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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
wer sein Maul halten könnte! Bin ich nicht ein Narr
gewesen, daß ich mich mit den Leuten abgegeben?
Was gieng es mich an, ob - - - - Ach! ich mag
nicht mehr daran gedencken. Da liege ich nun, und
kan weder Hand noch Fußregen. Ja wer weiß, ob
mir meine ungereimte Begierde von allen Dingen
ohne Nachdencken zu plaudern, nicht das Leben
kosten wird?

Jch fiel ihm in die Rede, und sagte: Das hätte
nechst göttlicher Hülfe, keine Noth. Keine Noth?
erwiederte er: Jch muß am besten wissen, wie mir zu
Muthe ist. Doch was ist daran gelegen? Jch habe
wenig Freude in der Welt gehabt, und bin meines
Lebens so müde, daß es mir gleich viel ist, ob ich heu-
te oder morgen sterbe. Nur verdrießt es mich, daß
ich, durch meine eigene Schuld, so liederlich um
mein Leben komme, und mich die kurtze Zeit, die ich
in diesem Jammerthal gewallet, nicht vernünftiger
aufgeführet habe.

Wie ich ihn darauf frug: Was dann in seiner
Aufführung thörigtes wäre, das ihn so beunruhigte?
Sahe er mich starr an, und sprach: Was? Habe
ich nicht geschrieben? Ach! meine verfluchte
Schriften!
Jhre Schriften, wandte ich ein, wer-
den machen, daß Sie auch nach Jhrem Tode leben.
Ja wohl, war seine Antwort; aber sie werden auch
das Andencken meiner Thorheit verewigen, und das
ist es eben, was mich quälet. Jch suchte ihm diese
traurige Gedancken zu benehmen, und fieng an seine
Schriften zu loben: Allein er machte mir ein so ernst-
haftes Gesichte, daß ich bald wieder aufhörte. Mein
lieber Herr Doctor, sprach Er, schertzen Sie nicht

zur

(o)
wer ſein Maul halten koͤnnte! Bin ich nicht ein Narr
geweſen, daß ich mich mit den Leuten abgegeben?
Was gieng es mich an, ob ‒ ‒ ‒ ‒ Ach! ich mag
nicht mehr daran gedencken. Da liege ich nun, und
kan weder Hand noch Fußregen. Ja wer weiß, ob
mir meine ungereimte Begierde von allen Dingen
ohne Nachdencken zu plaudern, nicht das Leben
koſten wird?

Jch fiel ihm in die Rede, und ſagte: Das haͤtte
nechſt goͤttlicher Huͤlfe, keine Noth. Keine Noth?
erwiederte er: Jch muß am beſten wiſſen, wie mir zu
Muthe iſt. Doch was iſt daran gelegen? Jch habe
wenig Freude in der Welt gehabt, und bin meines
Lebens ſo muͤde, daß es mir gleich viel iſt, ob ich heu-
te oder morgen ſterbe. Nur verdrießt es mich, daß
ich, durch meine eigene Schuld, ſo liederlich um
mein Leben komme, und mich die kurtze Zeit, die ich
in dieſem Jammerthal gewallet, nicht vernuͤnftiger
aufgefuͤhret habe.

Wie ich ihn darauf frug: Was dann in ſeiner
Auffuͤhrung thoͤrigtes waͤre, das ihn ſo beunruhigte?
Sahe er mich ſtarr an, und ſprach: Was? Habe
ich nicht geſchrieben? Ach! meine verfluchte
Schriften!
Jhre Schriften, wandte ich ein, wer-
den machen, daß Sie auch nach Jhrem Tode leben.
Ja wohl, war ſeine Antwort; aber ſie werden auch
das Andencken meiner Thorheit verewigen, und das
iſt es eben, was mich quaͤlet. Jch ſuchte ihm dieſe
traurige Gedancken zu benehmen, und fieng an ſeine
Schriften zu loben: Allein er machte mir ein ſo ernſt-
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[445/0537] (o) wer ſein Maul halten koͤnnte! Bin ich nicht ein Narr geweſen, daß ich mich mit den Leuten abgegeben? Was gieng es mich an, ob ‒ ‒ ‒ ‒ Ach! ich mag nicht mehr daran gedencken. Da liege ich nun, und kan weder Hand noch Fußregen. Ja wer weiß, ob mir meine ungereimte Begierde von allen Dingen ohne Nachdencken zu plaudern, nicht das Leben koſten wird? Jch fiel ihm in die Rede, und ſagte: Das haͤtte nechſt goͤttlicher Huͤlfe, keine Noth. Keine Noth? erwiederte er: Jch muß am beſten wiſſen, wie mir zu Muthe iſt. Doch was iſt daran gelegen? Jch habe wenig Freude in der Welt gehabt, und bin meines Lebens ſo muͤde, daß es mir gleich viel iſt, ob ich heu- te oder morgen ſterbe. Nur verdrießt es mich, daß ich, durch meine eigene Schuld, ſo liederlich um mein Leben komme, und mich die kurtze Zeit, die ich in dieſem Jammerthal gewallet, nicht vernuͤnftiger aufgefuͤhret habe. Wie ich ihn darauf frug: Was dann in ſeiner Auffuͤhrung thoͤrigtes waͤre, das ihn ſo beunruhigte? Sahe er mich ſtarr an, und ſprach: Was? Habe ich nicht geſchrieben? Ach! meine verfluchte Schriften! Jhre Schriften, wandte ich ein, wer- den machen, daß Sie auch nach Jhrem Tode leben. Ja wohl, war ſeine Antwort; aber ſie werden auch das Andencken meiner Thorheit verewigen, und das iſt es eben, was mich quaͤlet. Jch ſuchte ihm dieſe traurige Gedancken zu benehmen, und fieng an ſeine Schriften zu loben: Allein er machte mir ein ſo ernſt- haftes Geſichte, daß ich bald wieder aufhoͤrte. Mein lieber Herr Doctor, ſprach Er, ſchertzen Sie nicht zur

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/537>, abgerufen am 22.11.2024.