Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
bringt alle diese Dinge in gleicher Absicht hervor, das
ist, seine Allmacht und Weißheit zu beweisen, und
seine Geschöpfe, die eine Empfindung von Lust und
Schmertzen haben, glücklich zu machen.

Keine Sache ist so geringe, die nicht etwas dazu
beytragen solte, und die man also, an sich, unnütze und
schädlich nennen könnte. Allein der Mensch ist so stoltz,
daß er nur dasjenige, was ihm vortheilhaft ist, vor
nöthig hält. Gerade, als wenn GOtt, bey Erschaf-
fung der Welt, nur auf ihn allein gesehen hätte. Die-
se Einbildung kan ihm auch die Empfindung seines
grossen Elendes nicht benehmen. Er erkennet wohl,
daß die Natur mit ihm nicht besser, als mit andern
Creaturen umgehe, und aus ihm nicht mehr Wercks
mache, als aus dem geringsten Wurm: Aber er
bleibt doch bey seinen fünf Augen.

"Cependant a le voir plein de vapeurs le-
geres
"Soi-meme se bercer de ses propres chi-
meres
"Lui seul de la Nature est la base & l'appui
"Et le dixieme Ciel ne tourne que pour

lui.(12)

Hiemit endige ich meine Anmerckungen, und wende
mich zu dem, was folget.

Der Hr. Prof. will noch zum Ueberfluß, mit einer
angestelleten Betrachtung der Absicht GOttes in Er-
schafung der Welt, beweisen, daß wir nicht mehr in
dem beglückten Stande leben, zu welchem uns GOtt

be-
(12) Boilcau Sat. VIII.
U u 4

(o)
bringt alle dieſe Dinge in gleicher Abſicht hervor, das
iſt, ſeine Allmacht und Weißheit zu beweiſen, und
ſeine Geſchoͤpfe, die eine Empfindung von Luſt und
Schmertzen haben, gluͤcklich zu machen.

Keine Sache iſt ſo geringe, die nicht etwas dazu
beytragen ſolte, und die man alſo, an ſich, unnuͤtze und
ſchaͤdlich nennen koͤnnte. Allein der Menſch iſt ſo ſtoltz,
daß er nur dasjenige, was ihm vortheilhaft iſt, vor
noͤthig haͤlt. Gerade, als wenn GOtt, bey Erſchaf-
fung der Welt, nur auf ihn allein geſehen haͤtte. Die-
ſe Einbildung kan ihm auch die Empfindung ſeines
groſſen Elendes nicht benehmen. Er erkennet wohl,
daß die Natur mit ihm nicht beſſer, als mit andern
Creaturen umgehe, und aus ihm nicht mehr Wercks
mache, als aus dem geringſten Wurm: Aber er
bleibt doch bey ſeinen fuͤnf Augen.

„Cependant à le voir plein de vapeurs le-
geres
„Soi-même ſe bercer de ſes propres chi-
meres
„Lui ſeul de la Nature eſt la baſe & l’appui
„Et le dixiéme Ciel ne tourne que pour

lui.(12)

Hiemit endige ich meine Anmerckungen, und wende
mich zu dem, was folget.

Der Hr. Prof. will noch zum Ueberfluß, mit einer
angeſtelleten Betrachtung der Abſicht GOttes in Er-
ſchafung der Welt, beweiſen, daß wir nicht mehr in
dem begluͤckten Stande leben, zu welchem uns GOtt

be-
(12) Boilcau Sat. VIII.
U u 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0771" n="679"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
bringt alle die&#x017F;e Dinge in gleicher Ab&#x017F;icht hervor, das<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;eine Allmacht und Weißheit zu bewei&#x017F;en, und<lb/>
&#x017F;eine Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, die eine Empfindung von Lu&#x017F;t und<lb/>
Schmertzen haben, glu&#x0364;cklich zu machen.</p><lb/>
          <p>Keine Sache i&#x017F;t &#x017F;o geringe, die nicht etwas dazu<lb/>
beytragen &#x017F;olte, und die man al&#x017F;o, an &#x017F;ich, unnu&#x0364;tze und<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;dlich nennen ko&#x0364;nnte. Allein der Men&#x017F;ch i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;toltz,<lb/>
daß er nur dasjenige, was ihm vortheilhaft i&#x017F;t, vor<lb/>
no&#x0364;thig ha&#x0364;lt. Gerade, als wenn GOtt, bey Er&#x017F;chaf-<lb/>
fung der Welt, nur auf ihn allein ge&#x017F;ehen ha&#x0364;tte. Die-<lb/>
&#x017F;e Einbildung kan ihm auch die Empfindung &#x017F;eines<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Elendes nicht benehmen. Er erkennet wohl,<lb/>
daß die Natur mit ihm nicht be&#x017F;&#x017F;er, als mit andern<lb/>
Creaturen umgehe, und aus ihm nicht mehr Wercks<lb/>
mache, als aus dem gering&#x017F;ten Wurm: Aber er<lb/>
bleibt doch bey &#x017F;einen fu&#x0364;nf Augen.</p><lb/>
          <cit>
            <quote> <hi rendition="#aq">&#x201E;Cependant à le voir plein de vapeurs le-<lb/><hi rendition="#et">geres</hi><lb/>
&#x201E;Soi-même &#x017F;e bercer de &#x017F;es propres chi-<lb/><hi rendition="#et">meres</hi><lb/>
&#x201E;Lui &#x017F;eul de la Nature e&#x017F;t la ba&#x017F;e &amp; l&#x2019;appui<lb/>
&#x201E;Et le dixiéme Ciel ne tourne que pour</hi><lb/> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">lui.</hi> <note place="foot" n="(12)"> <hi rendition="#aq">Boilcau Sat. VIII.</hi> </note>
              </hi> </quote>
          </cit><lb/>
          <p>Hiemit endige ich meine Anmerckungen, und wende<lb/>
mich zu dem, was folget.</p><lb/>
          <p>Der Hr. Prof. will noch zum Ueberfluß, mit einer<lb/>
ange&#x017F;telleten Betrachtung der Ab&#x017F;icht GOttes in Er-<lb/>
&#x017F;chafung der Welt, bewei&#x017F;en, daß wir nicht mehr in<lb/>
dem beglu&#x0364;ckten Stande leben, zu welchem uns GOtt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u 4</fw><fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[679/0771] (o) bringt alle dieſe Dinge in gleicher Abſicht hervor, das iſt, ſeine Allmacht und Weißheit zu beweiſen, und ſeine Geſchoͤpfe, die eine Empfindung von Luſt und Schmertzen haben, gluͤcklich zu machen. Keine Sache iſt ſo geringe, die nicht etwas dazu beytragen ſolte, und die man alſo, an ſich, unnuͤtze und ſchaͤdlich nennen koͤnnte. Allein der Menſch iſt ſo ſtoltz, daß er nur dasjenige, was ihm vortheilhaft iſt, vor noͤthig haͤlt. Gerade, als wenn GOtt, bey Erſchaf- fung der Welt, nur auf ihn allein geſehen haͤtte. Die- ſe Einbildung kan ihm auch die Empfindung ſeines groſſen Elendes nicht benehmen. Er erkennet wohl, daß die Natur mit ihm nicht beſſer, als mit andern Creaturen umgehe, und aus ihm nicht mehr Wercks mache, als aus dem geringſten Wurm: Aber er bleibt doch bey ſeinen fuͤnf Augen. „Cependant à le voir plein de vapeurs le- geres „Soi-même ſe bercer de ſes propres chi- meres „Lui ſeul de la Nature eſt la baſe & l’appui „Et le dixiéme Ciel ne tourne que pour lui. (12) Hiemit endige ich meine Anmerckungen, und wende mich zu dem, was folget. Der Hr. Prof. will noch zum Ueberfluß, mit einer angeſtelleten Betrachtung der Abſicht GOttes in Er- ſchafung der Welt, beweiſen, daß wir nicht mehr in dem begluͤckten Stande leben, zu welchem uns GOtt be- (12) Boilcau Sat. VIII. U u 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/771
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/771>, abgerufen am 22.11.2024.