"Thiere so eingerichtet gehabt, daß sie, auf "den Winck des Menschen thun und lassen "müssen, was er ihnen befohlen, oder ver- "boten habe". Denn dieses kan er nicht thun, ohne eine vorher bestimmte Har- monie zwischen dem Willen des Menschen und dem Cöper der Thiere zu behaupten, und also einen Satz der Wolfischen Philoso- phie, den er nicht annimmt, höher zu trei- ben, als Hr. Wolf selbst. Uberdem ist Hr. Reinbeck auch viel zu scharfsinnig, als daß er nicht einsehen solte, daß unter den ordent- lichen Handlungen der Thiere, und unter dem willigen Gehorsahm, den sie dem ersten Menschen geleistet haben sollen, ein grosser Unterscheid sey. Die ordentlichen Hand- lungen verrichten die Thiere ohne Ver- nunft, und ohne Uberlegung: Denn sie sind ihrer Natur und ihren Begierden ge- mäß. Aber wenn sie ihrer Natur Gewalt anthun sollen, so verhält es sich gantz anders. Die Verrichtung solcher Thaten, die ihnen zuwieder und unnatürlich, und die Unter- lassung anderer, die ihnen angenehm, und ihren natürlichen Triebe gemäß sind, hat allemahl eine gewisse Erkänntniß und Furcht zum Grunde. Die Furcht aber ist keinem Thiere angebohren. Sie gründet
sich
(o)
„Thiere ſo eingerichtet gehabt, daß ſie, auf „den Winck des Menſchen thun und laſſen „muͤſſen, was er ihnen befohlen, oder ver- „boten habe‟. Denn dieſes kan er nicht thun, ohne eine vorher beſtimmte Har- monie zwiſchen dem Willen des Menſchen und dem Coͤper der Thiere zu behaupten, und alſo einen Satz der Wolfiſchen Philoſo- phie, den er nicht annimmt, hoͤher zu trei- ben, als Hr. Wolf ſelbſt. Uberdem iſt Hr. Reinbeck auch viel zu ſcharfſinnig, als daß er nicht einſehen ſolte, daß unter den ordent- lichen Handlungen der Thiere, und unter dem willigen Gehorſahm, den ſie dem erſten Menſchen geleiſtet haben ſollen, ein groſſer Unterſcheid ſey. Die ordentlichen Hand- lungen verrichten die Thiere ohne Ver- nunft, und ohne Uberlegung: Denn ſie ſind ihrer Natur und ihren Begierden ge- maͤß. Aber wenn ſie ihrer Natur Gewalt anthun ſollen, ſo verhaͤlt es ſich gantz anders. Die Verrichtung ſolcher Thaten, die ihnen zuwieder und unnatuͤrlich, und die Unter- laſſung anderer, die ihnen angenehm, und ihren natuͤrlichen Triebe gemaͤß ſind, hat allemahl eine gewiſſe Erkaͤnntniß und Furcht zum Grunde. Die Furcht aber iſt keinem Thiere angebohren. Sie gruͤndet
ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0700"n="608"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>„Thiere ſo eingerichtet gehabt, daß ſie, auf<lb/>„den Winck des Menſchen thun und laſſen<lb/>„muͤſſen, was er ihnen befohlen, oder ver-<lb/>„boten habe‟. Denn dieſes kan er nicht<lb/>
thun, ohne eine <hirendition="#fr">vorher beſtimmte Har-<lb/>
monie</hi> zwiſchen dem Willen des Menſchen<lb/>
und dem Coͤper der Thiere zu behaupten,<lb/>
und alſo einen Satz der Wolfiſchen Philoſo-<lb/>
phie, den er nicht annimmt, hoͤher zu trei-<lb/>
ben, als Hr. Wolf ſelbſt. Uberdem iſt Hr.<lb/>
Reinbeck auch viel zu ſcharfſinnig, als daß<lb/>
er nicht einſehen ſolte, daß unter den ordent-<lb/>
lichen Handlungen der Thiere, und unter<lb/>
dem willigen Gehorſahm, den ſie dem erſten<lb/>
Menſchen geleiſtet haben ſollen, ein groſſer<lb/>
Unterſcheid ſey. Die ordentlichen Hand-<lb/>
lungen verrichten die Thiere ohne Ver-<lb/>
nunft, und ohne Uberlegung: Denn ſie<lb/>ſind ihrer Natur und ihren Begierden ge-<lb/>
maͤß. Aber wenn ſie ihrer Natur Gewalt<lb/>
anthun ſollen, ſo verhaͤlt es ſich gantz anders.<lb/>
Die Verrichtung ſolcher Thaten, die ihnen<lb/>
zuwieder und unnatuͤrlich, und die Unter-<lb/>
laſſung anderer, die ihnen angenehm, und<lb/>
ihren natuͤrlichen Triebe gemaͤß ſind, hat<lb/>
allemahl eine gewiſſe Erkaͤnntniß und<lb/>
Furcht zum Grunde. Die Furcht aber iſt<lb/>
keinem Thiere angebohren. Sie gruͤndet<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[608/0700]
(o)
„Thiere ſo eingerichtet gehabt, daß ſie, auf
„den Winck des Menſchen thun und laſſen
„muͤſſen, was er ihnen befohlen, oder ver-
„boten habe‟. Denn dieſes kan er nicht
thun, ohne eine vorher beſtimmte Har-
monie zwiſchen dem Willen des Menſchen
und dem Coͤper der Thiere zu behaupten,
und alſo einen Satz der Wolfiſchen Philoſo-
phie, den er nicht annimmt, hoͤher zu trei-
ben, als Hr. Wolf ſelbſt. Uberdem iſt Hr.
Reinbeck auch viel zu ſcharfſinnig, als daß
er nicht einſehen ſolte, daß unter den ordent-
lichen Handlungen der Thiere, und unter
dem willigen Gehorſahm, den ſie dem erſten
Menſchen geleiſtet haben ſollen, ein groſſer
Unterſcheid ſey. Die ordentlichen Hand-
lungen verrichten die Thiere ohne Ver-
nunft, und ohne Uberlegung: Denn ſie
ſind ihrer Natur und ihren Begierden ge-
maͤß. Aber wenn ſie ihrer Natur Gewalt
anthun ſollen, ſo verhaͤlt es ſich gantz anders.
Die Verrichtung ſolcher Thaten, die ihnen
zuwieder und unnatuͤrlich, und die Unter-
laſſung anderer, die ihnen angenehm, und
ihren natuͤrlichen Triebe gemaͤß ſind, hat
allemahl eine gewiſſe Erkaͤnntniß und
Furcht zum Grunde. Die Furcht aber iſt
keinem Thiere angebohren. Sie gruͤndet
ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/700>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.