Notariat-Künste, Complimentir-Büchlein, der Eulenspiegel, und dergleichen schöne und nützliche Wercke den besten Abgang haben? Wie begierig sind nicht Happels und Menantes Schriften ge- kauft worden? Und Uhsens wohl-informirter Red- ner ist wenigstens neun mahl aufgeleget. Hüb- ners Oratorie hat eben das Glück gehabt, und ich muß mich also wundern, wie unsere Feinde so un- verschämt seyn, und sagen können, daß niemand un- sere Schriften kaufen wolle, und das um so viel mehr, weil sie selbst am hitzigsten darauf sind, und nicht allein unsere Schriften mit Lust lesen, sondern auch durch ihre sinnreiche Spöttereyen dieselben bekannt, und andere, sie zu sehen, begierig machen. Wir haben also das Vergnügen, daß selbst unsere Fein- de unsern Nahmen herrlich machen müssen. Sol- ten sie sich entschliessen, uns in Ruhe zu lassen, so würde unser Ruhm nicht halb so weit erschallen.
Jndessen würde es uns doch niemahls an einer Menge Verehrer, und Bewunderer gebrechen. Un- sere Schriften sind so beschaffen, daß sie dem Pö- bel nothwendig gefallen müssen: weil sie nach sei- nem Begrif eingerichtet sind. Wir entfernen uns nicht einen Finger breit von den gemeinen Vorur- theilen. Wir versteigen uns nicht zu hoch in un- sern Betrachtungen, sondern halten uns herunter zu dem Niedrigen. Dieses macht unsere Wercke dem grösten Haufen verständlich, und erwirbt uns seinen Beyfall. Die guten Scribenten sind so glück- lich nicht. Jhre Schriften sind den meisten zu hoch: weil sie mit Vernunft gemacht sind. Sie werden also von wenigen gelesen, und von noch wenigern
gelobet:
(o)
Notariat-Kuͤnſte, Complimentir-Buͤchlein, der Eulenſpiegel, und dergleichen ſchoͤne und nuͤtzliche Wercke den beſten Abgang haben? Wie begierig ſind nicht Happels und Menantes Schriften ge- kauft worden? Und Uhſens wohl-informirter Red- ner iſt wenigſtens neun mahl aufgeleget. Huͤb- ners Oratorie hat eben das Gluͤck gehabt, und ich muß mich alſo wundern, wie unſere Feinde ſo un- verſchaͤmt ſeyn, und ſagen koͤnnen, daß niemand un- ſere Schriften kaufen wolle, und das um ſo viel mehr, weil ſie ſelbſt am hitzigſten darauf ſind, und nicht allein unſere Schriften mit Luſt leſen, ſondern auch durch ihre ſinnreiche Spoͤttereyen dieſelben bekannt, und andere, ſie zu ſehen, begierig machen. Wir haben alſo das Vergnuͤgen, daß ſelbſt unſere Fein- de unſern Nahmen herrlich machen muͤſſen. Sol- ten ſie ſich entſchlieſſen, uns in Ruhe zu laſſen, ſo wuͤrde unſer Ruhm nicht halb ſo weit erſchallen.
Jndeſſen wuͤrde es uns doch niemahls an einer Menge Verehrer, und Bewunderer gebrechen. Un- ſere Schriften ſind ſo beſchaffen, daß ſie dem Poͤ- bel nothwendig gefallen muͤſſen: weil ſie nach ſei- nem Begrif eingerichtet ſind. Wir entfernen uns nicht einen Finger breit von den gemeinen Vorur- theilen. Wir verſteigen uns nicht zu hoch in un- ſern Betrachtungen, ſondern halten uns herunter zu dem Niedrigen. Dieſes macht unſere Wercke dem groͤſten Haufen verſtaͤndlich, und erwirbt uns ſeinen Beyfall. Die guten Scribenten ſind ſo gluͤck- lich nicht. Jhre Schriften ſind den meiſten zu hoch: weil ſie mit Vernunft gemacht ſind. Sie werden alſo von wenigen geleſen, und von noch wenigern
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(o)
Notariat-Kuͤnſte, Complimentir-Buͤchlein, der
Eulenſpiegel, und dergleichen ſchoͤne und nuͤtzliche
Wercke den beſten Abgang haben? Wie begierig
ſind nicht Happels und Menantes Schriften ge-
kauft worden? Und Uhſens wohl-informirter Red-
ner iſt wenigſtens neun mahl aufgeleget. Huͤb-
ners Oratorie hat eben das Gluͤck gehabt, und ich
muß mich alſo wundern, wie unſere Feinde ſo un-
verſchaͤmt ſeyn, und ſagen koͤnnen, daß niemand un-
ſere Schriften kaufen wolle, und das um ſo viel mehr,
weil ſie ſelbſt am hitzigſten darauf ſind, und nicht
allein unſere Schriften mit Luſt leſen, ſondern auch
durch ihre ſinnreiche Spoͤttereyen dieſelben bekannt,
und andere, ſie zu ſehen, begierig machen. Wir
haben alſo das Vergnuͤgen, daß ſelbſt unſere Fein-
de unſern Nahmen herrlich machen muͤſſen. Sol-
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Jndeſſen wuͤrde es uns doch niemahls an einer
Menge Verehrer, und Bewunderer gebrechen. Un-
ſere Schriften ſind ſo beſchaffen, daß ſie dem Poͤ-
bel nothwendig gefallen muͤſſen: weil ſie nach ſei-
nem Begrif eingerichtet ſind. Wir entfernen uns
nicht einen Finger breit von den gemeinen Vorur-
theilen. Wir verſteigen uns nicht zu hoch in un-
ſern Betrachtungen, ſondern halten uns herunter
zu dem Niedrigen. Dieſes macht unſere Wercke
dem groͤſten Haufen verſtaͤndlich, und erwirbt uns
ſeinen Beyfall. Die guten Scribenten ſind ſo gluͤck-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/614>, abgerufen am 22.11.2024.
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