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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)

Jch glaube Ew. Hochwohlgeb. werden aus demje-
nigen, so ich bißher geschrieben, deutlich begreifen, daß
die drey Argumente, welche, zusammen genommen,
so grosse Dinge ausrichten solten, nichts beweisen,
man mag nun ein jedes vor sich, oder sie alle zusam-
men betrachten. Das folgende, welches §. 37. be-
"findlich, ist nicht um ein Haar besser. Der Hr. Prof.
"Manzel meint, es sey ein deutliches Zeichen unsers
"verdorbenen Zustandes, daß ein jeder etwas eigenes
"besitzet. Man könne, spricht er, ohne dem
"Schöpfer zu nahe zu treten, nicht sagen, daß, GOtt
"dieses Eigenthum, als die Quelle so vieler Laster,
"gleich anfangs eingeführet habe.

Man siehet wohl, daß der Hr. Prof. Manzel
meint, die ersten heiligen und vollkommenen Men-
schen hätten gelebet, als die ersten Christen. Diese
waren ein Hertz und eine Seele, und hatten ihre Gü-
ter gemein. Wenn dieses wahr ist, so ist es freylich ein
Zeichen eines verdorbenen Zustandes, daß wir diese
Gemeinschaft aufgehoben haben. Allein zu allem
Unglück hat der Hr. Prof. Manzel diese erste Ge-
meinschaft aller Güter noch nicht bewiesen. Er setzt
also etwas voraus, das noch unausgemacht,
und in der That falsch ist.

Denn wenn wir uns den Zustand der ersten Men-
schen recht vorstellen, so findet sichs, daß die Einfüh-
rung des Eigenthums nimmer eine Aufhebung der,
aus der ersten Vollkommenheit des Menschen fliessen-
den, Gemeinschaft der Güter seyn könne. Als die Erde
zu erst mit Menschen besetzet ward, war weder Eigen-
thum noch Gemeinschaft; sondern die Dinge, welche
auf der Erde waren, gehörten niemand: Sie waren

res
(o)

Jch glaube Ew. Hochwohlgeb. werden aus demje-
nigen, ſo ich bißher geſchrieben, deutlich begreifen, daß
die drey Argumente, welche, zuſammen genommen,
ſo groſſe Dinge ausrichten ſolten, nichts beweiſen,
man mag nun ein jedes vor ſich, oder ſie alle zuſam-
men betrachten. Das folgende, welches §. 37. be-
„findlich, iſt nicht um ein Haar beſſer. Der Hr. Prof.
„Manzel meint, es ſey ein deutliches Zeichen unſers
„verdorbenen Zuſtandes, daß ein jeder etwas eigenes
„beſitzet. Man koͤnne, ſpricht er, ohne dem
„Schoͤpfer zu nahe zu treten, nicht ſagen, daß, GOtt
„dieſes Eigenthum, als die Quelle ſo vieler Laſter,
„gleich anfangs eingefuͤhret habe.

Man ſiehet wohl, daß der Hr. Prof. Manzel
meint, die erſten heiligen und vollkommenen Men-
ſchen haͤtten gelebet, als die erſten Chriſten. Dieſe
waren ein Hertz und eine Seele, und hatten ihre Guͤ-
ter gemein. Wenn dieſes wahr iſt, ſo iſt es freylich ein
Zeichen eines verdorbenen Zuſtandes, daß wir dieſe
Gemeinſchaft aufgehoben haben. Allein zu allem
Ungluͤck hat der Hr. Prof. Manzel dieſe erſte Ge-
meinſchaft aller Guͤter noch nicht bewieſen. Er ſetzt
alſo etwas voraus, das noch unausgemacht,
und in der That falſch iſt.

Denn wenn wir uns den Zuſtand der erſten Men-
ſchen recht vorſtellen, ſo findet ſichs, daß die Einfuͤh-
rung des Eigenthums nimmer eine Aufhebung der,
aus der erſten Vollkommenheit des Menſchen flieſſen-
den, Gemeinſchaft der Guͤter ſeyn koͤnne. Als die Erde
zu erſt mit Menſchen beſetzet ward, war weder Eigen-
thum noch Gemeinſchaft; ſondern die Dinge, welche
auf der Erde waren, gehoͤrten niemand: Sie waren

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[712/0804] (o) Jch glaube Ew. Hochwohlgeb. werden aus demje- nigen, ſo ich bißher geſchrieben, deutlich begreifen, daß die drey Argumente, welche, zuſammen genommen, ſo groſſe Dinge ausrichten ſolten, nichts beweiſen, man mag nun ein jedes vor ſich, oder ſie alle zuſam- men betrachten. Das folgende, welches §. 37. be- „findlich, iſt nicht um ein Haar beſſer. Der Hr. Prof. „Manzel meint, es ſey ein deutliches Zeichen unſers „verdorbenen Zuſtandes, daß ein jeder etwas eigenes „beſitzet. Man koͤnne, ſpricht er, ohne dem „Schoͤpfer zu nahe zu treten, nicht ſagen, daß, GOtt „dieſes Eigenthum, als die Quelle ſo vieler Laſter, „gleich anfangs eingefuͤhret habe. Man ſiehet wohl, daß der Hr. Prof. Manzel meint, die erſten heiligen und vollkommenen Men- ſchen haͤtten gelebet, als die erſten Chriſten. Dieſe waren ein Hertz und eine Seele, und hatten ihre Guͤ- ter gemein. Wenn dieſes wahr iſt, ſo iſt es freylich ein Zeichen eines verdorbenen Zuſtandes, daß wir dieſe Gemeinſchaft aufgehoben haben. Allein zu allem Ungluͤck hat der Hr. Prof. Manzel dieſe erſte Ge- meinſchaft aller Guͤter noch nicht bewieſen. Er ſetzt alſo etwas voraus, das noch unausgemacht, und in der That falſch iſt. Denn wenn wir uns den Zuſtand der erſten Men- ſchen recht vorſtellen, ſo findet ſichs, daß die Einfuͤh- rung des Eigenthums nimmer eine Aufhebung der, aus der erſten Vollkommenheit des Menſchen flieſſen- den, Gemeinſchaft der Guͤter ſeyn koͤnne. Als die Erde zu erſt mit Menſchen beſetzet ward, war weder Eigen- thum noch Gemeinſchaft; ſondern die Dinge, welche auf der Erde waren, gehoͤrten niemand: Sie waren res

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/804>, abgerufen am 22.11.2024.