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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Beschreibung alsdann die Schlüsse machen, die zu
ihrem Zwecke dienlich sind. Sie wissen sich recht
groß mit diesem Verfahren, weil sie glauben, daß,
auf solche Art, alle Zweydeutigkeit am besten vermie-
den werde, und ihre Schriften denjenigen Grad
der Vollkommenheit erlangen, den sie haben müs-
sen, wenn man sie loben soll.

Jch will ihnen diese angenehme Einbildung ger-
ne lassen: Aber ich glaube ihr eigen Gewissen wird
ihnen sagen, daß ihre Art zu schreiben höchst müh-
sam sey, und sie nicht nur vieler Freyheiten berau-
be; sondern ihnen auch manche, zur Zeit der An-
fechtung unentbehrliche, Ausflucht beschneide. Meine
vortrefliche Brüder zum wenigsten haben es zu al-
len Zeiten vor eine unerträgliche Last, und schänd-
liche Sclaverey gehalten, daß ein Scribent alle-
mahl verbunden seyn sollte, seinen Lesern deutlich zu
sagen, was er haben wolle: Und ich hätte also,
wenn ich arg wolte, völlige Freyheit, nicht zu sagen,
was ich durch einen elenden Scribenten verstehe:
Allein weil ich besorgen muß, daß unsere Wider-
sacher daher Anlaß nehmen möchten, meine Schrift,
ihrer Gründlichkeit und Vortreflichkeit ungeachtet,
bey der Welt, als ein verworrenes Gewächse, aus-
zuschreyen: So will ich mich, dieses mahl, meines
Rechts begeben, und eine Beschreibung eines elen-
den Scribenten zum Grunde meiner Abhandlung
legen, mit welcher alle Welt zu frieden seyn wird.
Jch bitte aber meine Brüder um Vergebung, daß
ich dem löblichen Herkommen, welches bey uns so
viel gilt, als ein Gesetze, entgegen handele. Sie
können glauben, daß ich mich, bloß zu ihrem Be-

sten

(o)
Beſchreibung alsdann die Schluͤſſe machen, die zu
ihrem Zwecke dienlich ſind. Sie wiſſen ſich recht
groß mit dieſem Verfahren, weil ſie glauben, daß,
auf ſolche Art, alle Zweydeutigkeit am beſten vermie-
den werde, und ihre Schriften denjenigen Grad
der Vollkommenheit erlangen, den ſie haben muͤſ-
ſen, wenn man ſie loben ſoll.

Jch will ihnen dieſe angenehme Einbildung ger-
ne laſſen: Aber ich glaube ihr eigen Gewiſſen wird
ihnen ſagen, daß ihre Art zu ſchreiben hoͤchſt muͤh-
ſam ſey, und ſie nicht nur vieler Freyheiten berau-
be; ſondern ihnen auch manche, zur Zeit der An-
fechtung unentbehrliche, Ausflucht beſchneide. Meine
vortrefliche Bruͤder zum wenigſten haben es zu al-
len Zeiten vor eine unertraͤgliche Laſt, und ſchaͤnd-
liche Sclaverey gehalten, daß ein Scribent alle-
mahl verbunden ſeyn ſollte, ſeinen Leſern deutlich zu
ſagen, was er haben wolle: Und ich haͤtte alſo,
wenn ich arg wolte, voͤllige Freyheit, nicht zu ſagen,
was ich durch einen elenden Scribenten verſtehe:
Allein weil ich beſorgen muß, daß unſere Wider-
ſacher daher Anlaß nehmen moͤchten, meine Schrift,
ihrer Gruͤndlichkeit und Vortreflichkeit ungeachtet,
bey der Welt, als ein verworrenes Gewaͤchſe, aus-
zuſchreyen: So will ich mich, dieſes mahl, meines
Rechts begeben, und eine Beſchreibung eines elen-
den Scribenten zum Grunde meiner Abhandlung
legen, mit welcher alle Welt zu frieden ſeyn wird.
Jch bitte aber meine Bruͤder um Vergebung, daß
ich dem loͤblichen Herkommen, welches bey uns ſo
viel gilt, als ein Geſetze, entgegen handele. Sie
koͤnnen glauben, daß ich mich, bloß zu ihrem Be-

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[484/0576] (o) Beſchreibung alsdann die Schluͤſſe machen, die zu ihrem Zwecke dienlich ſind. Sie wiſſen ſich recht groß mit dieſem Verfahren, weil ſie glauben, daß, auf ſolche Art, alle Zweydeutigkeit am beſten vermie- den werde, und ihre Schriften denjenigen Grad der Vollkommenheit erlangen, den ſie haben muͤſ- ſen, wenn man ſie loben ſoll. Jch will ihnen dieſe angenehme Einbildung ger- ne laſſen: Aber ich glaube ihr eigen Gewiſſen wird ihnen ſagen, daß ihre Art zu ſchreiben hoͤchſt muͤh- ſam ſey, und ſie nicht nur vieler Freyheiten berau- be; ſondern ihnen auch manche, zur Zeit der An- fechtung unentbehrliche, Ausflucht beſchneide. Meine vortrefliche Bruͤder zum wenigſten haben es zu al- len Zeiten vor eine unertraͤgliche Laſt, und ſchaͤnd- liche Sclaverey gehalten, daß ein Scribent alle- mahl verbunden ſeyn ſollte, ſeinen Leſern deutlich zu ſagen, was er haben wolle: Und ich haͤtte alſo, wenn ich arg wolte, voͤllige Freyheit, nicht zu ſagen, was ich durch einen elenden Scribenten verſtehe: Allein weil ich beſorgen muß, daß unſere Wider- ſacher daher Anlaß nehmen moͤchten, meine Schrift, ihrer Gruͤndlichkeit und Vortreflichkeit ungeachtet, bey der Welt, als ein verworrenes Gewaͤchſe, aus- zuſchreyen: So will ich mich, dieſes mahl, meines Rechts begeben, und eine Beſchreibung eines elen- den Scribenten zum Grunde meiner Abhandlung legen, mit welcher alle Welt zu frieden ſeyn wird. Jch bitte aber meine Bruͤder um Vergebung, daß ich dem loͤblichen Herkommen, welches bey uns ſo viel gilt, als ein Geſetze, entgegen handele. Sie koͤnnen glauben, daß ich mich, bloß zu ihrem Be- ſten

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/576>, abgerufen am 22.11.2024.