Hochwohlgeb. durch meine Weitläuftigkeit ver- drießlich zu fallen.
Jch wende mich also zu dem folgenden Argument des Hrn. Prof. Manzels, welches er (§. 23.) von der güldenen Zeit hernimmt, von welcher die Heiden so viel geschwatzet haben. Jch glaube es muß ihm recht gefreuet haben, als er gesehen, daß das Seculum aure- um der Heiden und sein Stand der Unschuld einan- der so ähnlich sehen; weil dieses wenigstens ein Zei- chen ist, daß man aus der Vernunft den Stand der Unschuld erkennen könne. Allein, ob ich ihm gleich den Einwurf nicht machen will, den er (§. 24.) schon zum voraus beantwortet hat, so weiß ich doch nicht, ob das, was die heidnischen Poeten von der güldnen Zeit gesungen haben, seine Sache gut machen kan. Jch glaube dieses um so viel weniger, weil der Hr. Prof. Manzel selbst gestehet, sie hätten es erdichtet (quae illi ipsi gentiles de aureo FINXERUNT seculo). Mich deucht, wenn das was Ovidius von der güldnen Zeit schreibet, erdichtet ist, so kan das, was der Hr. Prof. von dem Stande der Unschuld sagt, auch nicht weit her seyn, weil das beste, so er vorbringt nichts anders ist, als was Ovidius schreibt. Jndessen hätte der Hr. Prof. besser gethan, wenn er nicht weiter gegangen wä- re, als die Heiden. Diese gute Leute wusten aus der Hi- storie und Tradition, konntens auch zur Noth aus der Vernunft wohl wissen, daß die Liderlichkeit, Schwel- gerey, der Geitz, der Hochmuth und andere Laster in den ältern Zeiten nicht so groß gewesen, als sie diese Laster zu ihren Zeiten sahen, und daß die Alten also, ge- gen ihre Nachkommen zu rechnen, vor weise und hei- lige Leute zu halten. Aber daraus schlossen sie nicht, daß
die
(o)
Hochwohlgeb. durch meine Weitlaͤuftigkeit ver- drießlich zu fallen.
Jch wende mich alſo zu dem folgenden Argument des Hrn. Prof. Manzels, welches er (§. 23.) von der guͤldenen Zeit hernimmt, von welcher die Heiden ſo viel geſchwatzet haben. Jch glaube es muß ihm recht gefreuet haben, als er geſehen, daß das Seculum aure- um der Heiden und ſein Stand der Unſchuld einan- der ſo aͤhnlich ſehen; weil dieſes wenigſtens ein Zei- chen iſt, daß man aus der Vernunft den Stand der Unſchuld erkennen koͤnne. Allein, ob ich ihm gleich den Einwurf nicht machen will, den er (§. 24.) ſchon zum voraus beantwortet hat, ſo weiß ich doch nicht, ob das, was die heidniſchen Poeten von der guͤldnen Zeit geſungen haben, ſeine Sache gut machen kan. Jch glaube dieſes um ſo viel weniger, weil der Hr. Prof. Manzel ſelbſt geſtehet, ſie haͤtten es erdichtet (quæ illi ipſi gentiles de aureo FINXERUNT ſeculo). Mich deucht, wenn das was Ovidius von der guͤldnen Zeit ſchreibet, erdichtet iſt, ſo kan das, was der Hr. Prof. von dem Stande der Unſchuld ſagt, auch nicht weit her ſeyn, weil das beſte, ſo er vorbringt nichts anders iſt, als was Ovidius ſchreibt. Jndeſſen haͤtte der Hr. Prof. beſſer gethan, weñ er nicht weiter gegangen waͤ- re, als die Heiden. Dieſe gute Leute wuſten aus der Hi- ſtorie und Tradition, konntens auch zur Noth aus der Vernunft wohl wiſſen, daß die Liderlichkeit, Schwel- gerey, der Geitz, der Hochmuth und andere Laſter in den aͤltern Zeiten nicht ſo groß geweſen, als ſie dieſe Laſter zu ihren Zeiten ſahen, und daß die Alten alſo, ge- gen ihre Nachkommen zu rechnen, vor weiſe und hei- lige Leute zu halten. Aber daraus ſchloſſen ſie nicht, daß
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Hochwohlgeb. durch meine Weitlaͤuftigkeit ver-
drießlich zu fallen.
Jch wende mich alſo zu dem folgenden Argument
des Hrn. Prof. Manzels, welches er (§. 23.) von der
guͤldenen Zeit hernimmt, von welcher die Heiden ſo
viel geſchwatzet haben. Jch glaube es muß ihm recht
gefreuet haben, als er geſehen, daß das Seculum aure-
um der Heiden und ſein Stand der Unſchuld einan-
der ſo aͤhnlich ſehen; weil dieſes wenigſtens ein Zei-
chen iſt, daß man aus der Vernunft den Stand der
Unſchuld erkennen koͤnne. Allein, ob ich ihm gleich den
Einwurf nicht machen will, den er (§. 24.) ſchon
zum voraus beantwortet hat, ſo weiß ich doch nicht, ob
das, was die heidniſchen Poeten von der guͤldnen Zeit
geſungen haben, ſeine Sache gut machen kan. Jch
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Manzel ſelbſt geſtehet, ſie haͤtten es erdichtet (quæ illi
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deucht, wenn das was Ovidius von der guͤldnen Zeit
ſchreibet, erdichtet iſt, ſo kan das, was der Hr. Prof.
von dem Stande der Unſchuld ſagt, auch nicht weit
her ſeyn, weil das beſte, ſo er vorbringt nichts anders
iſt, als was Ovidius ſchreibt. Jndeſſen haͤtte der Hr.
Prof. beſſer gethan, weñ er nicht weiter gegangen waͤ-
re, als die Heiden. Dieſe gute Leute wuſten aus der Hi-
ſtorie und Tradition, konntens auch zur Noth aus der
Vernunft wohl wiſſen, daß die Liderlichkeit, Schwel-
gerey, der Geitz, der Hochmuth und andere Laſter in
den aͤltern Zeiten nicht ſo groß geweſen, als ſie dieſe
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/746>, abgerufen am 25.11.2024.
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