vollkommen erschaffen worden, sondern nur den Un- vollkommenheiten zum Gegengewicht zu dienen, die aus unserer Einschränckung, und unserm Zusammen- hang mit den übrigen Creaturen entstehen.
Solte also GOtt wohl einer Tyranney beschuldi- get werden können, daß er uns, als ein liebreicher Va- ter vor Schaden warnet? Jch solte es nicht dencken. Laß es seyn, daß die meisten Menschen ihren wahren Nutzen aus den Augen setzen, und sich in Unglück stür- tzen: Die Gesetze der Natur bleiben darum doch eine Wohlthat GOttes, und machen den Menschen, der sie entweder aus Schwachheit, oder Boßheit nicht hält, nicht unglücklicher, als er seyn würde, wenn sie GOtt nicht in sein Hertz gepräget hätte.
Der Hr. Prof. Manzel hat also keine Ursache, zu schliessen, daß wir höchst vollkommen gewesen sind, als GOtt uns die Gesetze der Natur gegeben hat.
Meinen nun aber Ew. Hochwohlgeb. daß der Hr. Prof. mit diesem Begrif von den Gesetzen der Natur nicht zufrieden seyn; sondern vieles dagegen einzuwenden haben würde: So will ich eben so hart darauf nicht dringen. Ja ich will ihm zulassen, daß die Gesetze der Natur, die er meinentwegen vor eigentliche Gesetze halten mag, nur Creaturen, die höchst vollkommen sind, gegeben werden kön- nen. Jch will ihm zu gestehen, daß wir sie ietzo nicht halten können: Allein er wird mir dann auch eine Frage zu gute halten. Sie ist nicht schwer zu beantworten.
. . . . . . . . Minimum est quod scire laboro.
Er kan nur ja oder nein sagen. Jch möchte ger- ne wissen, ob die Gesetze der Natur, die GOtt dem
ersten
Ss 3
(o)
vollkommen erſchaffen worden, ſondern nur den Un- vollkommenheiten zum Gegengewicht zu dienen, die aus unſerer Einſchraͤnckung, und unſerm Zuſammen- hang mit den uͤbrigen Creaturen entſtehen.
Solte alſo GOtt wohl einer Tyranney beſchuldi- get werden koͤnnen, daß er uns, als ein liebreicher Va- ter vor Schaden warnet? Jch ſolte es nicht dencken. Laß es ſeyn, daß die meiſten Menſchen ihren wahren Nutzen aus den Augen ſetzen, und ſich in Ungluͤck ſtuͤr- tzen: Die Geſetze der Natur bleiben darum doch eine Wohlthat GOttes, und machen den Menſchen, der ſie entweder aus Schwachheit, oder Boßheit nicht haͤlt, nicht ungluͤcklicher, als er ſeyn wuͤrde, wenn ſie GOtt nicht in ſein Hertz gepraͤget haͤtte.
Der Hr. Prof. Manzel hat alſo keine Urſache, zu ſchlieſſen, daß wir hoͤchſt vollkommen geweſen ſind, als GOtt uns die Geſetze der Natur gegeben hat.
Meinen nun aber Ew. Hochwohlgeb. daß der Hr. Prof. mit dieſem Begrif von den Geſetzen der Natur nicht zufrieden ſeyn; ſondern vieles dagegen einzuwenden haben wuͤrde: So will ich eben ſo hart darauf nicht dringen. Ja ich will ihm zulaſſen, daß die Geſetze der Natur, die er meinentwegen vor eigentliche Geſetze halten mag, nur Creaturen, die hoͤchſt vollkommen ſind, gegeben werden koͤn- nen. Jch will ihm zu geſtehen, daß wir ſie ietzo nicht halten koͤnnen: Allein er wird mir dann auch eine Frage zu gute halten. Sie iſt nicht ſchwer zu beantworten.
. . . . . . . . Minimum eſt quod ſcire laboro.
Er kan nur ja oder nein ſagen. Jch moͤchte ger- ne wiſſen, ob die Geſetze der Natur, die GOtt dem
erſten
Ss 3
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(o)
vollkommen erſchaffen worden, ſondern nur den Un-
vollkommenheiten zum Gegengewicht zu dienen, die
aus unſerer Einſchraͤnckung, und unſerm Zuſammen-
hang mit den uͤbrigen Creaturen entſtehen.
Solte alſo GOtt wohl einer Tyranney beſchuldi-
get werden koͤnnen, daß er uns, als ein liebreicher Va-
ter vor Schaden warnet? Jch ſolte es nicht dencken.
Laß es ſeyn, daß die meiſten Menſchen ihren wahren
Nutzen aus den Augen ſetzen, und ſich in Ungluͤck ſtuͤr-
tzen: Die Geſetze der Natur bleiben darum doch eine
Wohlthat GOttes, und machen den Menſchen, der
ſie entweder aus Schwachheit, oder Boßheit nicht
haͤlt, nicht ungluͤcklicher, als er ſeyn wuͤrde, wenn ſie
GOtt nicht in ſein Hertz gepraͤget haͤtte.
Der Hr. Prof. Manzel hat alſo keine Urſache, zu
ſchlieſſen, daß wir hoͤchſt vollkommen geweſen ſind,
als GOtt uns die Geſetze der Natur gegeben hat.
Meinen nun aber Ew. Hochwohlgeb. daß der
Hr. Prof. mit dieſem Begrif von den Geſetzen der
Natur nicht zufrieden ſeyn; ſondern vieles dagegen
einzuwenden haben wuͤrde: So will ich eben ſo hart
darauf nicht dringen. Ja ich will ihm zulaſſen,
daß die Geſetze der Natur, die er meinentwegen
vor eigentliche Geſetze halten mag, nur Creaturen,
die hoͤchſt vollkommen ſind, gegeben werden koͤn-
nen. Jch will ihm zu geſtehen, daß wir ſie ietzo
nicht halten koͤnnen: Allein er wird mir dann auch
eine Frage zu gute halten. Sie iſt nicht ſchwer
zu beantworten.
. . . . . . . . Minimum eſt quod ſcire laboro.
Er kan nur ja oder nein ſagen. Jch moͤchte ger-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/737>, abgerufen am 25.11.2024.
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