del aufs gröbste zu verletzen. Wo dieses nicht Mücken seigen, und Cameele verschlucken ist, so weiß ichs nicht.
Jndessen haben wir eben nicht Ursache, uns über diese Unbilligkeit zu betrüben. Denn eben dieses widersinnige Betragen unserer Feinde muß zu un- serer Rechtfertigung dienen. Sie geben eines theils dadurch zu erkennen, daß es nicht allemahl nöthig sey, seine Vernunft zu gebrauchen, und können al- so unmöglich eine gute Ursache anführen, warum sie es von uns, als eine unumgängliche Nothwendig- keit, fordern: Und andern theils kan man daraus, daß sie zu Thorheiten von anderer Gattung, als die unsern, still schweigen, und, bey Gelegenheit, dieselbe mit machen, deutlich abnehmen, daß ihr ei- gen Gewissen ihnen sage, wie schädlich es sey, der Vernunft in allen Stücken zu folgen.
Einer, der das Unglück hat, so weit zu verfal- len, beraubet sich selbst alles Vergnügens, dessen ein Mensch hier auf Erden geniessen. kan. Denn die tiefe Einsicht, welche er, durch einen unmässigen Gebrauch seiner Vernunft, in den wahren Werth aller irrdischen Dinge bekömmt, benimmt ihm ge- wisse Vorurtheile, ohne welche man nicht glücklich seyn kan. Montaigne sagt (13): Une ame garan-" tie de prejuge, a un merveilleux advancement" vers la tranquillite;" und daher sehen wir auch, daß der Pöbel, der sich begnüget, alles nur von aus- sen anzusehen, mit dem gemeinen Lauf der Welt zu frieden ist, und die Mühseeligkeit des menschlichen
Lebens,
(13)Essais de Montaigne Liv. II. Chap. 12. pag. 313.
(o)
del aufs groͤbſte zu verletzen. Wo dieſes nicht Muͤcken ſeigen, und Cameele verſchlucken iſt, ſo weiß ichs nicht.
Jndeſſen haben wir eben nicht Urſache, uns uͤber dieſe Unbilligkeit zu betruͤben. Denn eben dieſes widerſinnige Betragen unſerer Feinde muß zu un- ſerer Rechtfertigung dienen. Sie geben eines theils dadurch zu erkennen, daß es nicht allemahl noͤthig ſey, ſeine Vernunft zu gebrauchen, und koͤnnen al- ſo unmoͤglich eine gute Urſache anfuͤhren, warum ſie es von uns, als eine unumgaͤngliche Nothwendig- keit, fordern: Und andern theils kan man daraus, daß ſie zu Thorheiten von anderer Gattung, als die unſern, ſtill ſchweigen, und, bey Gelegenheit, dieſelbe mit machen, deutlich abnehmen, daß ihr ei- gen Gewiſſen ihnen ſage, wie ſchaͤdlich es ſey, der Vernunft in allen Stuͤcken zu folgen.
Einer, der das Ungluͤck hat, ſo weit zu verfal- len, beraubet ſich ſelbſt alles Vergnuͤgens, deſſen ein Menſch hier auf Erden genieſſen. kan. Denn die tiefe Einſicht, welche er, durch einen unmaͤſſigen Gebrauch ſeiner Vernunft, in den wahren Werth aller irrdiſchen Dinge bekoͤmmt, benimmt ihm ge- wiſſe Vorurtheile, ohne welche man nicht gluͤcklich ſeyn kan. Montaigne ſagt (13): Une âme garan-“ tie de prejugé, a un merveilleux advancement„ vers la tranquillité;” und daher ſehen wir auch, daß der Poͤbel, der ſich begnuͤget, alles nur von auſ- ſen anzuſehen, mit dem gemeinen Lauf der Welt zu frieden iſt, und die Muͤhſeeligkeit des menſchlichen
Lebens,
(13)Eſſais de Montaigne Liv. II. Chap. 12. pag. 313.
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(o)
del aufs groͤbſte zu verletzen. Wo dieſes nicht
Muͤcken ſeigen, und Cameele verſchlucken iſt, ſo
weiß ichs nicht.
Jndeſſen haben wir eben nicht Urſache, uns uͤber
dieſe Unbilligkeit zu betruͤben. Denn eben dieſes
widerſinnige Betragen unſerer Feinde muß zu un-
ſerer Rechtfertigung dienen. Sie geben eines theils
dadurch zu erkennen, daß es nicht allemahl noͤthig
ſey, ſeine Vernunft zu gebrauchen, und koͤnnen al-
ſo unmoͤglich eine gute Urſache anfuͤhren, warum ſie
es von uns, als eine unumgaͤngliche Nothwendig-
keit, fordern: Und andern theils kan man daraus,
daß ſie zu Thorheiten von anderer Gattung, als
die unſern, ſtill ſchweigen, und, bey Gelegenheit,
dieſelbe mit machen, deutlich abnehmen, daß ihr ei-
gen Gewiſſen ihnen ſage, wie ſchaͤdlich es ſey, der
Vernunft in allen Stuͤcken zu folgen.
Einer, der das Ungluͤck hat, ſo weit zu verfal-
len, beraubet ſich ſelbſt alles Vergnuͤgens, deſſen
ein Menſch hier auf Erden genieſſen. kan. Denn
die tiefe Einſicht, welche er, durch einen unmaͤſſigen
Gebrauch ſeiner Vernunft, in den wahren Werth
aller irrdiſchen Dinge bekoͤmmt, benimmt ihm ge-
wiſſe Vorurtheile, ohne welche man nicht gluͤcklich
ſeyn kan. Montaigne ſagt (13): Une âme garan-“
tie de prejugé, a un merveilleux advancement„
vers la tranquillité;” und daher ſehen wir auch,
daß der Poͤbel, der ſich begnuͤget, alles nur von auſ-
ſen anzuſehen, mit dem gemeinen Lauf der Welt zu
frieden iſt, und die Muͤhſeeligkeit des menſchlichen
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(13) Eſſais de Montaigne Liv. II. Chap. 12. pag. 313.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/583>, abgerufen am 25.11.2024.
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