weiß, und nicht mehr fühlet, daß er lebet, der ist gantz gewiß todt. Daß aber der Herr Prof. Phi- lippi sich in einem solchem Zustande befinde, ist da- her klar, weil er sich nicht getrauet, die Frage: Ob er lebe, oder todt sey? selbst zu entscheiden; sondern sich ein Bedencken von andern darüber ausbittet. Jch bedaure, daß er nicht zu mir gekommen ist. Jch hätte ihm aus dem Traum helfen können: Denn ich habe ihn sterben, und seinen erblaßten Cörper in die Grust sencken sehen, welches Dinge sind, die er unmöglich wissen kan. Diejenigen hergegen, zu welchen er sich gewendet hat, wissen von nichts, und können auch, natürlicher Weise, von seinem Leben nicht mehr wissen, als er selbst: Und dennoch schä- men sich diese Leute nicht zu behaupten, der Herr Prof. Philippi lebe, ob gleich dieser ehrliche Mann aufrichtig bekennet, daß er selbst nichts davon weiß. Jst es nicht eine entsetzliche Frechheit?
Jch sollte nicht meinen, daß jemand so unver- schämt seyn werde, mir hier einzuwerfen: Der Herr Prof. Philippi habe meine Nachricht von sei- nem Tode dadurch schon genug wiederleget, daß er einen Brief geschrieben; und also nicht nöthig ge- habt, zu sagen, daß er lebe, und meine Nachricht falsch sey. Denn dieser Einwurf würde gar zu elend seyn. Jndessen, weil ich gewohnt bin, gründlich zu verfahren, und meinen Gegnern alle Ausflüchte zu beschneiden; so will ich mich die Mühe nicht verdries- sen lassen, mit wenigen darauf zu antworten. Jch sage demnach, daß es eben nicht nothwendig folge, daß ein Mensch, der einen Brief geschrieben hat, noch lebe. Wir haben gantze Bücher von Briefen
der
(o)
weiß, und nicht mehr fuͤhlet, daß er lebet, der iſt gantz gewiß todt. Daß aber der Herr Prof. Phi- lippi ſich in einem ſolchem Zuſtande befinde, iſt da- her klar, weil er ſich nicht getrauet, die Frage: Ob er lebe, oder todt ſey? ſelbſt zu entſcheiden; ſondern ſich ein Bedencken von andern daruͤber ausbittet. Jch bedaure, daß er nicht zu mir gekommen iſt. Jch haͤtte ihm aus dem Traum helfen koͤnnen: Denn ich habe ihn ſterben, und ſeinen erblaßten Coͤrper in die Gruſt ſencken ſehen, welches Dinge ſind, die er unmoͤglich wiſſen kan. Diejenigen hergegen, zu welchen er ſich gewendet hat, wiſſen von nichts, und koͤnnen auch, natuͤrlicher Weiſe, von ſeinem Leben nicht mehr wiſſen, als er ſelbſt: Und dennoch ſchaͤ- men ſich dieſe Leute nicht zu behaupten, der Herr Prof. Philippi lebe, ob gleich dieſer ehrliche Mann aufrichtig bekennet, daß er ſelbſt nichts davon weiß. Jſt es nicht eine entſetzliche Frechheit?
Jch ſollte nicht meinen, daß jemand ſo unver- ſchaͤmt ſeyn werde, mir hier einzuwerfen: Der Herr Prof. Philippi habe meine Nachricht von ſei- nem Tode dadurch ſchon genug wiederleget, daß er einen Brief geſchrieben; und alſo nicht noͤthig ge- habt, zu ſagen, daß er lebe, und meine Nachricht falſch ſey. Denn dieſer Einwurf wuͤrde gar zu elend ſeyn. Jndeſſen, weil ich gewohnt bin, gruͤndlich zu verfahren, und meinen Gegnern alle Ausfluͤchte zu beſchneiden; ſo will ich mich die Muͤhe nicht verdrieſ- ſen laſſen, mit wenigen darauf zu antworten. Jch ſage demnach, daß es eben nicht nothwendig folge, daß ein Menſch, der einen Brief geſchrieben hat, noch lebe. Wir haben gantze Buͤcher von Briefen
der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0562"n="470"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
weiß, und nicht mehr fuͤhlet, daß er lebet, der iſt<lb/>
gantz gewiß todt. Daß aber der Herr Prof. Phi-<lb/>
lippi ſich in einem ſolchem Zuſtande befinde, iſt da-<lb/>
her klar, weil er ſich nicht getrauet, die Frage: Ob<lb/>
er lebe, oder todt ſey? ſelbſt zu entſcheiden; ſondern<lb/>ſich ein Bedencken von andern daruͤber ausbittet.<lb/>
Jch bedaure, daß er nicht zu mir gekommen iſt. Jch<lb/>
haͤtte ihm aus dem Traum helfen koͤnnen: Denn ich<lb/>
habe ihn ſterben, und ſeinen erblaßten Coͤrper in die<lb/>
Gruſt ſencken ſehen, welches Dinge ſind, die er<lb/>
unmoͤglich wiſſen kan. Diejenigen hergegen, zu<lb/>
welchen er ſich gewendet hat, wiſſen von nichts, und<lb/>
koͤnnen auch, natuͤrlicher Weiſe, von ſeinem Leben<lb/>
nicht mehr wiſſen, als er ſelbſt: Und dennoch ſchaͤ-<lb/>
men ſich dieſe Leute nicht zu behaupten, der Herr<lb/>
Prof. Philippi lebe, ob gleich dieſer ehrliche Mann<lb/>
aufrichtig bekennet, daß er ſelbſt nichts davon weiß.<lb/>
Jſt es nicht eine entſetzliche Frechheit?</p><lb/><p>Jch ſollte nicht meinen, daß jemand ſo unver-<lb/>ſchaͤmt ſeyn werde, mir hier einzuwerfen: Der<lb/>
Herr Prof. Philippi habe meine Nachricht von ſei-<lb/>
nem Tode dadurch ſchon genug wiederleget, daß er<lb/>
einen Brief geſchrieben; und alſo nicht noͤthig ge-<lb/>
habt, zu ſagen, daß er lebe, und meine Nachricht<lb/>
falſch ſey. Denn dieſer Einwurf wuͤrde gar zu elend<lb/>ſeyn. Jndeſſen, weil ich gewohnt bin, gruͤndlich zu<lb/>
verfahren, und meinen Gegnern alle Ausfluͤchte zu<lb/>
beſchneiden; ſo will ich mich die Muͤhe nicht verdrieſ-<lb/>ſen laſſen, mit wenigen darauf zu antworten. Jch<lb/>ſage demnach, daß es eben nicht nothwendig folge,<lb/>
daß ein Menſch, der einen Brief geſchrieben hat,<lb/>
noch lebe. Wir haben gantze Buͤcher von Briefen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[470/0562]
(o)
weiß, und nicht mehr fuͤhlet, daß er lebet, der iſt
gantz gewiß todt. Daß aber der Herr Prof. Phi-
lippi ſich in einem ſolchem Zuſtande befinde, iſt da-
her klar, weil er ſich nicht getrauet, die Frage: Ob
er lebe, oder todt ſey? ſelbſt zu entſcheiden; ſondern
ſich ein Bedencken von andern daruͤber ausbittet.
Jch bedaure, daß er nicht zu mir gekommen iſt. Jch
haͤtte ihm aus dem Traum helfen koͤnnen: Denn ich
habe ihn ſterben, und ſeinen erblaßten Coͤrper in die
Gruſt ſencken ſehen, welches Dinge ſind, die er
unmoͤglich wiſſen kan. Diejenigen hergegen, zu
welchen er ſich gewendet hat, wiſſen von nichts, und
koͤnnen auch, natuͤrlicher Weiſe, von ſeinem Leben
nicht mehr wiſſen, als er ſelbſt: Und dennoch ſchaͤ-
men ſich dieſe Leute nicht zu behaupten, der Herr
Prof. Philippi lebe, ob gleich dieſer ehrliche Mann
aufrichtig bekennet, daß er ſelbſt nichts davon weiß.
Jſt es nicht eine entſetzliche Frechheit?
Jch ſollte nicht meinen, daß jemand ſo unver-
ſchaͤmt ſeyn werde, mir hier einzuwerfen: Der
Herr Prof. Philippi habe meine Nachricht von ſei-
nem Tode dadurch ſchon genug wiederleget, daß er
einen Brief geſchrieben; und alſo nicht noͤthig ge-
habt, zu ſagen, daß er lebe, und meine Nachricht
falſch ſey. Denn dieſer Einwurf wuͤrde gar zu elend
ſeyn. Jndeſſen, weil ich gewohnt bin, gruͤndlich zu
verfahren, und meinen Gegnern alle Ausfluͤchte zu
beſchneiden; ſo will ich mich die Muͤhe nicht verdrieſ-
ſen laſſen, mit wenigen darauf zu antworten. Jch
ſage demnach, daß es eben nicht nothwendig folge,
daß ein Menſch, der einen Brief geſchrieben hat,
noch lebe. Wir haben gantze Buͤcher von Briefen
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/562>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.