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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
lesen keine Bücher, sie mögen auch so gut geschrieben
seyn, als sie wollen. Und man könnte also den guten
Scribenten keinen ärgern Possen thun, als wenn
man, wie sie es haben wollen, die Vernunft aufs
höchste triebe. Jch glaube nicht, daß sie dieses
Unglück jemahls erleben werden: Denn was man
auch von dem menschlichen Geschlecht sagt, so ha-
be ich doch eine viel zu gute Meinung von demsel-
ben, als daß ich glauben solte, es werde so einfäl-
tig seyn, und sich entschliessen, klug zu werden, und
die Thorheiten abzulegen, bey denen es sich alle-
mahl so wohl befunden hat. Wenn demnach auch
die Absichten der guten Scribenten noch so böse wä-
ren, so hätte man doch keine Ursache dawider zu
eyfern; weil nicht zu besorgen ist, daß die Welt ih-
rem verführischen Geschwätze Gehör geben werden.

Meine Widersacher können also glauben, daß
alles, was ich bißher wider sie geschrieben habe,
nicht auf ihre Verunglimpfung ziele. Jch bin
zu frieden, wenn meine Leser nur erkennen,
daß die Vernunft schädlich sey. Jch habe
dieses, deucht mich klärlich erwiesen, und getraue
es mir gegen unsere Feinde zu behaupten, wenn
ich auch gleich zugäbe, daß die bürgerliche Gesell-
schaft durch einen unmässigen Gebrauch der Ver-
nunft nicht aufgehoben werde. Denn es bleibt
doch allemahl gewiß, daß die Vernunft eine Ei-
genschaft ist, die einen Menschen sehr ungeschickt
macht, ein Glied der bürgerlichen Gesellschaft, und
der wahren Kirche zu seyn.

Ein Bürger muß gehorchen, und ein Christ
muß glauben. Wer seiner Vernunft nachhänget,

der
J i

(o)
leſen keine Buͤcher, ſie moͤgen auch ſo gut geſchrieben
ſeyn, als ſie wollen. Und man koͤnnte alſo den guten
Scribenten keinen aͤrgern Poſſen thun, als wenn
man, wie ſie es haben wollen, die Vernunft aufs
hoͤchſte triebe. Jch glaube nicht, daß ſie dieſes
Ungluͤck jemahls erleben werden: Denn was man
auch von dem menſchlichen Geſchlecht ſagt, ſo ha-
be ich doch eine viel zu gute Meinung von demſel-
ben, als daß ich glauben ſolte, es werde ſo einfaͤl-
tig ſeyn, und ſich entſchlieſſen, klug zu werden, und
die Thorheiten abzulegen, bey denen es ſich alle-
mahl ſo wohl befunden hat. Wenn demnach auch
die Abſichten der guten Scribenten noch ſo boͤſe waͤ-
ren, ſo haͤtte man doch keine Urſache dawider zu
eyfern; weil nicht zu beſorgen iſt, daß die Welt ih-
rem verfuͤhriſchen Geſchwaͤtze Gehoͤr geben werden.

Meine Widerſacher koͤnnen alſo glauben, daß
alles, was ich bißher wider ſie geſchrieben habe,
nicht auf ihre Verunglimpfung ziele. Jch bin
zu frieden, wenn meine Leſer nur erkennen,
daß die Vernunft ſchaͤdlich ſey. Jch habe
dieſes, deucht mich klaͤrlich erwieſen, und getraue
es mir gegen unſere Feinde zu behaupten, wenn
ich auch gleich zugaͤbe, daß die buͤrgerliche Geſell-
ſchaft durch einen unmaͤſſigen Gebrauch der Ver-
nunft nicht aufgehoben werde. Denn es bleibt
doch allemahl gewiß, daß die Vernunft eine Ei-
genſchaft iſt, die einen Menſchen ſehr ungeſchickt
macht, ein Glied der buͤrgerlichen Geſellſchaft, und
der wahren Kirche zu ſeyn.

Ein Buͤrger muß gehorchen, und ein Chriſt
muß glauben. Wer ſeiner Vernunft nachhaͤnget,

der
J i
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[497/0589] (o) leſen keine Buͤcher, ſie moͤgen auch ſo gut geſchrieben ſeyn, als ſie wollen. Und man koͤnnte alſo den guten Scribenten keinen aͤrgern Poſſen thun, als wenn man, wie ſie es haben wollen, die Vernunft aufs hoͤchſte triebe. Jch glaube nicht, daß ſie dieſes Ungluͤck jemahls erleben werden: Denn was man auch von dem menſchlichen Geſchlecht ſagt, ſo ha- be ich doch eine viel zu gute Meinung von demſel- ben, als daß ich glauben ſolte, es werde ſo einfaͤl- tig ſeyn, und ſich entſchlieſſen, klug zu werden, und die Thorheiten abzulegen, bey denen es ſich alle- mahl ſo wohl befunden hat. Wenn demnach auch die Abſichten der guten Scribenten noch ſo boͤſe waͤ- ren, ſo haͤtte man doch keine Urſache dawider zu eyfern; weil nicht zu beſorgen iſt, daß die Welt ih- rem verfuͤhriſchen Geſchwaͤtze Gehoͤr geben werden. Meine Widerſacher koͤnnen alſo glauben, daß alles, was ich bißher wider ſie geſchrieben habe, nicht auf ihre Verunglimpfung ziele. Jch bin zu frieden, wenn meine Leſer nur erkennen, daß die Vernunft ſchaͤdlich ſey. Jch habe dieſes, deucht mich klaͤrlich erwieſen, und getraue es mir gegen unſere Feinde zu behaupten, wenn ich auch gleich zugaͤbe, daß die buͤrgerliche Geſell- ſchaft durch einen unmaͤſſigen Gebrauch der Ver- nunft nicht aufgehoben werde. Denn es bleibt doch allemahl gewiß, daß die Vernunft eine Ei- genſchaft iſt, die einen Menſchen ſehr ungeſchickt macht, ein Glied der buͤrgerlichen Geſellſchaft, und der wahren Kirche zu ſeyn. Ein Buͤrger muß gehorchen, und ein Chriſt muß glauben. Wer ſeiner Vernunft nachhaͤnget, der J i

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/589>, abgerufen am 22.11.2024.