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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Beyspiel zu folgen. Was hättest du machen wollen,
grosser Philippi, wenn du in derjenigen Gelassenheit
geblieben wärest, mit welcher sich unsere Feinde groß
wissen? Hättest du wohl das geringste wider die Lob-
Rede des von Boxborn sagen können, wenn du dich
nicht, nach den Regeln unserer Gesellschaft, des Ge-
brauchs
deines Verstandes auf eine Zeitlang ge-
äussert,
und die Wut, in der du dich befunden, deine
Vernunft in gebührenden Schrancken gehal-
ten,
und sie verhindert hätte, dich in deinem wich-
tigen
Unternehmen durch ihre verdrießlichen
Vorstellungen
zu beunruhigen? Aber da nun ein
gerechter Eyfer sich deiner Sinnen bemeistert,
und deine Vernunft gefesselt hat, so hat deine er-
hitzte Einbildungskraft
freye Hände, und du sie-
hest in der Lob-Rede des von Boxhorn die ungeheu-
resten Thorheiten, ärgerliche Reden, strafbare
Ausdrückungen, Religions-Spöttereyen,

und ich weiß nicht was vor Greuel.

Du bildest dir ein, der Herr von Boxhorn ha-
be dein Helden-Gedicht vor einen Ochsen-Käu-
fer
gescholten; obgleich ein jeder, der lesen kan,
wohl siehet, daß er nur diejenigen, die von der
Güte eines Verses aus
dem Reim urtheilen,
mit dem Ochsen-Käufern verglichen. Du ta-
delst an dem Herrn von Boxhorn diejenigen Ge-
berden,
in welchen er dir nachgeahmet, z. E.
daß er auf einem Beine gehüpfet. Du wirfst
ihm als eine Thorheit vor, daß er gesagt, der Kö-
nig
müsse aus der Kutsche steigen, wenn er sich
auf die Hertzen seiner Unterthanen lagern
wolle; Da doch dieses nichts, als eine unge-

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(o)
Beyſpiel zu folgen. Was haͤtteſt du machen wollen,
groſſer Philippi, wenn du in derjenigen Gelaſſenheit
geblieben waͤreſt, mit welcher ſich unſere Feinde groß
wiſſen? Haͤtteſt du wohl das geringſte wider die Lob-
Rede des von Boxborn ſagen koͤnnen, wenn du dich
nicht, nach den Regeln unſerer Geſellſchaft, des Ge-
brauchs
deines Verſtandes auf eine Zeitlang ge-
aͤuſſert,
und die Wut, in der du dich befunden, deine
Vernunft in gebuͤhrenden Schrancken gehal-
ten,
und ſie verhindert haͤtte, dich in deinem wich-
tigen
Unternehmen durch ihre verdrießlichen
Vorſtellungen
zu beunruhigen? Aber da nun ein
gerechter Eyfer ſich deiner Sinnen bemeiſtert,
und deine Vernunft gefeſſelt hat, ſo hat deine er-
hitzte Einbildungskraft
freye Haͤnde, und du ſie-
heſt in der Lob-Rede des von Boxhorn die ungeheu-
reſten Thorheiten, aͤrgerliche Reden, ſtrafbare
Ausdruͤckungen, Religions-Spoͤttereyen,

und ich weiß nicht was vor Greuel.

Du bildeſt dir ein, der Herr von Boxhorn ha-
be dein Helden-Gedicht vor einen Ochſen-Kaͤu-
fer
geſcholten; obgleich ein jeder, der leſen kan,
wohl ſiehet, daß er nur diejenigen, die von der
Guͤte eines Verſes aus
dem Reim urtheilen,
mit dem Ochſen-Kaͤufern verglichen. Du ta-
delſt an dem Herrn von Boxhorn diejenigen Ge-
berden,
in welchen er dir nachgeahmet, z. E.
daß er auf einem Beine gehuͤpfet. Du wirfſt
ihm als eine Thorheit vor, daß er geſagt, der Koͤ-
nig
muͤſſe aus der Kutſche ſteigen, wenn er ſich
auf die Hertzen ſeiner Unterthanen lagern
wolle; Da doch dieſes nichts, als eine unge-

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[409/0501] (o) Beyſpiel zu folgen. Was haͤtteſt du machen wollen, groſſer Philippi, wenn du in derjenigen Gelaſſenheit geblieben waͤreſt, mit welcher ſich unſere Feinde groß wiſſen? Haͤtteſt du wohl das geringſte wider die Lob- Rede des von Boxborn ſagen koͤnnen, wenn du dich nicht, nach den Regeln unſerer Geſellſchaft, des Ge- brauchs deines Verſtandes auf eine Zeitlang ge- aͤuſſert, und die Wut, in der du dich befunden, deine Vernunft in gebuͤhrenden Schrancken gehal- ten, und ſie verhindert haͤtte, dich in deinem wich- tigen Unternehmen durch ihre verdrießlichen Vorſtellungen zu beunruhigen? Aber da nun ein gerechter Eyfer ſich deiner Sinnen bemeiſtert, und deine Vernunft gefeſſelt hat, ſo hat deine er- hitzte Einbildungskraft freye Haͤnde, und du ſie- heſt in der Lob-Rede des von Boxhorn die ungeheu- reſten Thorheiten, aͤrgerliche Reden, ſtrafbare Ausdruͤckungen, Religions-Spoͤttereyen, und ich weiß nicht was vor Greuel. Du bildeſt dir ein, der Herr von Boxhorn ha- be dein Helden-Gedicht vor einen Ochſen-Kaͤu- fer geſcholten; obgleich ein jeder, der leſen kan, wohl ſiehet, daß er nur diejenigen, die von der Guͤte eines Verſes aus dem Reim urtheilen, mit dem Ochſen-Kaͤufern verglichen. Du ta- delſt an dem Herrn von Boxhorn diejenigen Ge- berden, in welchen er dir nachgeahmet, z. E. daß er auf einem Beine gehuͤpfet. Du wirfſt ihm als eine Thorheit vor, daß er geſagt, der Koͤ- nig muͤſſe aus der Kutſche ſteigen, wenn er ſich auf die Hertzen ſeiner Unterthanen lagern wolle; Da doch dieſes nichts, als eine unge- zwun- C c 5

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/501>, abgerufen am 22.11.2024.