rer mit Geduld tragen müste: Denn die christliche Geduld verbindet uns nicht zur Unempfindlichkeit. Wir fangen, ohne Sünde, Flöhe: wir schlagen die Mücken tod: Wir vertilgen die Fliegen. Der Heilige thut es so wohl, als der Sünder. Warum wollte man sich dann ein Gewis- sen machen, daß gelehrte Ungeziefer aus- zurotten? Diejenigen, weche ein so dickes Fell haben, daß sie die Bisse dieses Unge- ziefers nicht fühlen, die sind glücklich: Al- lein es stehet ihnen übel an, daß sie die Empfindlichkeit anderer verdammen, wel- che die Natur mit einer zarteren Haut ver- sehen hat. Es wäre wahrhaftig zu wün- schen, daß man noch empfindlicher wäre, und sich mehr Mühe gebe, die Welt von diesem Ungeziefer zu befreyen. Es nimmt von Jahr zu Jahr zu; und ich weiß nicht, wo es damit endlich hinaus will? Die greu- liche Menge der elenden Scribenten ist eben so geschickt, eine Barbarey einzufüh- ren, als ein Schwarm von Ost-und West- Gothen: Und dennoch trägt man Be- dencken, den Anwachs dieser Schmierer zu hemmen!
Man glaubt es sey wieder die christliche Liebe, die Blösse dieser Leute aufzudecken,
und
(o)
rer mit Geduld tragen muͤſte: Denn die chriſtliche Geduld verbindet uns nicht zur Unempfindlichkeit. Wir fangen, ohne Suͤnde, Floͤhe: wir ſchlagen die Muͤcken tod: Wir vertilgen die Fliegen. Der Heilige thut es ſo wohl, als der Suͤnder. Warum wollte man ſich dann ein Gewiſ- ſen machen, daß gelehrte Ungeziefer aus- zurotten? Diejenigen, weche ein ſo dickes Fell haben, daß ſie die Biſſe dieſes Unge- ziefers nicht fuͤhlen, die ſind gluͤcklich: Al- lein es ſtehet ihnen uͤbel an, daß ſie die Empfindlichkeit anderer verdammen, wel- che die Natur mit einer zarteren Haut ver- ſehen hat. Es waͤre wahrhaftig zu wuͤn- ſchen, daß man noch empfindlicher waͤre, und ſich mehr Muͤhe gebe, die Welt von dieſem Ungeziefer zu befreyen. Es nimmt von Jahr zu Jahr zu; und ich weiß nicht, wo es damit endlich hinaus will? Die greu- liche Menge der elenden Scribenten iſt eben ſo geſchickt, eine Barbarey einzufuͤh- ren, als ein Schwarm von Oſt-und Weſt- Gothen: Und dennoch traͤgt man Be- dencken, den Anwachs dieſer Schmierer zu hemmen!
Man glaubt es ſey wieder die chriſtliche Liebe, die Bloͤſſe dieſer Leute aufzudecken,
und
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rer mit Geduld tragen muͤſte: Denn die
chriſtliche Geduld verbindet uns nicht zur
Unempfindlichkeit. Wir fangen, ohne
Suͤnde, Floͤhe: wir ſchlagen die Muͤcken
tod: Wir vertilgen die Fliegen. Der
Heilige thut es ſo wohl, als der Suͤnder.
Warum wollte man ſich dann ein Gewiſ-
ſen machen, daß gelehrte Ungeziefer aus-
zurotten? Diejenigen, weche ein ſo dickes
Fell haben, daß ſie die Biſſe dieſes Unge-
ziefers nicht fuͤhlen, die ſind gluͤcklich: Al-
lein es ſtehet ihnen uͤbel an, daß ſie die
Empfindlichkeit anderer verdammen, wel-
che die Natur mit einer zarteren Haut ver-
ſehen hat. Es waͤre wahrhaftig zu wuͤn-
ſchen, daß man noch empfindlicher waͤre,
und ſich mehr Muͤhe gebe, die Welt von
dieſem Ungeziefer zu befreyen. Es nimmt
von Jahr zu Jahr zu; und ich weiß nicht,
wo es damit endlich hinaus will? Die greu-
liche Menge der elenden Scribenten iſt
eben ſo geſchickt, eine Barbarey einzufuͤh-
ren, als ein Schwarm von Oſt-und Weſt-
Gothen: Und dennoch traͤgt man Be-
dencken, den Anwachs dieſer Schmierer
zu hemmen!
Man glaubt es ſey wieder die chriſtliche
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/76>, abgerufen am 04.12.2024.
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