Worte, die sie erwählet, uns nicht anstünde? Aber wir sind so unbillig nicht. Wir lassen einem jeden seine Freyheit, und verlangen von unsern Feinden ein gleiches.
Es ist schwehrlich zu vermuthen, daß sie uns diese Gnade wiederfahren lassen werden; Wie gründlich ich auch gezeiget habe, daß unsere For- derung billig ist. Denn sie sind gar zu ungerecht und eigensinnig. Jch will also diese Forderung fahren lassen, und ihnen, jedoch unsern Rechten unverfänglich, zugeben, daß in unsern Schriften die gröste Unordnung herrsche. Mich deucht nicht, daß dieser Fehler so groß ist, als ihn unsere Fein- de machen, und ihre eigene Aufführung bestärcket mich in dieser Meinung. Es ist bey ihnen gar nichts seltenes, daß sie Schriften mit Lust lesen, und biß in den Himmel erheben, die doch gantz unordentlich geschrieben sind. Wenn diese Schrif- ten Leute zu Urhebern haben, denen sie gewogen sind, so wissen sie den Fehler, den sie uns, als eine greuliche Missethat anrechnen, nicht genug zu preisen. Sie nennen die Unordnung, die sie in solchen Schriften wahrnehmen, eine angenehme Unordnung, und bewundern die Höflichkeit des Verfassers, der dem Eckel seiner Leser so geschickt vorbeuget, und vor ihre Belustigung so sehr sorget, daß er sich oft mit ihnen von der ordentlichen Land- Strasse entfernet, und sie in so lustige Gegenden und auf so angenehme Auen führet, daß sie, vor Lust entzückt, und vor Freude ausser sich, die Be- schwerlichkeiten der Reise nicht mercken, und sich nicht nach der Herberge sehnen. Wenn wir arme
Leute
(o)
Worte, die ſie erwaͤhlet, uns nicht anſtuͤnde? Aber wir ſind ſo unbillig nicht. Wir laſſen einem jeden ſeine Freyheit, und verlangen von unſern Feinden ein gleiches.
Es iſt ſchwehrlich zu vermuthen, daß ſie uns dieſe Gnade wiederfahren laſſen werden; Wie gruͤndlich ich auch gezeiget habe, daß unſere For- derung billig iſt. Denn ſie ſind gar zu ungerecht und eigenſinnig. Jch will alſo dieſe Forderung fahren laſſen, und ihnen, jedoch unſern Rechten unverfaͤnglich, zugeben, daß in unſern Schriften die groͤſte Unordnung herrſche. Mich deucht nicht, daß dieſer Fehler ſo groß iſt, als ihn unſere Fein- de machen, und ihre eigene Auffuͤhrung beſtaͤrcket mich in dieſer Meinung. Es iſt bey ihnen gar nichts ſeltenes, daß ſie Schriften mit Luſt leſen, und biß in den Himmel erheben, die doch gantz unordentlich geſchrieben ſind. Wenn dieſe Schrif- ten Leute zu Urhebern haben, denen ſie gewogen ſind, ſo wiſſen ſie den Fehler, den ſie uns, als eine greuliche Miſſethat anrechnen, nicht genug zu preiſen. Sie nennen die Unordnung, die ſie in ſolchen Schriften wahrnehmen, eine angenehme Unordnung, und bewundern die Hoͤflichkeit des Verfaſſers, der dem Eckel ſeiner Leſer ſo geſchickt vorbeuget, und vor ihre Beluſtigung ſo ſehr ſorget, daß er ſich oft mit ihnen von der ordentlichen Land- Straſſe entfernet, und ſie in ſo luſtige Gegenden und auf ſo angenehme Auen fuͤhret, daß ſie, vor Luſt entzuͤckt, und vor Freude auſſer ſich, die Be- ſchwerlichkeiten der Reiſe nicht mercken, und ſich nicht nach der Herberge ſehnen. Wenn wir arme
Leute
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(o)
Worte, die ſie erwaͤhlet, uns nicht anſtuͤnde?
Aber wir ſind ſo unbillig nicht. Wir laſſen einem
jeden ſeine Freyheit, und verlangen von unſern
Feinden ein gleiches.
Es iſt ſchwehrlich zu vermuthen, daß ſie uns
dieſe Gnade wiederfahren laſſen werden; Wie
gruͤndlich ich auch gezeiget habe, daß unſere For-
derung billig iſt. Denn ſie ſind gar zu ungerecht
und eigenſinnig. Jch will alſo dieſe Forderung
fahren laſſen, und ihnen, jedoch unſern Rechten
unverfaͤnglich, zugeben, daß in unſern Schriften
die groͤſte Unordnung herrſche. Mich deucht nicht,
daß dieſer Fehler ſo groß iſt, als ihn unſere Fein-
de machen, und ihre eigene Auffuͤhrung beſtaͤrcket
mich in dieſer Meinung. Es iſt bey ihnen gar
nichts ſeltenes, daß ſie Schriften mit Luſt leſen,
und biß in den Himmel erheben, die doch gantz
unordentlich geſchrieben ſind. Wenn dieſe Schrif-
ten Leute zu Urhebern haben, denen ſie gewogen
ſind, ſo wiſſen ſie den Fehler, den ſie uns, als
eine greuliche Miſſethat anrechnen, nicht genug zu
preiſen. Sie nennen die Unordnung, die ſie in
ſolchen Schriften wahrnehmen, eine angenehme
Unordnung, und bewundern die Hoͤflichkeit des
Verfaſſers, der dem Eckel ſeiner Leſer ſo geſchickt
vorbeuget, und vor ihre Beluſtigung ſo ſehr ſorget,
daß er ſich oft mit ihnen von der ordentlichen Land-
Straſſe entfernet, und ſie in ſo luſtige Gegenden
und auf ſo angenehme Auen fuͤhret, daß ſie, vor
Luſt entzuͤckt, und vor Freude auſſer ſich, die Be-
ſchwerlichkeiten der Reiſe nicht mercken, und ſich
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/640>, abgerufen am 22.11.2024.
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