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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Wie kan dieses aber mit der vollkommenen Er-
känntniß aller Dinge bestehen, die der erste Mensch
besessen haben soll.

Auch wir werden durch die Erfahrung klug.
Wo bleibt also der Unterscheid zwischen uns und
unsern ersten Eltern? Der Hr. Prof. Manzel hebt
ihn selbst auf. Jst dieses seine Absicht nicht, so
muß er die Erfahrung weg lassen: Die nutzet einer
Creatur nichts, die, von dem ersten Augenblick ih-
res Lebens an, alle Dinge vollkommen kennet, und
mehr weiß, als das gantze menschliche Geschlecht,
zusammen genommen, in vielen hundert Jahren ler-
nen kan. So bald er die Erfahrung zum Grund
der Erkänntniß macht, die der erste Mensch gehabt
haben soll, zernichtet er den hohen Begrif, den er
uns von der vollkommenen Weißheit desselben ge-
ben wollen, und gibt mir Fug und Macht zu schlies-
sen, daß wir heutiges Tages klüger sind, als unse-
re ersten Eltern, weil unsere Erfahrung unstreitig
grösser ist, als die ihrige.

Die moralische Wissenschaft des Menschen,"
fährt der Hr. Manzel (§. 41.) fort, bestund darinn,"
daß er daß Gute allein kannte, und in dem Gu-"
ten allein seine edle Freyheit, dieses oder jenes zu"
thun, brauchte. (In moralibus notitiam ha-"
buerunt solius boni & in specie sola boni gene-"
rosum exercuerunt arbitrium hoc vel illud agen-"
di
)." Er habe auch gewust, daß er, so bald er"
von dieser Richtschnur seiner Vollkommenheit ab-
wiche, (quod simul ac normam hanc suae per-
fectionis relinquerent
) sich in Unglück stürtzen
würde (malum ipsos esset in vasurum).

Hier

(o)
Wie kan dieſes aber mit der vollkommenen Er-
kaͤnntniß aller Dinge beſtehen, die der erſte Menſch
beſeſſen haben ſoll.

Auch wir werden durch die Erfahrung klug.
Wo bleibt alſo der Unterſcheid zwiſchen uns und
unſern erſten Eltern? Der Hr. Prof. Manzel hebt
ihn ſelbſt auf. Jſt dieſes ſeine Abſicht nicht, ſo
muß er die Erfahrung weg laſſen: Die nutzet einer
Creatur nichts, die, von dem erſten Augenblick ih-
res Lebens an, alle Dinge vollkommen kennet, und
mehr weiß, als das gantze menſchliche Geſchlecht,
zuſammen genommen, in vielen hundert Jahren ler-
nen kan. So bald er die Erfahrung zum Grund
der Erkaͤnntniß macht, die der erſte Menſch gehabt
haben ſoll, zernichtet er den hohen Begrif, den er
uns von der vollkommenen Weißheit deſſelben ge-
ben wollen, und gibt mir Fug und Macht zu ſchlieſ-
ſen, daß wir heutiges Tages kluͤger ſind, als unſe-
re erſten Eltern, weil unſere Erfahrung unſtreitig
groͤſſer iſt, als die ihrige.

Die moraliſche Wiſſenſchaft des Menſchen,“
faͤhrt der Hr. Manzel (§. 41.) fort, beſtund darinn,„
daß er daß Gute allein kannte, und in dem Gu-„
ten allein ſeine edle Freyheit, dieſes oder jenes zu„
thun, brauchte. (In moralibus notitiam ha-„
buerunt ſolius boni & in ſpecie ſola boni gene-„
roſum exercuerunt arbitrium hoc vel illud agen-„
di
).” Er habe auch gewuſt, daß er, ſo bald er„
von dieſer Richtſchnur ſeiner Vollkommenheit ab-
wiche, (quod ſimul ac normam hanc ſuæ per-
fectionis relinquerent
) ſich in Ungluͤck ſtuͤrtzen
wuͤrde (malum ipſos eſſet in vaſurum).

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[733/0825] (o) Wie kan dieſes aber mit der vollkommenen Er- kaͤnntniß aller Dinge beſtehen, die der erſte Menſch beſeſſen haben ſoll. Auch wir werden durch die Erfahrung klug. Wo bleibt alſo der Unterſcheid zwiſchen uns und unſern erſten Eltern? Der Hr. Prof. Manzel hebt ihn ſelbſt auf. Jſt dieſes ſeine Abſicht nicht, ſo muß er die Erfahrung weg laſſen: Die nutzet einer Creatur nichts, die, von dem erſten Augenblick ih- res Lebens an, alle Dinge vollkommen kennet, und mehr weiß, als das gantze menſchliche Geſchlecht, zuſammen genommen, in vielen hundert Jahren ler- nen kan. So bald er die Erfahrung zum Grund der Erkaͤnntniß macht, die der erſte Menſch gehabt haben ſoll, zernichtet er den hohen Begrif, den er uns von der vollkommenen Weißheit deſſelben ge- ben wollen, und gibt mir Fug und Macht zu ſchlieſ- ſen, daß wir heutiges Tages kluͤger ſind, als unſe- re erſten Eltern, weil unſere Erfahrung unſtreitig groͤſſer iſt, als die ihrige. Die moraliſche Wiſſenſchaft des Menſchen,“ faͤhrt der Hr. Manzel (§. 41.) fort, beſtund darinn,„ daß er daß Gute allein kannte, und in dem Gu-„ ten allein ſeine edle Freyheit, dieſes oder jenes zu„ thun, brauchte. (In moralibus notitiam ha-„ buerunt ſolius boni & in ſpecie ſola boni gene-„ roſum exercuerunt arbitrium hoc vel illud agen-„ di).” Er habe auch gewuſt, daß er, ſo bald er„ von dieſer Richtſchnur ſeiner Vollkommenheit ab- wiche, (quod ſimul ac normam hanc ſuæ per- fectionis relinquerent) ſich in Ungluͤck ſtuͤrtzen wuͤrde (malum ipſos eſſet in vaſurum). Hier

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/825>, abgerufen am 22.11.2024.