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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
der Esel eben nicht die beste Stimme habe, und
zur Musick gantz ungeschickt sey, man doch aus
seinen Knochen die schönsten Flöten machen kön-
ne (60). Und unsere Schriften, wie elend sie
auch sind, geben doch Anlaß zu vielen gründlichen
Widerlegungen, und sinnreichen Spott-Schrif-
ten, deren die gelehrte Welt nothwendig entbeh-
ren müste, wenn niemand wäre, der elend und
lächerlich schriebe.

Dieses ist der geringste Vortheil den die Welt
von uns hat; weil er sich eigentlich nur auf die
Gelehrten erstrecket. Der Nutzen, den wir dem
ganzen menschlichen Geschlechte bringen, ist wich-
tiger, und beweiset unsere Nothwendigkeit noch
kräftiger. Wir sind diejenigen, welche die Ver-
nunft, die der Ruhe des Staats und der Kirche
so nachtheilig ist, mit Macht unterdrücken. Wir
sind Beschützer der gemeinen Meinungen, und der
Vorurtheile, die zu einem ruhigen, stillen, und
vergnügten Leben so unentbehrlich sind. Wir ver-
theidigen die väterlichen Weisen, und saubern
die Kirche von Ketzern. Es ist wahr, unsere Fein-
de thun dieses letzte auch: Aber sehr selten, und
wann sie es thun, so thun sie es mit Vernunft;
Und das taugt nicht. Ohne uns würde es also
wunderlich in der Welt hergehen, und unsere Fein-
de alles umkehren. Wer hätte sich wohl den ge-

fähr-
(60) Plutarchus in Convivia ex vers. Xylandri,
ut mirari subeat, animal crassissimum, & a
Mufica alienissimum, tamen ossa tenuissima &
maximo canora suppeditarc.

(o)
der Eſel eben nicht die beſte Stimme habe, und
zur Muſick gantz ungeſchickt ſey, man doch aus
ſeinen Knochen die ſchoͤnſten Floͤten machen koͤn-
ne (60). Und unſere Schriften, wie elend ſie
auch ſind, geben doch Anlaß zu vielen gruͤndlichen
Widerlegungen, und ſinnreichen Spott-Schrif-
ten, deren die gelehrte Welt nothwendig entbeh-
ren muͤſte, wenn niemand waͤre, der elend und
laͤcherlich ſchriebe.

Dieſes iſt der geringſte Vortheil den die Welt
von uns hat; weil er ſich eigentlich nur auf die
Gelehrten erſtrecket. Der Nutzen, den wir dem
ganzen menſchlichen Geſchlechte bringen, iſt wich-
tiger, und beweiſet unſere Nothwendigkeit noch
kraͤftiger. Wir ſind diejenigen, welche die Ver-
nunft, die der Ruhe des Staats und der Kirche
ſo nachtheilig iſt, mit Macht unterdruͤcken. Wir
ſind Beſchuͤtzer der gemeinen Meinungen, und der
Vorurtheile, die zu einem ruhigen, ſtillen, und
vergnuͤgten Leben ſo unentbehrlich ſind. Wir ver-
theidigen die vaͤterlichen Weiſen, und ſaubern
die Kirche von Ketzern. Es iſt wahr, unſere Fein-
de thun dieſes letzte auch: Aber ſehr ſelten, und
wann ſie es thun, ſo thun ſie es mit Vernunft;
Und das taugt nicht. Ohne uns wuͤrde es alſo
wunderlich in der Welt hergehen, und unſere Fein-
de alles umkehren. Wer haͤtte ſich wohl den ge-

faͤhr-
(60) Plutarchus in Convivia ex verſ. Xylandri,
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[566/0658] (o) der Eſel eben nicht die beſte Stimme habe, und zur Muſick gantz ungeſchickt ſey, man doch aus ſeinen Knochen die ſchoͤnſten Floͤten machen koͤn- ne (60). Und unſere Schriften, wie elend ſie auch ſind, geben doch Anlaß zu vielen gruͤndlichen Widerlegungen, und ſinnreichen Spott-Schrif- ten, deren die gelehrte Welt nothwendig entbeh- ren muͤſte, wenn niemand waͤre, der elend und laͤcherlich ſchriebe. Dieſes iſt der geringſte Vortheil den die Welt von uns hat; weil er ſich eigentlich nur auf die Gelehrten erſtrecket. Der Nutzen, den wir dem ganzen menſchlichen Geſchlechte bringen, iſt wich- tiger, und beweiſet unſere Nothwendigkeit noch kraͤftiger. Wir ſind diejenigen, welche die Ver- nunft, die der Ruhe des Staats und der Kirche ſo nachtheilig iſt, mit Macht unterdruͤcken. Wir ſind Beſchuͤtzer der gemeinen Meinungen, und der Vorurtheile, die zu einem ruhigen, ſtillen, und vergnuͤgten Leben ſo unentbehrlich ſind. Wir ver- theidigen die vaͤterlichen Weiſen, und ſaubern die Kirche von Ketzern. Es iſt wahr, unſere Fein- de thun dieſes letzte auch: Aber ſehr ſelten, und wann ſie es thun, ſo thun ſie es mit Vernunft; Und das taugt nicht. Ohne uns wuͤrde es alſo wunderlich in der Welt hergehen, und unſere Fein- de alles umkehren. Wer haͤtte ſich wohl den ge- faͤhr- (60) Plutarchus in Convivia ex verſ. Xylandri, ut mirari ſubeat, animal craſſiſſimum, & à Mufica alieniſſimum, tamen oſſa tenuiſſima & maximó canora ſuppeditarc.

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/658>, abgerufen am 22.11.2024.