machen, und wir nimmer das Vergnügen haben würden, eine Zeile von ihnen zu sehen.
Und dennoch schämen diese Leute sich nicht, von uns zu verlangen, daß wir die Vernunft gebrau- chen sollen, die sie selbst, so oft sie schreiben, aus den Augen setzen müssen, die alle Tugend aufhe- bet, allen tapfern, und zum Besten des Staats, und der Kirche nöthigen Unternehmungen entgegen, und gar so schädlich ist, daß man, ohne Gefahr zu irren, sagen kan, sie würde, wenn sie einmahl über die Afecten die Oberhand bekommen solte, die allergefährlichste Veränderung, so jemahls in der Welt geschehen ist, verursachen, und das unterste zu oberst kehren. Denn wenn die Menschen sich nicht mehr von ihren Afecten regieren liessen, son- dern bloß der Vernunft folgten, so wäre es um die Thorheiten geschehen, denen wir eintzig und allein unsere Verfassungen, und gute Ordnungen zu dan- cken haben. So bald ein jeder ungezwungen thut, was er zu thun schuldig ist, und freywillig, wie es die Vernunft erfordert, die Regeln der Gerechtig- keit, der Ehrbarkeit, und des Wohlstandes beob- achtet, braucht man weder Strafe, noch Beloh- nung, noch Ermahnung; folglich weder Regenten noch Lehrer. Ein allgemeiner, und immerwäh- render Gebrauch der Vernunft führt einen bestän- digen Frieden mit sich und schliesset allen Krieg, al- len Streit, und alle Uneinigkeit aus. Man braucht also weder Soldaten, noch Richter, noch Advo- caten. Fällt die Begierde nach Reichthum weg, so liegt aller Handel und Wandel: Und wie viele Menschen sind nicht in der Welt, die sich bloß von
der
(o)
machen, und wir nimmer das Vergnuͤgen haben wuͤrden, eine Zeile von ihnen zu ſehen.
Und dennoch ſchaͤmen dieſe Leute ſich nicht, von uns zu verlangen, daß wir die Vernunft gebrau- chen ſollen, die ſie ſelbſt, ſo oft ſie ſchreiben, aus den Augen ſetzen muͤſſen, die alle Tugend aufhe- bet, allen tapfern, und zum Beſten des Staats, und der Kirche noͤthigen Unternehmungen entgegen, und gar ſo ſchaͤdlich iſt, daß man, ohne Gefahr zu irren, ſagen kan, ſie wuͤrde, wenn ſie einmahl uͤber die Afecten die Oberhand bekommen ſolte, die allergefaͤhrlichſte Veraͤnderung, ſo jemahls in der Welt geſchehen iſt, verurſachen, und das unterſte zu oberſt kehren. Denn wenn die Menſchen ſich nicht mehr von ihren Afecten regieren lieſſen, ſon- dern bloß der Vernunft folgten, ſo waͤre es um die Thorheiten geſchehen, denen wir eintzig und allein unſere Verfaſſungen, und gute Ordnungen zu dan- cken haben. So bald ein jeder ungezwungen thut, was er zu thun ſchuldig iſt, und freywillig, wie es die Vernunft erfordert, die Regeln der Gerechtig- keit, der Ehrbarkeit, und des Wohlſtandes beob- achtet, braucht man weder Strafe, noch Beloh- nung, noch Ermahnung; folglich weder Regenten noch Lehrer. Ein allgemeiner, und immerwaͤh- render Gebrauch der Vernunft fuͤhrt einen beſtaͤn- digen Frieden mit ſich und ſchlieſſet allen Krieg, al- len Streit, und alle Uneinigkeit aus. Man braucht alſo weder Soldaten, noch Richter, noch Advo- caten. Faͤllt die Begierde nach Reichthum weg, ſo liegt aller Handel und Wandel: Und wie viele Menſchen ſind nicht in der Welt, die ſich bloß von
der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0587"n="495"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
machen, und wir nimmer das Vergnuͤgen haben<lb/>
wuͤrden, eine Zeile von ihnen zu ſehen.</p><lb/><p>Und dennoch ſchaͤmen dieſe Leute ſich nicht, von<lb/>
uns zu verlangen, daß wir die Vernunft gebrau-<lb/>
chen ſollen, die ſie ſelbſt, ſo oft ſie ſchreiben, aus<lb/>
den Augen ſetzen muͤſſen, die alle Tugend aufhe-<lb/>
bet, allen tapfern, und zum Beſten des Staats,<lb/>
und der Kirche noͤthigen Unternehmungen entgegen,<lb/>
und gar ſo ſchaͤdlich iſt, daß man, ohne Gefahr zu<lb/>
irren, ſagen kan, ſie wuͤrde, wenn ſie einmahl<lb/>
uͤber die Afecten die Oberhand bekommen ſolte, die<lb/>
allergefaͤhrlichſte Veraͤnderung, ſo jemahls in der<lb/>
Welt geſchehen iſt, verurſachen, und das unterſte<lb/>
zu oberſt kehren. Denn wenn die Menſchen ſich<lb/>
nicht mehr von ihren Afecten regieren lieſſen, ſon-<lb/>
dern bloß der Vernunft folgten, ſo waͤre es um die<lb/>
Thorheiten geſchehen, denen wir eintzig und allein<lb/>
unſere Verfaſſungen, und gute Ordnungen zu dan-<lb/>
cken haben. So bald ein jeder ungezwungen thut,<lb/>
was er zu thun ſchuldig iſt, und freywillig, wie es<lb/>
die Vernunft erfordert, die Regeln der Gerechtig-<lb/>
keit, der Ehrbarkeit, und des Wohlſtandes beob-<lb/>
achtet, braucht man weder Strafe, noch Beloh-<lb/>
nung, noch Ermahnung; folglich weder Regenten<lb/>
noch Lehrer. Ein allgemeiner, und immerwaͤh-<lb/>
render Gebrauch der Vernunft fuͤhrt einen beſtaͤn-<lb/>
digen Frieden mit ſich und ſchlieſſet allen Krieg, al-<lb/>
len Streit, und alle Uneinigkeit aus. Man braucht<lb/>
alſo weder Soldaten, noch Richter, noch Advo-<lb/>
caten. Faͤllt die Begierde nach Reichthum weg,<lb/>ſo liegt aller Handel und Wandel: Und wie viele<lb/>
Menſchen ſind nicht in der Welt, die ſich bloß von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[495/0587]
(o)
machen, und wir nimmer das Vergnuͤgen haben
wuͤrden, eine Zeile von ihnen zu ſehen.
Und dennoch ſchaͤmen dieſe Leute ſich nicht, von
uns zu verlangen, daß wir die Vernunft gebrau-
chen ſollen, die ſie ſelbſt, ſo oft ſie ſchreiben, aus
den Augen ſetzen muͤſſen, die alle Tugend aufhe-
bet, allen tapfern, und zum Beſten des Staats,
und der Kirche noͤthigen Unternehmungen entgegen,
und gar ſo ſchaͤdlich iſt, daß man, ohne Gefahr zu
irren, ſagen kan, ſie wuͤrde, wenn ſie einmahl
uͤber die Afecten die Oberhand bekommen ſolte, die
allergefaͤhrlichſte Veraͤnderung, ſo jemahls in der
Welt geſchehen iſt, verurſachen, und das unterſte
zu oberſt kehren. Denn wenn die Menſchen ſich
nicht mehr von ihren Afecten regieren lieſſen, ſon-
dern bloß der Vernunft folgten, ſo waͤre es um die
Thorheiten geſchehen, denen wir eintzig und allein
unſere Verfaſſungen, und gute Ordnungen zu dan-
cken haben. So bald ein jeder ungezwungen thut,
was er zu thun ſchuldig iſt, und freywillig, wie es
die Vernunft erfordert, die Regeln der Gerechtig-
keit, der Ehrbarkeit, und des Wohlſtandes beob-
achtet, braucht man weder Strafe, noch Beloh-
nung, noch Ermahnung; folglich weder Regenten
noch Lehrer. Ein allgemeiner, und immerwaͤh-
render Gebrauch der Vernunft fuͤhrt einen beſtaͤn-
digen Frieden mit ſich und ſchlieſſet allen Krieg, al-
len Streit, und alle Uneinigkeit aus. Man braucht
alſo weder Soldaten, noch Richter, noch Advo-
caten. Faͤllt die Begierde nach Reichthum weg,
ſo liegt aller Handel und Wandel: Und wie viele
Menſchen ſind nicht in der Welt, die ſich bloß von
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/587>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.