Speise aussetzeten anzutasten: Sondern ich frage nur; durch was vor Künste der Mensch die Raupen von seinen Bäumen, und die Heuschrecken und Feldmäuse von seinem Acker vertrieben habe? Ein Winck, ein einziges Wort war, nach des Hrn. Rein- becks Meinung, genug dazu. Aber sahen dann die Raupen allemahl diesen Winck? höreten sie dieses Wort? Wusten sie, daß man mit ihnen redete? Verstanden sie die Sprache des Menschen? Begrifen sie, was er von ihnen haben wollte? Urtheilten sie, daß sie schuldig wären, ihm, als ihrem Herrn, zu gehorchen? Jch glaube nicht, daß man dieses sagen wird: Wie kan man aber, ohne dieses alles vorauszusetzen, den willigen Gehorsahm der Raupen begrei- fen.
Jch befüchte nicht, daß Hr. Reinbeck mir hier einwerfen wird: "Es sey nicht nöthig," das man, um den Gehorsahm der Rau-" pen begreiflich zu machen, ihnen eine so" grosse Erkänntniß, und eine Uberlegung" zuschreibe, der sie nicht fähig zu seyn schei-" nen. Die Thiere thäten weit wunderbarer" Dinge ohne Verstand, und ohne Schlüs-" se zu machen: Und es sey also genug, daß" man sage, GOtt habe die Maschine der"
Thiere
(o)
Speiſe ausſetzeten anzutaſten: Sondern ich frage nur; durch was vor Kuͤnſte der Menſch die Raupen von ſeinen Baͤumen, und die Heuſchrecken und Feldmaͤuſe von ſeinem Acker vertrieben habe? Ein Winck, ein einziges Wort war, nach des Hrn. Rein- becks Meinung, genug dazu. Aber ſahen dann die Raupen allemahl dieſen Winck? hoͤreten ſie dieſes Wort? Wuſten ſie, daß man mit ihnen redete? Verſtanden ſie die Sprache des Menſchen? Begrifen ſie, was er von ihnen haben wollte? Urtheilten ſie, daß ſie ſchuldig waͤren, ihm, als ihrem Herrn, zu gehorchen? Jch glaube nicht, daß man dieſes ſagen wird: Wie kan man aber, ohne dieſes alles vorauszuſetzen, den willigen Gehorſahm der Raupen begrei- fen.
Jch befuͤchte nicht, daß Hr. Reinbeck mir hier einwerfen wird: „Es ſey nicht noͤthig,„ das man, um den Gehorſahm der Rau-„ pen begreiflich zu machen, ihnen eine ſo„ groſſe Erkaͤnntniß, und eine Uberlegung„ zuſchreibe, der ſie nicht faͤhig zu ſeyn ſchei-„ nen. Die Thiere thaͤten weit wunderbarer„ Dinge ohne Verſtand, und ohne Schluͤſ-„ ſe zu machen: Und es ſey alſo genug, daß„ man ſage, GOtt habe die Maſchine der„
Thiere
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(o)
Speiſe ausſetzeten anzutaſten: Sondern
ich frage nur; durch was vor Kuͤnſte der
Menſch die Raupen von ſeinen Baͤumen,
und die Heuſchrecken und Feldmaͤuſe von
ſeinem Acker vertrieben habe? Ein Winck,
ein einziges Wort war, nach des Hrn. Rein-
becks Meinung, genug dazu. Aber ſahen
dann die Raupen allemahl dieſen Winck?
hoͤreten ſie dieſes Wort? Wuſten ſie, daß
man mit ihnen redete? Verſtanden ſie die
Sprache des Menſchen? Begrifen ſie, was
er von ihnen haben wollte? Urtheilten ſie,
daß ſie ſchuldig waͤren, ihm, als ihrem
Herrn, zu gehorchen? Jch glaube nicht,
daß man dieſes ſagen wird: Wie kan man
aber, ohne dieſes alles vorauszuſetzen, den
willigen Gehorſahm der Raupen begrei-
fen.
Jch befuͤchte nicht, daß Hr. Reinbeck mir
hier einwerfen wird: „Es ſey nicht noͤthig,„
das man, um den Gehorſahm der Rau-„
pen begreiflich zu machen, ihnen eine ſo„
groſſe Erkaͤnntniß, und eine Uberlegung„
zuſchreibe, der ſie nicht faͤhig zu ſeyn ſchei-„
nen. Die Thiere thaͤten weit wunderbarer„
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ſe zu machen: Und es ſey alſo genug, daß„
man ſage, GOtt habe die Maſchine der„
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/699>, abgerufen am 22.11.2024.
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