der guten Meinung, die ich von ihm hat- te. Er muste vielleicht in meinen Einwür- fen nicht die Demuth und Lehr-Begierde finden, die er von den sittsahmen Jünglin- gen gewohnt war, die gedrungen sind, sich von ihm überwinden zu lassen, und welche er gemeiniglich spatzierend, mit einem Ma- jestätischen lächeln, zu Boden zu schlagen pfleget: Vielleicht hatte ich ihm Dinge vorgesaget, die schwerer zu beantworten waren, als die Dubiola, welche drey oder vier arme Sünder, welche er ordentlicher Weise mit vieler Behutsamkeit aus dem kleinen Häuflein seiner Schüler zu Oppo- nenten aussuchet, mit Furcht und Zittern von ihrem Zettel abgelesen hatten. Das verdroß ihm, und seine Empfindlichkeit gieng so weit, daß er sich bey dem Rath von Hamburg über den Verfasser der Nieder- sächsischen Nachrichten beschwerete. Wä- re er vor Eifer nicht gantz ausser sich gewe- sen, so würde er wohl begrifen haben, daß es eine Unbescheidenheit sey, eine Obrig- keit, die wichtigere Geschäfte hat, mit sol- chen Kleinigkeiten zu behelligen, und ihr zuzumuthen, daß sie mit ihrem Schwerd die Händel eines armseeligen und stoltzen Scribenten ausmachen solle, die dieser sich
mit
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der guten Meinung, die ich von ihm hat- te. Er muſte vielleicht in meinen Einwuͤr- fen nicht die Demuth und Lehr-Begierde finden, die er von den ſittſahmen Juͤnglin- gen gewohnt war, die gedrungen ſind, ſich von ihm uͤberwinden zu laſſen, und welche er gemeiniglich ſpatzierend, mit einem Ma- jeſtaͤtiſchen laͤcheln, zu Boden zu ſchlagen pfleget: Vielleicht hatte ich ihm Dinge vorgeſaget, die ſchwerer zu beantworten waren, als die Dubiola, welche drey oder vier arme Suͤnder, welche er ordentlicher Weiſe mit vieler Behutſamkeit aus dem kleinen Haͤuflein ſeiner Schuͤler zu Oppo- nenten ausſuchet, mit Furcht und Zittern von ihrem Zettel abgeleſen hatten. Das verdroß ihm, und ſeine Empfindlichkeit gieng ſo weit, daß er ſich bey dem Rath von Hamburg uͤber den Verfaſſer der Nieder- ſaͤchſiſchen Nachrichten beſchwerete. Waͤ- re er vor Eifer nicht gantz auſſer ſich gewe- ſen, ſo wuͤrde er wohl begrifen haben, daß es eine Unbeſcheidenheit ſey, eine Obrig- keit, die wichtigere Geſchaͤfte hat, mit ſol- chen Kleinigkeiten zu behelligen, und ihr zuzumuthen, daß ſie mit ihrem Schwerd die Haͤndel eines armſeeligen und ſtoltzen Scribenten ausmachen ſolle, die dieſer ſich
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der guten Meinung, die ich von ihm hat-
te. Er muſte vielleicht in meinen Einwuͤr-
fen nicht die Demuth und Lehr-Begierde
finden, die er von den ſittſahmen Juͤnglin-
gen gewohnt war, die gedrungen ſind, ſich
von ihm uͤberwinden zu laſſen, und welche
er gemeiniglich ſpatzierend, mit einem Ma-
jeſtaͤtiſchen laͤcheln, zu Boden zu ſchlagen
pfleget: Vielleicht hatte ich ihm Dinge
vorgeſaget, die ſchwerer zu beantworten
waren, als die Dubiola, welche drey oder
vier arme Suͤnder, welche er ordentlicher
Weiſe mit vieler Behutſamkeit aus dem
kleinen Haͤuflein ſeiner Schuͤler zu Oppo-
nenten ausſuchet, mit Furcht und Zittern
von ihrem Zettel abgeleſen hatten. Das
verdroß ihm, und ſeine Empfindlichkeit
gieng ſo weit, daß er ſich bey dem Rath von
Hamburg uͤber den Verfaſſer der Nieder-
ſaͤchſiſchen Nachrichten beſchwerete. Waͤ-
re er vor Eifer nicht gantz auſſer ſich gewe-
ſen, ſo wuͤrde er wohl begrifen haben, daß
es eine Unbeſcheidenheit ſey, eine Obrig-
keit, die wichtigere Geſchaͤfte hat, mit ſol-
chen Kleinigkeiten zu behelligen, und ihr
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/671>, abgerufen am 22.11.2024.
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