
sten, lächerlich macht: Und meine ersten
Satyren gegen Sievers und Philippi sind
nichts anders, als eine Nachahmung des-
sen, was ich in ihren Schriften zu tadeln
fand? Wie konnte ich liebreicher und sanft-
müthiger mit ihnen verfahren? Jch frug
sie gleichsahm: Wie läßt mir das? Und gab
ihnen stillschweigend die Lehre: Cauendum
est, ne quid in agendo dicendove facias,
cujus imitatio rideatur
(11). Diese Lehre
hätten sie annehmen, und sich bedancken
sollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen
bescheidener und höflicher, als sie es verdien-
ten. Man sehe ihre Schriften an. Wer
die gelesen hat, und doch meine Satyren, als
gar zu scharf, unchristlich und sündlich lä-
stert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn
bekümmere.

Was
(11) Cicere in Bruto.

(o)
als der Schulmeiſter wird den Fehler des
Kindes gewahr: Macht ihm ſeine Verdre-
hungen, auf eine geſchickte Art nach, und
fraͤgt: Wie laͤßt mir das? Das Kind ſchaͤmt
ſich, und faſſet von Stund an den Ent-
ſchluß, ſich zu beſſern. Die geſchickte Nach-
ahmung durch welche dieſer Vater ſein Kind
bekehret, iſt nichts anders, als eine liebrei-
che und ſanftmuͤthige Spoͤtterey, wodurch
er den Fehler ſeines Kindes, zu deſſen Be-
ſten, laͤcherlich macht: Und meine erſten
Satyren gegen Sievers und Philippi ſind
nichts anders, als eine Nachahmung deſ-
ſen, was ich in ihren Schriften zu tadeln
fand? Wie konnte ich liebreicher und ſanft-
muͤthiger mit ihnen verfahren? Jch frug
ſie gleichſahm: Wie laͤßt mir das? Und gab
ihnen ſtillſchweigend die Lehre: Cauendum
eſt, ne quid in agendo dicendove facias,
cujus imitatio rideatur
(11). Dieſe Lehre
haͤtten ſie annehmen, und ſich bedancken
ſollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen
beſcheidener und hoͤflicher, als ſie es verdien-
ten. Man ſehe ihre Schriften an. Wer
die geleſen hat, und doch meine Satyren, als
gar zu ſcharf, unchriſtlich und ſuͤndlich laͤ-
ſtert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn
bekuͤmmere.

Was
(11) Cicere in Bruto.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="79"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
als der Schulmei&#x017F;ter wird den Fehler des<lb/>
Kindes gewahr: Macht ihm &#x017F;eine Verdre-<lb/>
hungen, auf eine ge&#x017F;chickte Art nach, und<lb/>
fra&#x0364;gt: Wie la&#x0364;ßt mir das? Das Kind &#x017F;cha&#x0364;mt<lb/>
&#x017F;ich, und fa&#x017F;&#x017F;et von Stund an den Ent-<lb/>
&#x017F;chluß, &#x017F;ich zu be&#x017F;&#x017F;ern. Die ge&#x017F;chickte Nach-<lb/>
ahmung durch welche die&#x017F;er Vater &#x017F;ein Kind<lb/>
bekehret, i&#x017F;t nichts anders, als eine liebrei-<lb/>
che und &#x017F;anftmu&#x0364;thige Spo&#x0364;tterey, wodurch<lb/>
er den Fehler &#x017F;eines Kindes, zu de&#x017F;&#x017F;en Be-<lb/>
&#x017F;ten, la&#x0364;cherlich macht: Und meine er&#x017F;ten<lb/>
Satyren gegen Sievers und Philippi &#x017F;ind<lb/>
nichts anders, als eine Nachahmung de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, was ich in ihren Schriften zu tadeln<lb/>
fand? Wie konnte ich liebreicher und &#x017F;anft-<lb/>
mu&#x0364;thiger mit ihnen verfahren? Jch frug<lb/>
&#x017F;ie gleich&#x017F;ahm: Wie la&#x0364;ßt mir das? Und gab<lb/>
ihnen &#x017F;till&#x017F;chweigend die Lehre: <hi rendition="#aq">Cauendum<lb/>
e&#x017F;t, ne quid in agendo dicendove facias,<lb/>
cujus imitatio rideatur</hi> <note place="foot" n="(11)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cicere in Bruto.</hi></hi></note>. Die&#x017F;e Lehre<lb/>
ha&#x0364;tten &#x017F;ie annehmen, und &#x017F;ich bedancken<lb/>
&#x017F;ollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen<lb/>
be&#x017F;cheidener und ho&#x0364;flicher, als &#x017F;ie es verdien-<lb/>
ten. Man &#x017F;ehe ihre Schriften an. Wer<lb/>
die gele&#x017F;en hat, und doch meine Satyren, als<lb/>
gar zu &#x017F;charf, unchri&#x017F;tlich und &#x017F;u&#x0364;ndlich la&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn<lb/>
beku&#x0364;mmere.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[79/0083] (o) als der Schulmeiſter wird den Fehler des Kindes gewahr: Macht ihm ſeine Verdre- hungen, auf eine geſchickte Art nach, und fraͤgt: Wie laͤßt mir das? Das Kind ſchaͤmt ſich, und faſſet von Stund an den Ent- ſchluß, ſich zu beſſern. Die geſchickte Nach- ahmung durch welche dieſer Vater ſein Kind bekehret, iſt nichts anders, als eine liebrei- che und ſanftmuͤthige Spoͤtterey, wodurch er den Fehler ſeines Kindes, zu deſſen Be- ſten, laͤcherlich macht: Und meine erſten Satyren gegen Sievers und Philippi ſind nichts anders, als eine Nachahmung deſ- ſen, was ich in ihren Schriften zu tadeln fand? Wie konnte ich liebreicher und ſanft- muͤthiger mit ihnen verfahren? Jch frug ſie gleichſahm: Wie laͤßt mir das? Und gab ihnen ſtillſchweigend die Lehre: Cauendum eſt, ne quid in agendo dicendove facias, cujus imitatio rideatur (11). Dieſe Lehre haͤtten ſie annehmen, und ſich bedancken ſollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen beſcheidener und hoͤflicher, als ſie es verdien- ten. Man ſehe ihre Schriften an. Wer die geleſen hat, und doch meine Satyren, als gar zu ſcharf, unchriſtlich und ſuͤndlich laͤ- ſtert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn bekuͤmmere. Was (11) Cicere in Bruto.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/83
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/83>, abgerufen am 12.12.2024.