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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Art. Sie hatten davon so wenig Gewißheit aus der
Vernunft, als er: Allein sie meinten auf die Art die Eh-
re der GOttheit zu retten, der man es als einen Man-
gel der Macht, oder Güte auslegte, daß sie so unvoll-
kommene und elende Creaturen hervorgebracht. Die
Seelen der Menschen haben sich, sagten sie, ehe sie in
die Leiber verbannet worden, versündiget, und darum
hat sie GOtt zur Strafe an die Materie geknüpfet.
Ein Heide aber, der auf solche Art alle Scrupel he-
ben wolte, war leicht zu wiederlegen. Man konn-
te ihn nur fragen, ob die Seelen, vor ihrer Ver-
bannung in die Leiber, vollkommen oder unvollkom-
men gewesen? Sagte er: Sie waren vollkommen;
So konnte man fragen: Warum sündigten sie
dann? Sagte er: sie waren es nicht. So blieb der
Scrupel da, den er, durch sein Gedichte, heben
wolte, nemlich woher die Unvollkommenheit in dem
Menschen entstanden?

Ew. Hochwohlgeb. sehen also, daß der Fall, wel-
chen die Heiden erdichtet, ein elender Behelff ist, von
der Unvollkommenheit des Menschen eine Ursache zu
geben: und daß folglich der Hr. Prof. Manzel in den
Meinungen dieser Leute wenig Trost finden könne,
und wenn er sich auch gleich auf dasjenige berufen
hätte, was ich eben von dem Glauben der Heiden er-
wehnet habe. Nun aber thut er dieses nicht einmahl;
sondern begnügt sich nur anzumercken, daß die Heiden
den Streit des Fleisches und des Geistes gefühlet, und
einem bösen principio zugeschrieben haben: Und die-
ses hat wenig zu bedeuten. Denn eines theils ist es kein
Wunder, daß diejenigen unter den Heiden, welche
zwey principia glaubten, die Unvollkommenheit in dem

Men-

(o)
Art. Sie hatten davon ſo wenig Gewißheit aus der
Vernunft, als er: Allein ſie meinten auf die Art die Eh-
re der GOttheit zu retten, der man es als einen Man-
gel der Macht, oder Guͤte auslegte, daß ſie ſo unvoll-
kommene und elende Creaturen hervorgebracht. Die
Seelen der Menſchen haben ſich, ſagten ſie, ehe ſie in
die Leiber verbannet worden, verſuͤndiget, und darum
hat ſie GOtt zur Strafe an die Materie geknuͤpfet.
Ein Heide aber, der auf ſolche Art alle Scrupel he-
ben wolte, war leicht zu wiederlegen. Man konn-
te ihn nur fragen, ob die Seelen, vor ihrer Ver-
bannung in die Leiber, vollkommen oder unvollkom-
men geweſen? Sagte er: Sie waren vollkommen;
So konnte man fragen: Warum ſuͤndigten ſie
dann? Sagte er: ſie waren es nicht. So blieb der
Scrupel da, den er, durch ſein Gedichte, heben
wolte, nemlich woher die Unvollkommenheit in dem
Menſchen entſtanden?

Ew. Hochwohlgeb. ſehen alſo, daß der Fall, wel-
chen die Heiden erdichtet, ein elender Behelff iſt, von
der Unvollkommenheit des Menſchen eine Urſache zu
geben: und daß folglich der Hr. Prof. Manzel in den
Meinungen dieſer Leute wenig Troſt finden koͤnne,
und wenn er ſich auch gleich auf dasjenige berufen
haͤtte, was ich eben von dem Glauben der Heiden er-
wehnet habe. Nun aber thut er dieſes nicht einmahl;
ſondern begnuͤgt ſich nur anzumeꝛcken, daß die Heiden
den Streit des Fleiſches und des Geiſtes gefuͤhlet, und
einem boͤſen principio zugeſchrieben haben: Und die-
ſes hat wenig zu bedeuten. Denn eines theils iſt es kein
Wunder, daß diejenigen unter den Heiden, welche
zwey principia glaubten, die Unvollkom̃enheit in dem

Men-
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[650/0742] (o) Art. Sie hatten davon ſo wenig Gewißheit aus der Vernunft, als er: Allein ſie meinten auf die Art die Eh- re der GOttheit zu retten, der man es als einen Man- gel der Macht, oder Guͤte auslegte, daß ſie ſo unvoll- kommene und elende Creaturen hervorgebracht. Die Seelen der Menſchen haben ſich, ſagten ſie, ehe ſie in die Leiber verbannet worden, verſuͤndiget, und darum hat ſie GOtt zur Strafe an die Materie geknuͤpfet. Ein Heide aber, der auf ſolche Art alle Scrupel he- ben wolte, war leicht zu wiederlegen. Man konn- te ihn nur fragen, ob die Seelen, vor ihrer Ver- bannung in die Leiber, vollkommen oder unvollkom- men geweſen? Sagte er: Sie waren vollkommen; So konnte man fragen: Warum ſuͤndigten ſie dann? Sagte er: ſie waren es nicht. So blieb der Scrupel da, den er, durch ſein Gedichte, heben wolte, nemlich woher die Unvollkommenheit in dem Menſchen entſtanden? Ew. Hochwohlgeb. ſehen alſo, daß der Fall, wel- chen die Heiden erdichtet, ein elender Behelff iſt, von der Unvollkommenheit des Menſchen eine Urſache zu geben: und daß folglich der Hr. Prof. Manzel in den Meinungen dieſer Leute wenig Troſt finden koͤnne, und wenn er ſich auch gleich auf dasjenige berufen haͤtte, was ich eben von dem Glauben der Heiden er- wehnet habe. Nun aber thut er dieſes nicht einmahl; ſondern begnuͤgt ſich nur anzumeꝛcken, daß die Heiden den Streit des Fleiſches und des Geiſtes gefuͤhlet, und einem boͤſen principio zugeſchrieben haben: Und die- ſes hat wenig zu bedeuten. Denn eines theils iſt es kein Wunder, daß diejenigen unter den Heiden, welche zwey principia glaubten, die Unvollkom̃enheit in dem Men-

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/742>, abgerufen am 22.11.2024.