Vortheile theilhaftig werden könne, welche sich un- sere Feinde von der Vollkommenheit, oder gäntzli- chen Befreyung von allen Mängeln versprechen?
Wofern ich nicht irre, so bestehet aller Vortheil, den die Vollkommenheit geben kan, in dem un- aussprechlichen Vergnügen, dessen ein Mensch, der sich keiner Fehler bewust ist, nothwendig geniessen muß. Wir elende Scribenten sind uns nun unse- rer Fehler nicht bewust; weil wir sie nicht erken- nen, und besitzen also würcklich diejenige Glückseelig- keit, nach welcher unsere Feinde mit so vieler Mühe ringen. Jst dieses nicht gemächlich? Und kan man sich wohl des Lachens enthalten, wenn man siehet, wie wunderlich sich die guten Scribenten gebärden? Sie kommen mir wahrlich nicht anders vor, als der König Pyrrhus, der sich einbildete, er könne sich mit seinen Freunden nicht recht lustig machen, wenn er nicht vorher Jtalien, Sicilien, Cartha- go, und ich weiß nicht was vor Länder mehr, be- zwungen hätte. Man stellte ihm vor, er dürfe des- falls nicht einen Fuß aus seinem Königreiche setzen, und wenn unsere Feinde nur einmahl bedencken wol- ten, wie vergnügt wir unser Leben zubringen, oh- ne unsere Fehler zu erkennen, so würden sie leicht begreifen, daß die Mühe, welche sie sich geben, um zu einem Glücke zu gelangen, das in ihren Händen stehet, höchst unnütze sey. Jch sage wenig: Denn wenn man ihre Aufführung recht ansiehet, so ist sie im höchsten Grad lächerlich.
Sie suchen durch die Erkänntniß ihrer Fehler glücklich zu werden: Da doch die Glückseeligkeit darinn bestehet, daß man sich keiner Fehler bewust
ist.
(o)
Vortheile theilhaftig werden koͤnne, welche ſich un- ſere Feinde von der Vollkommenheit, oder gaͤntzli- chen Befreyung von allen Maͤngeln verſprechen?
Wofern ich nicht irre, ſo beſtehet aller Vortheil, den die Vollkommenheit geben kan, in dem un- ausſprechlichen Vergnuͤgen, deſſen ein Menſch, der ſich keiner Fehler bewuſt iſt, nothwendig genieſſen muß. Wir elende Scribenten ſind uns nun unſe- rer Fehler nicht bewuſt; weil wir ſie nicht erken- nen, und beſitzen alſo wuͤrcklich diejenige Gluͤckſeelig- keit, nach welcher unſere Feinde mit ſo vieler Muͤhe ringen. Jſt dieſes nicht gemaͤchlich? Und kan man ſich wohl des Lachens enthalten, wenn man ſiehet, wie wunderlich ſich die guten Scribenten gebaͤrden? Sie kommen mir wahrlich nicht anders vor, als der Koͤnig Pyrrhus, der ſich einbildete, er koͤnne ſich mit ſeinen Freunden nicht recht luſtig machen, wenn er nicht vorher Jtalien, Sicilien, Cartha- go, und ich weiß nicht was vor Laͤnder mehr, be- zwungen haͤtte. Man ſtellte ihm vor, er duͤrfe des- falls nicht einen Fuß aus ſeinem Koͤnigreiche ſetzen, und wenn unſere Feinde nur einmahl bedencken wol- ten, wie vergnuͤgt wir unſer Leben zubringen, oh- ne unſere Fehler zu erkennen, ſo wuͤrden ſie leicht begreifen, daß die Muͤhe, welche ſie ſich geben, um zu einem Gluͤcke zu gelangen, das in ihren Haͤnden ſtehet, hoͤchſt unnuͤtze ſey. Jch ſage wenig: Denn wenn man ihre Auffuͤhrung recht anſiehet, ſo iſt ſie im hoͤchſten Grad laͤcherlich.
Sie ſuchen durch die Erkaͤnntniß ihrer Fehler gluͤcklich zu werden: Da doch die Gluͤckſeeligkeit darinn beſtehet, daß man ſich keiner Fehler bewuſt
iſt.
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(o)
Vortheile theilhaftig werden koͤnne, welche ſich un-
ſere Feinde von der Vollkommenheit, oder gaͤntzli-
chen Befreyung von allen Maͤngeln verſprechen?
Wofern ich nicht irre, ſo beſtehet aller Vortheil,
den die Vollkommenheit geben kan, in dem un-
ausſprechlichen Vergnuͤgen, deſſen ein Menſch, der
ſich keiner Fehler bewuſt iſt, nothwendig genieſſen
muß. Wir elende Scribenten ſind uns nun unſe-
rer Fehler nicht bewuſt; weil wir ſie nicht erken-
nen, und beſitzen alſo wuͤrcklich diejenige Gluͤckſeelig-
keit, nach welcher unſere Feinde mit ſo vieler Muͤhe
ringen. Jſt dieſes nicht gemaͤchlich? Und kan man
ſich wohl des Lachens enthalten, wenn man ſiehet,
wie wunderlich ſich die guten Scribenten gebaͤrden?
Sie kommen mir wahrlich nicht anders vor, als
der Koͤnig Pyrrhus, der ſich einbildete, er koͤnne
ſich mit ſeinen Freunden nicht recht luſtig machen,
wenn er nicht vorher Jtalien, Sicilien, Cartha-
go, und ich weiß nicht was vor Laͤnder mehr, be-
zwungen haͤtte. Man ſtellte ihm vor, er duͤrfe des-
falls nicht einen Fuß aus ſeinem Koͤnigreiche ſetzen,
und wenn unſere Feinde nur einmahl bedencken wol-
ten, wie vergnuͤgt wir unſer Leben zubringen, oh-
ne unſere Fehler zu erkennen, ſo wuͤrden ſie leicht
begreifen, daß die Muͤhe, welche ſie ſich geben, um
zu einem Gluͤcke zu gelangen, das in ihren Haͤnden
ſtehet, hoͤchſt unnuͤtze ſey. Jch ſage wenig: Denn
wenn man ihre Auffuͤhrung recht anſiehet, ſo iſt ſie
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/634>, abgerufen am 25.11.2024.
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