GOttes selbst, mit Gewalt beraubet, und ihn also in die schädlichste Unwissenheit gesetzet hätte. Wer dieses mit den Eigenschaften eines höchst-gerechten, gütigen und weisen Wesens reimen kan, der muß sehr künstlich seyn.
Jch getraue es mir nicht, und will daher lieber sagen, daß, wenn der Mensch die unbegreifliche Weißheit, welche man ihm beyleget, vor dem Fall gehabt hätte, GOtt ihm dieselbe auch nach dem Fall wohl würde gelassen haben.
Eben dieses kan ich mit noch mehrerm Fug von der Erkänntniß der moralischen Wahrheiten sagen: weil sie die nützlichste ist. Wiewohl ich nicht begreife, was eine Ereatur, die ihrer Natur nach, das nützli- che begehret, und das, was ihr schädlich ist, fliehet, ausser diesem natürlichen Trieb, vor sonderbahre mo- ralische Weißheit habe besitzen können.
V. Der Hr. Prof. Manzel sagt ferner der reine und vollkommene Verstand der ersten Menschen, sey bey allen vollkommen gleich gewesen. Er schliesset recht: Denn der GOtt, der, wie wir schon von ihm gelernet haben, in Kleinigkeiten, und z. E. in der äusserlichen Bildung und Statur des Menschen die genaueste Gleichheit beobachtet hat, der wird in wichtigern Dingen nicht weniger auf eine Gleichheit gesehen ha- ben: Allein er wiederspricht sich gleich, und stösset nicht allein das, was er hier sagt, sondern auch das schöne Argument, das er von der ungleichen Statur der Menschen hergenommen hat, übern Haufen, wann er fortfähret, und schreibt; es sey zwischen dem Ver- stande der Kinder und erwachsenen Leute, der Alten und der Jungen ein Unterscheid gewesen. Mich deucht,
er
(o)
GOttes ſelbſt, mit Gewalt beraubet, und ihn alſo in die ſchaͤdlichſte Unwiſſenheit geſetzet haͤtte. Wer dieſes mit den Eigenſchaften eines hoͤchſt-gerechten, guͤtigen und weiſen Weſens reimen kan, der muß ſehr kuͤnſtlich ſeyn.
Jch getraue es mir nicht, und will daher lieber ſagen, daß, wenn der Menſch die unbegreifliche Weißheit, welche man ihm beyleget, vor dem Fall gehabt haͤtte, GOtt ihm dieſelbe auch nach dem Fall wohl wuͤrde gelaſſen haben.
Eben dieſes kan ich mit noch mehrerm Fug von der Erkaͤnntniß der moraliſchen Wahrheiten ſagen: weil ſie die nuͤtzlichſte iſt. Wiewohl ich nicht begreife, was eine Ereatur, die ihrer Natur nach, das nuͤtzli- che begehret, und das, was ihr ſchaͤdlich iſt, fliehet, auſſer dieſem natuͤrlichen Trieb, vor ſonderbahre mo- raliſche Weißheit habe beſitzen koͤnnen.
V. Der Hr. Prof. Manzel ſagt ferner der reine und vollkommene Verſtand der erſten Menſchen, ſey bey allen vollkom̃en gleich geweſen. Er ſchlieſſet recht: Denn der GOtt, der, wie wir ſchon von ihm gelernet haben, in Kleinigkeiten, und z. E. in der aͤuſſerlichen Bildung und Statur des Menſchen die genaueſte Gleichheit beobachtet hat, der wird in wichtigern Dingen nicht weniger auf eine Gleichheit geſehen ha- ben: Allein er wiederſpricht ſich gleich, und ſtoͤſſet nicht allein das, was er hier ſagt, ſondern auch das ſchoͤne Argument, das er von der ungleichen Statur der Menſchen hergenommen hat, uͤbern Haufen, wann er fortfaͤhret, und ſchreibt; es ſey zwiſchen dem Ver- ſtande der Kinder und erwachſenen Leute, der Alten und der Jungen ein Unterſcheid geweſen. Mich deucht,
er
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GOttes ſelbſt, mit Gewalt beraubet, und ihn alſo
in die ſchaͤdlichſte Unwiſſenheit geſetzet haͤtte. Wer
dieſes mit den Eigenſchaften eines hoͤchſt-gerechten,
guͤtigen und weiſen Weſens reimen kan, der muß
ſehr kuͤnſtlich ſeyn.
Jch getraue es mir nicht, und will daher lieber
ſagen, daß, wenn der Menſch die unbegreifliche
Weißheit, welche man ihm beyleget, vor dem Fall
gehabt haͤtte, GOtt ihm dieſelbe auch nach dem Fall
wohl wuͤrde gelaſſen haben.
Eben dieſes kan ich mit noch mehrerm Fug von
der Erkaͤnntniß der moraliſchen Wahrheiten ſagen:
weil ſie die nuͤtzlichſte iſt. Wiewohl ich nicht begreife,
was eine Ereatur, die ihrer Natur nach, das nuͤtzli-
che begehret, und das, was ihr ſchaͤdlich iſt, fliehet,
auſſer dieſem natuͤrlichen Trieb, vor ſonderbahre mo-
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Denn der GOtt, der, wie wir ſchon von ihm gelernet
haben, in Kleinigkeiten, und z. E. in der aͤuſſerlichen
Bildung und Statur des Menſchen die genaueſte
Gleichheit beobachtet hat, der wird in wichtigern
Dingen nicht weniger auf eine Gleichheit geſehen ha-
ben: Allein er wiederſpricht ſich gleich, und ſtoͤſſet nicht
allein das, was er hier ſagt, ſondern auch das ſchoͤne
Argument, das er von der ungleichen Statur der
Menſchen hergenommen hat, uͤbern Haufen, wann
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/822>, abgerufen am 25.11.2024.
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