auf antworten: Es sey, ihrem eigenen Geständ- niß nach, unmöglich, daß wir unordentlich dächten: weil sie sagten, wir könnten gar nicht dencken. Denn quicquid non est simpliciter tale, illud non est cum addito tale. Allein ich will sie so schimpflich nicht abfertigen. Jch bitte sie nur, mir zu sagen, woher sie dann wissen, daß die Gedan- cken in unsern Schriften nicht in gehöriger Ord- nung stehen? Sie können ja unsere Gedancken nicht sehen; weil sie unsichtbar sind, und also nicht an- ders, als nach den Zeichen, mit welchen wir sie an- deuten, von denselben urtheilen. Diese Zeichen sind die Worte, aus welchen unsere Bücher zu- sammen gesetzet sind. Da nun diese Worte, wie ich schon gezeiget habe, so ordentlich von uns gese- tzet werden: Und überdem kein Scribent dem an- dern von der Art seiner Wort-Mischung Rede und Antwort zu geben verbunden ist; So sehe ich nicht, wie die Gedancken, weche durch die Worte ange- deutet werden, in unsern Schriften unordentlich unter einander gemenget seyn können, und was un- sere Feinde vor Recht haben, über die von uns be- liebte Ordnung, wenn sie ihnen nicht anstehet, zu spotten.
Zwar muß ich bekennen, daß wir in der Wahl unserer Gedancken eben nicht sonderlich lecker sind. Wir schreiben sie hin, wie sie uns einfallen. Aber ich weiß auch, daß dieses etwas sehr gemächliches, und löbliches, ja ein klarer Beweiß unserer Vor- treflichkeit ist. Jch verdencke es unsern Feinden nicht, daß sie, wann sie schreiben wollen, sich mit einer abergläubigen Wahl der ihnen beyfallenden
Gedan-
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auf antworten: Es ſey, ihrem eigenen Geſtaͤnd- niß nach, unmoͤglich, daß wir unordentlich daͤchten: weil ſie ſagten, wir koͤnnten gar nicht dencken. Denn quicquid non eſt ſimpliciter tale, illud non eſt cum addito tale. Allein ich will ſie ſo ſchimpflich nicht abfertigen. Jch bitte ſie nur, mir zu ſagen, woher ſie dann wiſſen, daß die Gedan- cken in unſern Schriften nicht in gehoͤriger Ord- nung ſtehen? Sie koͤnnen ja unſere Gedancken nicht ſehen; weil ſie unſichtbar ſind, und alſo nicht an- ders, als nach den Zeichen, mit welchen wir ſie an- deuten, von denſelben urtheilen. Dieſe Zeichen ſind die Worte, aus welchen unſere Buͤcher zu- ſammen geſetzet ſind. Da nun dieſe Worte, wie ich ſchon gezeiget habe, ſo ordentlich von uns geſe- tzet werden: Und uͤberdem kein Scribent dem an- dern von der Art ſeiner Wort-Miſchung Rede und Antwort zu geben verbunden iſt; So ſehe ich nicht, wie die Gedancken, weche durch die Worte ange- deutet werden, in unſern Schriften unordentlich unter einander gemenget ſeyn koͤnnen, und was un- ſere Feinde vor Recht haben, uͤber die von uns be- liebte Ordnung, wenn ſie ihnen nicht anſtehet, zu ſpotten.
Zwar muß ich bekennen, daß wir in der Wahl unſerer Gedancken eben nicht ſonderlich lecker ſind. Wir ſchreiben ſie hin, wie ſie uns einfallen. Aber ich weiß auch, daß dieſes etwas ſehr gemaͤchliches, und loͤbliches, ja ein klarer Beweiß unſerer Vor- treflichkeit iſt. Jch verdencke es unſern Feinden nicht, daß ſie, wann ſie ſchreiben wollen, ſich mit einer aberglaͤubigen Wahl der ihnen beyfallenden
Gedan-
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auf antworten: Es ſey, ihrem eigenen Geſtaͤnd-
niß nach, unmoͤglich, daß wir unordentlich daͤchten:
weil ſie ſagten, wir koͤnnten gar nicht dencken.
Denn quicquid non eſt ſimpliciter tale, illud
non eſt cum addito tale. Allein ich will ſie ſo
ſchimpflich nicht abfertigen. Jch bitte ſie nur, mir
zu ſagen, woher ſie dann wiſſen, daß die Gedan-
cken in unſern Schriften nicht in gehoͤriger Ord-
nung ſtehen? Sie koͤnnen ja unſere Gedancken nicht
ſehen; weil ſie unſichtbar ſind, und alſo nicht an-
ders, als nach den Zeichen, mit welchen wir ſie an-
deuten, von denſelben urtheilen. Dieſe Zeichen
ſind die Worte, aus welchen unſere Buͤcher zu-
ſammen geſetzet ſind. Da nun dieſe Worte, wie
ich ſchon gezeiget habe, ſo ordentlich von uns geſe-
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dern von der Art ſeiner Wort-Miſchung Rede und
Antwort zu geben verbunden iſt; So ſehe ich nicht,
wie die Gedancken, weche durch die Worte ange-
deutet werden, in unſern Schriften unordentlich
unter einander gemenget ſeyn koͤnnen, und was un-
ſere Feinde vor Recht haben, uͤber die von uns be-
liebte Ordnung, wenn ſie ihnen nicht anſtehet, zu
ſpotten.
Zwar muß ich bekennen, daß wir in der Wahl
unſerer Gedancken eben nicht ſonderlich lecker ſind.
Wir ſchreiben ſie hin, wie ſie uns einfallen. Aber
ich weiß auch, daß dieſes etwas ſehr gemaͤchliches,
und loͤbliches, ja ein klarer Beweiß unſerer Vor-
treflichkeit iſt. Jch verdencke es unſern Feinden
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/645>, abgerufen am 25.11.2024.
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