ihres Gewissens nicht zu bleiben wissen; wo- von doch die Reise-Beschreibungen nichts melden. Allein, so ist, zu allem Glücke vor die armen Hottentotten, essen, was einem schmeckt, und was man am bequem- sten haben kan, eine Sache von so dringen- der Nothwendigkeit, daß man nicht lange Zeit hat, zu überlegen, ob sie recht oder unrecht sey. Ein sich selbst gelassener Mensch wird auch, wenn er ja eine solche Uberle- gung anstellet, mit aller seiner Vernunft nichts mehr herausbringen, als daß das Recht einer jeden lebendigen Creatur auf alles, was sie zu ihrer Nahrung und Erhal- tung dienlich erachtet, sich so weit erstrecke, als ihre Macht, und sich nicht die geringste Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor- tung ziehen werde. Denn was er sich auch etwan von dem öbersten Wesen vor Begri- fe machet, so wird er sich doch nimmer ein- bilden können, daß dasselbe dem Menschen die Sorge vor seine Erhaltung, seine na- türlichen Begierden, und die Kräfte, die- se Begierden zu vergnügen, umsonst ein- gepflanzet und gegeben habe, und so eigen- sinnig sey, daß es nicht leiden könne, daß der Mensch thue, was er nicht lassen kan,
wofern
(o)
ihres Gewiſſens nicht zu bleiben wiſſen; wo- von doch die Reiſe-Beſchreibungen nichts melden. Allein, ſo iſt, zu allem Gluͤcke vor die armen Hottentotten, eſſen, was einem ſchmeckt, und was man am bequem- ſten haben kan, eine Sache von ſo dringen- der Nothwendigkeit, daß man nicht lange Zeit hat, zu uͤberlegen, ob ſie recht oder unrecht ſey. Ein ſich ſelbſt gelaſſener Menſch wird auch, wenn er ja eine ſolche Uberle- gung anſtellet, mit aller ſeiner Vernunft nichts mehr herausbringen, als daß das Recht einer jeden lebendigen Creatur auf alles, was ſie zu ihrer Nahrung und Erhal- tung dienlich erachtet, ſich ſo weit erſtrecke, als ihre Macht, und ſich nicht die geringſte Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor- tung ziehen werde. Denn was er ſich auch etwan von dem oͤberſten Weſen vor Begri- fe machet, ſo wird er ſich doch nimmer ein- bilden koͤnnen, daß daſſelbe dem Menſchen die Sorge vor ſeine Erhaltung, ſeine na- tuͤrlichen Begierden, und die Kraͤfte, die- ſe Begierden zu vergnuͤgen, umſonſt ein- gepflanzet und gegeben habe, und ſo eigen- ſinnig ſey, daß es nicht leiden koͤnne, daß der Menſch thue, was er nicht laſſen kan,
wofern
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[614/0706]
(o)
ihres Gewiſſens nicht zu bleiben wiſſen; wo-
von doch die Reiſe-Beſchreibungen nichts
melden. Allein, ſo iſt, zu allem Gluͤcke
vor die armen Hottentotten, eſſen, was
einem ſchmeckt, und was man am bequem-
ſten haben kan, eine Sache von ſo dringen-
der Nothwendigkeit, daß man nicht lange
Zeit hat, zu uͤberlegen, ob ſie recht oder
unrecht ſey. Ein ſich ſelbſt gelaſſener Menſch
wird auch, wenn er ja eine ſolche Uberle-
gung anſtellet, mit aller ſeiner Vernunft
nichts mehr herausbringen, als daß das
Recht einer jeden lebendigen Creatur auf
alles, was ſie zu ihrer Nahrung und Erhal-
tung dienlich erachtet, ſich ſo weit erſtrecke,
als ihre Macht, und ſich nicht die geringſte
Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des
Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor-
tung ziehen werde. Denn was er ſich auch
etwan von dem oͤberſten Weſen vor Begri-
fe machet, ſo wird er ſich doch nimmer ein-
bilden koͤnnen, daß daſſelbe dem Menſchen
die Sorge vor ſeine Erhaltung, ſeine na-
tuͤrlichen Begierden, und die Kraͤfte, die-
ſe Begierden zu vergnuͤgen, umſonſt ein-
gepflanzet und gegeben habe, und ſo eigen-
ſinnig ſey, daß es nicht leiden koͤnne, daß
der Menſch thue, was er nicht laſſen kan,
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/706>, abgerufen am 22.11.2024.
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