ten bemercken, nicht mehr so hoch aufmutzen, und sich entsehen, uns ferner Schuld zu geben, wir brauchten die Vernunft gar nicht. Wir brauchen sie: Aber auf unsere Weise, mit Maasse, in gehöri- ger Ordnung, bloß zu Erreichung unsers End- zwecks.
Wenn die Begierde berühmt zu seyn uns zum Schreiben reitzet, so sagt uns unsere Vernunft, daß wir ohne Feder, Dinte, und Papier unsern Zweck nicht erreichen können, und noch hat man kein Exempel, daß ein elender Scribent sich ein Gewis- sen gemacht habe, in diesem Fall seiner Vernunft zu folgen. Wir sind so wunderlich nicht, daß wir statt der Feder die Mist-Gabel ergreifen sollten. Wenn Sievers schreibt, so schreibt er mit Dinte, und tunckt seine Feder nicht in Wasser. Selbst Manzel (*) und Rodigast, die allerelendesten Scri- benten unserer Zeit, verrichten ihre gelehrte Noth- durft auf Papier. Jch thue es auch, und Philippi weiß wohl, daß er seine herrlichen Wercke in die Druckerey, und nicht zum Gewürtz-Händler schi- cken, oder Fidibus davon machen muß, wofern er will, daß die Welt sich daran belustigen soll. Wie könte er dieses aber wissen, wenn er ein Gelübde ge- than hätte, der Vernunft in keinem Stücke Gehör zu geben? Und wer siehet also nicht, daß die Ver-
nunft
(*) Ein Professor zu Rostock, mein grosser Gönner. Er hat sich durch viele herrliche Schriften bekannt gemacht, die niemand lieset. Man kan sie bey Fritschen in Rostock, und sonst nirgends, zu hal- ben und gantzen Pfunden, um sehr civilen Preiß, haben.
(o)
ten bemercken, nicht mehr ſo hoch aufmutzen, und ſich entſehen, uns ferner Schuld zu geben, wir brauchten die Vernunft gar nicht. Wir brauchen ſie: Aber auf unſere Weiſe, mit Maaſſe, in gehoͤri- ger Ordnung, bloß zu Erreichung unſers End- zwecks.
Wenn die Begierde beruͤhmt zu ſeyn uns zum Schreiben reitzet, ſo ſagt uns unſere Vernunft, daß wir ohne Feder, Dinte, und Papier unſern Zweck nicht erreichen koͤnnen, und noch hat man kein Exempel, daß ein elender Scribent ſich ein Gewiſ- ſen gemacht habe, in dieſem Fall ſeiner Vernunft zu folgen. Wir ſind ſo wunderlich nicht, daß wir ſtatt der Feder die Miſt-Gabel ergreifen ſollten. Wenn Sievers ſchreibt, ſo ſchreibt er mit Dinte, und tunckt ſeine Feder nicht in Waſſer. Selbſt Manzel (*) und Rodigaſt, die allerelendeſten Scri- benten unſerer Zeit, verrichten ihre gelehrte Noth- durft auf Papier. Jch thue es auch, und Philippi weiß wohl, daß er ſeine herrlichen Wercke in die Druckerey, und nicht zum Gewuͤrtz-Haͤndler ſchi- cken, oder Fidibus davon machen muß, wofern er will, daß die Welt ſich daran beluſtigen ſoll. Wie koͤnte er dieſes aber wiſſen, wenn er ein Geluͤbde ge- than haͤtte, der Vernunft in keinem Stuͤcke Gehoͤr zu geben? Und wer ſiehet alſo nicht, daß die Ver-
nunft
(*) Ein Profeſſor zu Roſtock, mein groſſer Goͤnner. Er hat ſich durch viele herrliche Schriften bekannt gemacht, die niemand lieſet. Man kan ſie bey Fritſchen in Roſtock, und ſonſt nirgends, zu hal- ben und gantzen Pfunden, um ſehr civilen Preiß, haben.
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ten bemercken, nicht mehr ſo hoch aufmutzen, und
ſich entſehen, uns ferner Schuld zu geben, wir
brauchten die Vernunft gar nicht. Wir brauchen
ſie: Aber auf unſere Weiſe, mit Maaſſe, in gehoͤri-
ger Ordnung, bloß zu Erreichung unſers End-
zwecks.
Wenn die Begierde beruͤhmt zu ſeyn uns zum
Schreiben reitzet, ſo ſagt uns unſere Vernunft, daß
wir ohne Feder, Dinte, und Papier unſern Zweck
nicht erreichen koͤnnen, und noch hat man kein
Exempel, daß ein elender Scribent ſich ein Gewiſ-
ſen gemacht habe, in dieſem Fall ſeiner Vernunft
zu folgen. Wir ſind ſo wunderlich nicht, daß wir
ſtatt der Feder die Miſt-Gabel ergreifen ſollten.
Wenn Sievers ſchreibt, ſo ſchreibt er mit Dinte,
und tunckt ſeine Feder nicht in Waſſer. Selbſt
Manzel (*) und Rodigaſt, die allerelendeſten Scri-
benten unſerer Zeit, verrichten ihre gelehrte Noth-
durft auf Papier. Jch thue es auch, und Philippi
weiß wohl, daß er ſeine herrlichen Wercke in die
Druckerey, und nicht zum Gewuͤrtz-Haͤndler ſchi-
cken, oder Fidibus davon machen muß, wofern er
will, daß die Welt ſich daran beluſtigen ſoll. Wie
koͤnte er dieſes aber wiſſen, wenn er ein Geluͤbde ge-
than haͤtte, der Vernunft in keinem Stuͤcke Gehoͤr
zu geben? Und wer ſiehet alſo nicht, daß die Ver-
nunft
(*) Ein Profeſſor zu Roſtock, mein groſſer Goͤnner.
Er hat ſich durch viele herrliche Schriften bekannt
gemacht, die niemand lieſet. Man kan ſie bey
Fritſchen in Roſtock, und ſonſt nirgends, zu hal-
ben und gantzen Pfunden, um ſehr civilen Preiß,
haben.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/603>, abgerufen am 22.11.2024.
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