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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
zu zweifeln, oder die darauf gesetzten Strafen in den
Wind zu schlagen?

Jch glaube dieses um so viel weniger, weil man
heutiges Tages, da das menschliche Geschlecht so gar
im Argen liegt, noch hundert vor einen findet, welche
auf das blosse Verbot eines Medici, zu dem sie zwar
ein Vertrauen haben, aber doch lange nicht von der
Gewißheit seiner Kunst, und von der Wahrheit des-
ienigen, was er saget, so starck, als der erste Mensch
von der Untrieglichkeit seines Schöpfers überführet
sind, sich derer Speisen enthalten, die ihnen sonst die
liebsten sind: Ja ich glaube, daß man in der gantzen
Welt nicht einen Menschen finden wird, der nicht
auch dem elendesten Quacksalber, zu dem er nicht die
geringste Zuversicht heget, willig gehorchen solte,
wenn ihm derselbe eine Speise verböte, zu welcher er
nicht nur keine Lust hat, sondern die er auch von Na-
tur verabscheuet: Aber der erste Mensch, die heilige,
die vollkommene Creatur, die ohne alle böse Begier-
den, und mit einem natürlichen Haß wieder das Bö-
se gewafnet ist, übertritt das Gebot eines GOttes,
dem er nach der Erkänntniß, die er von ihm hatte,
nothwendig Glauben zustellen, und sich vor dessen
Zorn fürchten muste: und, was das meiste ist, so thut
er dieses ohne von der geringsten, dieser Erkänntniß
und diesem Gebote zuwieder laufenden, Begierde
dazu genöthiget zu werden.

Wie dieses mit einander bestehen könne, kan ich,
mir selbst gelassen, nicht begreifen, und muß bekennen,
daß die Vernunft, die dem Hr. Prof. Manzel so unbe-
greifliche Dinge lehret, von gar besonderer Art seyn
müsse. Meine Vernunft sperret sich dawieder, und

sagt
A a a

(o)
zu zweifeln, oder die darauf geſetzten Strafen in den
Wind zu ſchlagen?

Jch glaube dieſes um ſo viel weniger, weil man
heutiges Tages, da das menſchliche Geſchlecht ſo gar
im Argen liegt, noch hundert vor einen findet, welche
auf das bloſſe Verbot eines Medici, zu dem ſie zwar
ein Vertrauen haben, aber doch lange nicht von der
Gewißheit ſeiner Kunſt, und von der Wahrheit des-
ienigen, was er ſaget, ſo ſtarck, als der erſte Menſch
von der Untrieglichkeit ſeines Schoͤpfers uͤberfuͤhret
ſind, ſich derer Speiſen enthalten, die ihnen ſonſt die
liebſten ſind: Ja ich glaube, daß man in der gantzen
Welt nicht einen Menſchen finden wird, der nicht
auch dem elendeſten Quackſalber, zu dem er nicht die
geringſte Zuverſicht heget, willig gehorchen ſolte,
wenn ihm derſelbe eine Speiſe verboͤte, zu welcher er
nicht nur keine Luſt hat, ſondern die er auch von Na-
tur verabſcheuet: Aber der erſte Menſch, die heilige,
die vollkommene Creatur, die ohne alle boͤſe Begier-
den, und mit einem natuͤrlichen Haß wieder das Boͤ-
ſe gewafnet iſt, uͤbertritt das Gebot eines GOttes,
dem er nach der Erkaͤnntniß, die er von ihm hatte,
nothwendig Glauben zuſtellen, und ſich vor deſſen
Zorn fuͤrchten muſte: und, was das meiſte iſt, ſo thut
er dieſes ohne von der geringſten, dieſer Erkaͤnntniß
und dieſem Gebote zuwieder laufenden, Begierde
dazu genoͤthiget zu werden.

Wie dieſes mit einander beſtehen koͤnne, kan ich,
mir ſelbſt gelaſſen, nicht begreifen, und muß bekennen,
daß die Vernunft, die dem Hr. Prof. Manzel ſo unbe-
greifliche Dinge lehret, von gar beſonderer Art ſeyn
muͤſſe. Meine Vernunft ſperret ſich dawieder, und

ſagt
A a a
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[737/0829] (o) zu zweifeln, oder die darauf geſetzten Strafen in den Wind zu ſchlagen? Jch glaube dieſes um ſo viel weniger, weil man heutiges Tages, da das menſchliche Geſchlecht ſo gar im Argen liegt, noch hundert vor einen findet, welche auf das bloſſe Verbot eines Medici, zu dem ſie zwar ein Vertrauen haben, aber doch lange nicht von der Gewißheit ſeiner Kunſt, und von der Wahrheit des- ienigen, was er ſaget, ſo ſtarck, als der erſte Menſch von der Untrieglichkeit ſeines Schoͤpfers uͤberfuͤhret ſind, ſich derer Speiſen enthalten, die ihnen ſonſt die liebſten ſind: Ja ich glaube, daß man in der gantzen Welt nicht einen Menſchen finden wird, der nicht auch dem elendeſten Quackſalber, zu dem er nicht die geringſte Zuverſicht heget, willig gehorchen ſolte, wenn ihm derſelbe eine Speiſe verboͤte, zu welcher er nicht nur keine Luſt hat, ſondern die er auch von Na- tur verabſcheuet: Aber der erſte Menſch, die heilige, die vollkommene Creatur, die ohne alle boͤſe Begier- den, und mit einem natuͤrlichen Haß wieder das Boͤ- ſe gewafnet iſt, uͤbertritt das Gebot eines GOttes, dem er nach der Erkaͤnntniß, die er von ihm hatte, nothwendig Glauben zuſtellen, und ſich vor deſſen Zorn fuͤrchten muſte: und, was das meiſte iſt, ſo thut er dieſes ohne von der geringſten, dieſer Erkaͤnntniß und dieſem Gebote zuwieder laufenden, Begierde dazu genoͤthiget zu werden. Wie dieſes mit einander beſtehen koͤnne, kan ich, mir ſelbſt gelaſſen, nicht begreifen, und muß bekennen, daß die Vernunft, die dem Hr. Prof. Manzel ſo unbe- greifliche Dinge lehret, von gar beſonderer Art ſeyn muͤſſe. Meine Vernunft ſperret ſich dawieder, und ſagt A a a

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/829>, abgerufen am 22.11.2024.