Beyspiel zu folgen. Was hättest du machen wollen, grosser Philippi, wenn du in derjenigen Gelassenheit geblieben wärest, mit welcher sich unsere Feinde groß wissen? Hättest du wohl das geringste wider die Lob- Rede des von Boxborn sagen können, wenn du dich nicht, nach den Regeln unserer Gesellschaft, des Ge- brauchs deines Verstandes auf eine Zeitlang ge- äussert, und die Wut, in der du dich befunden, deine Vernunft in gebührenden Schrancken gehal- ten, und sie verhindert hätte, dich in deinem wich- tigen Unternehmen durch ihre verdrießlichen Vorstellungen zu beunruhigen? Aber da nun ein gerechter Eyfer sich deiner Sinnen bemeistert, und deine Vernunft gefesselt hat, so hat deine er- hitzte Einbildungskraft freye Hände, und du sie- hest in der Lob-Rede des von Boxhorn die ungeheu- resten Thorheiten, ärgerliche Reden, strafbare Ausdrückungen, Religions-Spöttereyen, und ich weiß nicht was vor Greuel.
Du bildest dir ein, der Herr von Boxhorn ha- be dein Helden-Gedicht vor einen Ochsen-Käu- fer gescholten; obgleich ein jeder, der lesen kan, wohl siehet, daß er nur diejenigen, die von der Güte eines Verses aus dem Reim urtheilen, mit dem Ochsen-Käufern verglichen. Du ta- delst an dem Herrn von Boxhorn diejenigen Ge- berden, in welchen er dir nachgeahmet, z. E. daß er auf einem Beine gehüpfet. Du wirfst ihm als eine Thorheit vor, daß er gesagt, der Kö- nig müsse aus der Kutsche steigen, wenn er sich auf die Hertzen seiner Unterthanen lagern wolle; Da doch dieses nichts, als eine unge-
zwun-
C c 5
(o)
Beyſpiel zu folgen. Was haͤtteſt du machen wollen, groſſer Philippi, wenn du in derjenigen Gelaſſenheit geblieben waͤreſt, mit welcher ſich unſere Feinde groß wiſſen? Haͤtteſt du wohl das geringſte wider die Lob- Rede des von Boxborn ſagen koͤnnen, wenn du dich nicht, nach den Regeln unſerer Geſellſchaft, des Ge- brauchs deines Verſtandes auf eine Zeitlang ge- aͤuſſert, und die Wut, in der du dich befunden, deine Vernunft in gebuͤhrenden Schrancken gehal- ten, und ſie verhindert haͤtte, dich in deinem wich- tigen Unternehmen durch ihre verdrießlichen Vorſtellungen zu beunruhigen? Aber da nun ein gerechter Eyfer ſich deiner Sinnen bemeiſtert, und deine Vernunft gefeſſelt hat, ſo hat deine er- hitzte Einbildungskraft freye Haͤnde, und du ſie- heſt in der Lob-Rede des von Boxhorn die ungeheu- reſten Thorheiten, aͤrgerliche Reden, ſtrafbare Ausdruͤckungen, Religions-Spoͤttereyen, und ich weiß nicht was vor Greuel.
Du bildeſt dir ein, der Herr von Boxhorn ha- be dein Helden-Gedicht vor einen Ochſen-Kaͤu- fer geſcholten; obgleich ein jeder, der leſen kan, wohl ſiehet, daß er nur diejenigen, die von der Guͤte eines Verſes aus dem Reim urtheilen, mit dem Ochſen-Kaͤufern verglichen. Du ta- delſt an dem Herrn von Boxhorn diejenigen Ge- berden, in welchen er dir nachgeahmet, z. E. daß er auf einem Beine gehuͤpfet. Du wirfſt ihm als eine Thorheit vor, daß er geſagt, der Koͤ- nig muͤſſe aus der Kutſche ſteigen, wenn er ſich auf die Hertzen ſeiner Unterthanen lagern wolle; Da doch dieſes nichts, als eine unge-
zwun-
C c 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0501"n="409"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Beyſpiel zu folgen. Was haͤtteſt du machen wollen,<lb/>
groſſer Philippi, wenn du in derjenigen Gelaſſenheit<lb/>
geblieben waͤreſt, mit welcher ſich unſere Feinde groß<lb/>
wiſſen? Haͤtteſt du wohl das geringſte wider die Lob-<lb/>
Rede des von Boxborn ſagen koͤnnen, wenn du dich<lb/>
nicht, nach den Regeln unſerer Geſellſchaft, des <hirendition="#fr">Ge-<lb/>
brauchs</hi> deines <hirendition="#fr">Verſtandes</hi> auf eine Zeitlang <hirendition="#fr">ge-<lb/>
aͤuſſert,</hi> und die Wut, in der du dich befunden, deine<lb/><hirendition="#fr">Vernunft</hi> in <hirendition="#fr">gebuͤhrenden Schrancken gehal-<lb/>
ten,</hi> und ſie verhindert haͤtte, dich in deinem <hirendition="#fr">wich-<lb/>
tigen</hi> Unternehmen durch ihre <hirendition="#fr">verdrießlichen<lb/>
Vorſtellungen</hi> zu beunruhigen? Aber da nun ein<lb/><hirendition="#fr">gerechter Eyfer</hi>ſich deiner <hirendition="#fr">Sinnen bemeiſtert,</hi><lb/>
und deine <hirendition="#fr">Vernunft gefeſſelt hat,</hi>ſo hat deine <hirendition="#fr">er-<lb/>
hitzte Einbildungskraft</hi> freye Haͤnde, und du ſie-<lb/>
heſt in der Lob-Rede des von Boxhorn die <hirendition="#fr">ungeheu-<lb/>
reſten Thorheiten, aͤrgerliche Reden, ſtrafbare<lb/>
Ausdruͤckungen, Religions-Spoͤttereyen,</hi><lb/>
und ich weiß nicht was vor <hirendition="#fr">Greuel.</hi></p><lb/><p>Du bildeſt dir ein, der Herr von Boxhorn ha-<lb/>
be dein <hirendition="#fr">Helden-Gedicht</hi> vor einen <hirendition="#fr">Ochſen-Kaͤu-<lb/>
fer</hi> geſcholten; obgleich ein jeder, <hirendition="#fr">der leſen kan,</hi><lb/>
wohl ſiehet, daß er nur diejenigen, <hirendition="#fr">die von der<lb/>
Guͤte eines Verſes aus</hi> dem <hirendition="#fr">Reim</hi> urtheilen,<lb/>
mit dem <hirendition="#fr">Ochſen-Kaͤufern</hi> verglichen. Du ta-<lb/>
delſt an dem Herrn von Boxhorn diejenigen <hirendition="#fr">Ge-<lb/>
berden,</hi> in welchen er dir <hirendition="#fr">nachgeahmet,</hi> z. E.<lb/>
daß er <hirendition="#fr">auf einem Beine gehuͤpfet.</hi> Du wirfſt<lb/>
ihm als eine Thorheit vor, daß er geſagt, der <hirendition="#fr">Koͤ-<lb/>
nig</hi> muͤſſe aus der <hirendition="#fr">Kutſche</hi>ſteigen, wenn er ſich<lb/>
auf die <hirendition="#fr">Hertzen ſeiner Unterthanen lagern</hi><lb/>
wolle; Da doch dieſes nichts, als eine <hirendition="#fr">unge-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">C c 5</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">zwun-</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[409/0501]
(o)
Beyſpiel zu folgen. Was haͤtteſt du machen wollen,
groſſer Philippi, wenn du in derjenigen Gelaſſenheit
geblieben waͤreſt, mit welcher ſich unſere Feinde groß
wiſſen? Haͤtteſt du wohl das geringſte wider die Lob-
Rede des von Boxborn ſagen koͤnnen, wenn du dich
nicht, nach den Regeln unſerer Geſellſchaft, des Ge-
brauchs deines Verſtandes auf eine Zeitlang ge-
aͤuſſert, und die Wut, in der du dich befunden, deine
Vernunft in gebuͤhrenden Schrancken gehal-
ten, und ſie verhindert haͤtte, dich in deinem wich-
tigen Unternehmen durch ihre verdrießlichen
Vorſtellungen zu beunruhigen? Aber da nun ein
gerechter Eyfer ſich deiner Sinnen bemeiſtert,
und deine Vernunft gefeſſelt hat, ſo hat deine er-
hitzte Einbildungskraft freye Haͤnde, und du ſie-
heſt in der Lob-Rede des von Boxhorn die ungeheu-
reſten Thorheiten, aͤrgerliche Reden, ſtrafbare
Ausdruͤckungen, Religions-Spoͤttereyen,
und ich weiß nicht was vor Greuel.
Du bildeſt dir ein, der Herr von Boxhorn ha-
be dein Helden-Gedicht vor einen Ochſen-Kaͤu-
fer geſcholten; obgleich ein jeder, der leſen kan,
wohl ſiehet, daß er nur diejenigen, die von der
Guͤte eines Verſes aus dem Reim urtheilen,
mit dem Ochſen-Kaͤufern verglichen. Du ta-
delſt an dem Herrn von Boxhorn diejenigen Ge-
berden, in welchen er dir nachgeahmet, z. E.
daß er auf einem Beine gehuͤpfet. Du wirfſt
ihm als eine Thorheit vor, daß er geſagt, der Koͤ-
nig muͤſſe aus der Kutſche ſteigen, wenn er ſich
auf die Hertzen ſeiner Unterthanen lagern
wolle; Da doch dieſes nichts, als eine unge-
zwun-
C c 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/501>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.