grösser als vor diesem, und es ist glaublich, das Adam wenig fröhlige Stunden in seinem Ehe-Stande wür- de gehabt haben, wenn seine Gemahlin, die so wenig Meister von sich selbst war, den Versuchungen un- terworfen gewesen wäre die ietzo eine junge Dame an einem Hofe, da es nur etwas lustig hergehet, auszu- stehen hat. Jhre Aufführung machet, daß man ihr wenig Gutes zutrauen kan:
"Car bien qu' Adam faut jeune & vigoureux "Bien fait de corps & d'esprit agreable "Elle aima mieux, pour s'en faire conter, "Prester l'oreille aux fleuretes du Diable, "Qve d' estre femme & ne pas coquetter.(5)
Jch weiß wohl, daß dieses nur ein poetischer Ein- fall ist: Allein, die Wahrheit zu sagen, das, was Eva im Paradieß gethan hat, ihre grosse Neugierigkeit, und ihr unordentlicher Appetit, den selbst die Dro- hungen ihres Schöpfers, von dessen Macht und Wahrhaftigkeit sie mehr als zu viel überzeuget war, nicht mäßigen konnten, macht, daß ich be- fürchte, sie würde, wenn man sie mit aller ihrer Heilig- keit und Vollkommenheit, so wie sie von GOtt aus der Ribbe des schlafenden Adams verfertiget wor- den, in die Umstände, darinn sich eine junge Hof-Da- me befindet, setzen könnte, sich so aufführen, daß die Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig- stens würde sie es nicht besser machen, als unser, in Sünden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer. Jndessen thun wir ihr die Ehre, und glauben, sie habe Tugenden und Vollkommenheiten besessen, die nach-
mahls
(5) S. les Poesies de Sarrasin p. 61.
T t 2
(o)
groͤſſer als vor dieſem, und es iſt glaublich, das Adam wenig froͤhlige Stunden in ſeinem Ehe-Stande wuͤr- de gehabt haben, wenn ſeine Gemahlin, die ſo wenig Meiſter von ſich ſelbſt war, den Verſuchungen un- terworfen geweſen waͤre die ietzo eine junge Dame an einem Hofe, da es nur etwas luſtig hergehet, auszu- ſtehen hat. Jhre Auffuͤhrung machet, daß man ihr wenig Gutes zutrauen kan:
„Car bien qu’ Adam fût jeune & vigoureux „Bien fait de corps & d’eſprit agreable „Elle aima mieux, pour ſ’en faire conter, „Prêſter l’oreille aux fleuretes du Diable, „Qve d’ eſtre femme & ne pas coquetter.(5)
Jch weiß wohl, daß dieſes nur ein poetiſcher Ein- fall iſt: Allein, die Wahrheit zu ſagen, das, was Eva im Paradieß gethan hat, ihre groſſe Neugierigkeit, und ihr unordentlicher Appetit, den ſelbſt die Dro- hungen ihres Schoͤpfers, von deſſen Macht und Wahrhaftigkeit ſie mehr als zu viel uͤberzeuget war, nicht maͤßigen konnten, macht, daß ich be- fuͤrchte, ſie wuͤrde, wenn man ſie mit aller ihrer Heilig- keit und Vollkommenheit, ſo wie ſie von GOtt aus der Ribbe des ſchlafenden Adams verfertiget wor- den, in die Umſtaͤnde, darinn ſich eine junge Hof-Da- me befindet, ſetzen koͤnnte, ſich ſo auffuͤhren, daß die Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig- ſtens wuͤrde ſie es nicht beſſer machen, als unſer, in Suͤnden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer. Jndeſſen thun wir ihr die Ehre, und glauben, ſie habe Tugenden und Vollkommenheiten beſeſſen, die nach-
mahls
(5) S. les Poëſies de Sarraſin p. 61.
T t 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0751"n="659"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
groͤſſer als vor dieſem, und es iſt glaublich, das Adam<lb/>
wenig froͤhlige Stunden in ſeinem Ehe-Stande wuͤr-<lb/>
de gehabt haben, wenn ſeine Gemahlin, die ſo wenig<lb/>
Meiſter von ſich ſelbſt war, den Verſuchungen un-<lb/>
terworfen geweſen waͤre die ietzo eine junge Dame an<lb/>
einem Hofe, da es nur etwas luſtig hergehet, auszu-<lb/>ſtehen hat. Jhre Auffuͤhrung machet, daß man ihr<lb/>
wenig Gutes zutrauen kan:</p><lb/><cit><quote><hirendition="#aq">„Car bien qu’ Adam fût jeune & vigoureux<lb/>„Bien fait de corps & d’eſprit agreable<lb/>„Elle aima mieux, pour ſ’en faire conter,<lb/>„Prêſter l’oreille aux fleuretes du Diable,<lb/>„Qve d’ eſtre femme & ne pas coquetter.</hi><noteplace="foot"n="(5)">S. <hirendition="#aq">les Poëſies de Sarraſin p.</hi> 61.</note></quote></cit><lb/><p>Jch weiß wohl, daß dieſes nur ein poetiſcher Ein-<lb/>
fall iſt: Allein, die Wahrheit zu ſagen, das, was Eva<lb/>
im Paradieß gethan hat, ihre groſſe Neugierigkeit,<lb/>
und ihr unordentlicher Appetit, den ſelbſt die Dro-<lb/>
hungen ihres Schoͤpfers, von deſſen Macht und<lb/>
Wahrhaftigkeit ſie mehr als zu viel uͤberzeuget<lb/>
war, nicht maͤßigen konnten, macht, daß ich be-<lb/>
fuͤrchte, ſie wuͤrde, wenn man ſie mit aller ihrer Heilig-<lb/>
keit und Vollkommenheit, ſo wie ſie von GOtt aus<lb/>
der Ribbe des ſchlafenden Adams verfertiget wor-<lb/>
den, in die Umſtaͤnde, darinn ſich eine junge Hof-Da-<lb/>
me befindet, ſetzen koͤnnte, ſich ſo auffuͤhren, daß die<lb/>
Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit<lb/>
nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig-<lb/>ſtens wuͤrde ſie es nicht beſſer machen, als unſer, in<lb/>
Suͤnden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer.<lb/>
Jndeſſen thun wir ihr die Ehre, und glauben, ſie habe<lb/>
Tugenden und Vollkommenheiten beſeſſen, die nach-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T t 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">mahls</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[659/0751]
(o)
groͤſſer als vor dieſem, und es iſt glaublich, das Adam
wenig froͤhlige Stunden in ſeinem Ehe-Stande wuͤr-
de gehabt haben, wenn ſeine Gemahlin, die ſo wenig
Meiſter von ſich ſelbſt war, den Verſuchungen un-
terworfen geweſen waͤre die ietzo eine junge Dame an
einem Hofe, da es nur etwas luſtig hergehet, auszu-
ſtehen hat. Jhre Auffuͤhrung machet, daß man ihr
wenig Gutes zutrauen kan:
„Car bien qu’ Adam fût jeune & vigoureux
„Bien fait de corps & d’eſprit agreable
„Elle aima mieux, pour ſ’en faire conter,
„Prêſter l’oreille aux fleuretes du Diable,
„Qve d’ eſtre femme & ne pas coquetter. (5)
Jch weiß wohl, daß dieſes nur ein poetiſcher Ein-
fall iſt: Allein, die Wahrheit zu ſagen, das, was Eva
im Paradieß gethan hat, ihre groſſe Neugierigkeit,
und ihr unordentlicher Appetit, den ſelbſt die Dro-
hungen ihres Schoͤpfers, von deſſen Macht und
Wahrhaftigkeit ſie mehr als zu viel uͤberzeuget
war, nicht maͤßigen konnten, macht, daß ich be-
fuͤrchte, ſie wuͤrde, wenn man ſie mit aller ihrer Heilig-
keit und Vollkommenheit, ſo wie ſie von GOtt aus
der Ribbe des ſchlafenden Adams verfertiget wor-
den, in die Umſtaͤnde, darinn ſich eine junge Hof-Da-
me befindet, ſetzen koͤnnte, ſich ſo auffuͤhren, daß die
Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit
nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig-
ſtens wuͤrde ſie es nicht beſſer machen, als unſer, in
Suͤnden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer.
Jndeſſen thun wir ihr die Ehre, und glauben, ſie habe
Tugenden und Vollkommenheiten beſeſſen, die nach-
mahls
(5) S. les Poëſies de Sarraſin p. 61.
T t 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/751>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.