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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Jndessen, da ich mir in diesen wiederhohlten Klagen
über das menschliche Elend einige ungegründete Sä-
tze, welche ich noch nicht wiederleget habe, zu erbli-
cken einbilde, so will mit Ew. Hochwohlgeb. Erlaub-
nis, noch folgendes hinzusetzen.

I. Heißt es nichts, wann der Hr. Prof., um das
menschliche Elend einer Strafe ähnlicher zu machen,
sagt; der Mensch falle öfters ohne seine Schuld in
Kranckheiten. Jch weiß wohl daß er hierinn so gar
unrecht nicht hat. Denn die ansteckenden Seuchen,
als Pest, Flecken-Fieber, Pocken, Masern u. s. w.
sind Kranckheiten, die wir uns durch unsere Schuld
nicht zuziehen: Allein diese Kranckheiten sind es nicht,
die uns unglücklicher machen, als die Thiere. Auch
die Schafe haben ihre Pocken, und die Kühe sterben
auch an einer Art von Pest.

Man kan also aus diesen Kranckheiten nicht
schliessen, es müsse sich was sonderliches zugetragen
haben, wesfalls uns GOtt so züchtige: Eben so
wenig als man aus den Kranckheiten der Schafe
und Kühe schliesset, daß die ersten Thiere dieser Art,
durch eine Uebertretung, ihre ursprüngliche Glück-
seeligkeit verlohren haben.

Es muß demnach der Hr. Prof. das, was er
sagt, von Kranckheiten wahr machen, die uns eigen
sind, und unsern Zustand elender machen, als den Zu-
stand der Thiere. Und dieses halte ich vor unmög-
lich. Denn ich bin versichert, daß die vielen
Kranckheiten, denen wir unterworfen, nichts, als
Früchte unserer Unmäßigkeit und anderer Laster,
nicht aber ein Zeichen sind, daß unsere Natur durch
einen gewaltsamen Zufall verändert worden. Je

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(o)
Jndeſſen, da ich mir in dieſen wiederhohlten Klagen
uͤber das menſchliche Elend einige ungegruͤndete Saͤ-
tze, welche ich noch nicht wiederleget habe, zu erbli-
cken einbilde, ſo will mit Ew. Hochwohlgeb. Erlaub-
nis, noch folgendes hinzuſetzen.

I. Heißt es nichts, wann der Hr. Prof., um das
menſchliche Elend einer Strafe aͤhnlicher zu machen,
ſagt; der Menſch falle oͤfters ohne ſeine Schuld in
Kranckheiten. Jch weiß wohl daß er hierinn ſo gar
unrecht nicht hat. Denn die anſteckenden Seuchen,
als Peſt, Flecken-Fieber, Pocken, Maſern u. ſ. w.
ſind Kranckheiten, die wir uns durch unſere Schuld
nicht zuziehen: Allein dieſe Kranckheiten ſind es nicht,
die uns ungluͤcklicher machen, als die Thiere. Auch
die Schafe haben ihre Pocken, und die Kuͤhe ſterben
auch an einer Art von Peſt.

Man kan alſo aus dieſen Kranckheiten nicht
ſchlieſſen, es muͤſſe ſich was ſonderliches zugetragen
haben, wesfalls uns GOtt ſo zuͤchtige: Eben ſo
wenig als man aus den Kranckheiten der Schafe
und Kuͤhe ſchlieſſet, daß die erſten Thiere dieſer Art,
durch eine Uebertretung, ihre urſpruͤngliche Gluͤck-
ſeeligkeit verlohren haben.

Es muß demnach der Hr. Prof. das, was er
ſagt, von Kranckheiten wahr machen, die uns eigen
ſind, und unſern Zuſtand elender machen, als den Zu-
ſtand der Thiere. Und dieſes halte ich vor unmoͤg-
lich. Denn ich bin verſichert, daß die vielen
Kranckheiten, denen wir unterworfen, nichts, als
Fruͤchte unſerer Unmaͤßigkeit und anderer Laſter,
nicht aber ein Zeichen ſind, daß unſere Natur durch
einen gewaltſamen Zufall veraͤndert worden. Je

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[704/0796] (o) Jndeſſen, da ich mir in dieſen wiederhohlten Klagen uͤber das menſchliche Elend einige ungegruͤndete Saͤ- tze, welche ich noch nicht wiederleget habe, zu erbli- cken einbilde, ſo will mit Ew. Hochwohlgeb. Erlaub- nis, noch folgendes hinzuſetzen. I. Heißt es nichts, wann der Hr. Prof., um das menſchliche Elend einer Strafe aͤhnlicher zu machen, ſagt; der Menſch falle oͤfters ohne ſeine Schuld in Kranckheiten. Jch weiß wohl daß er hierinn ſo gar unrecht nicht hat. Denn die anſteckenden Seuchen, als Peſt, Flecken-Fieber, Pocken, Maſern u. ſ. w. ſind Kranckheiten, die wir uns durch unſere Schuld nicht zuziehen: Allein dieſe Kranckheiten ſind es nicht, die uns ungluͤcklicher machen, als die Thiere. Auch die Schafe haben ihre Pocken, und die Kuͤhe ſterben auch an einer Art von Peſt. Man kan alſo aus dieſen Kranckheiten nicht ſchlieſſen, es muͤſſe ſich was ſonderliches zugetragen haben, wesfalls uns GOtt ſo zuͤchtige: Eben ſo wenig als man aus den Kranckheiten der Schafe und Kuͤhe ſchlieſſet, daß die erſten Thiere dieſer Art, durch eine Uebertretung, ihre urſpruͤngliche Gluͤck- ſeeligkeit verlohren haben. Es muß demnach der Hr. Prof. das, was er ſagt, von Kranckheiten wahr machen, die uns eigen ſind, und unſern Zuſtand elender machen, als den Zu- ſtand der Thiere. Und dieſes halte ich vor unmoͤg- lich. Denn ich bin verſichert, daß die vielen Kranckheiten, denen wir unterworfen, nichts, als Fruͤchte unſerer Unmaͤßigkeit und anderer Laſter, nicht aber ein Zeichen ſind, daß unſere Natur durch einen gewaltſamen Zufall veraͤndert worden. Je hoͤher

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 704. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/796>, abgerufen am 22.11.2024.