diatis, ne experiamini quidem. Non decet; non datum est, non potestis.(8)
Dieser Rath ist so böse nicht, und wenn wir uns entschliessen könnten, demselben zu folgen, so würden wir vieler Verdrießlichkeiten überhoben seyn. Allein es ist Schade, daß er von unsern Feinden herrühret. Sollen wir, unsern Verfolgern zu gefallen, eine Sa- che verschwören, ohne welche wir nicht seyn würden, was wir seyn müssen, wenn wir der Gemächlichkeiten und der Vortheile theilhaftig seyn wollen, die mit dem Caracter eines kleinen Geistes unauflößlich verknü- pfet sind? Dieses wird nimmer geschehen. Wir sind kleine Geister, und also nicht einmahl fähig, un- sere Mängel zu erkennen. Alle gute Rathschläge halten wir vor Verführung, und ein edler Eigen- sinn, der uns angebohren ist, und welchen wir mit dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns an, allezeit auf unserm Kopf zu bestehen, und unsern Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir spotten also, und werden immer spotten, ob wir gleich nicht dazu geschickt sind. Wer nicht lachen will, der kan es bleiben lassen. Es wird uns dieses um so viel lieber seyn, je mercklicher unsere Spöttereyen dadurch von den Spöttereyen der grossen Geister, mit welchen wir, Gewissens halber, nicht die gering- ste Aehnlichkeit haben können, unterschieden werden. Und können wirs dann nicht machen wie du, theurer Philippi, es in deinem Mathematischen Ver- such wider Wolfen gemacht hast, und alleine über unsere Einfälle lachen, daß uns der Bauch schüt- tert? Laß es seyn, daß wir manchmahl keine Ursache
darzu
(8)Cicero de Nat. Deor. Lib. I.
(o)
diatis, ne experiamini quidem. Non decet; non datum eſt, non poteſtis.(8)
Dieſer Rath iſt ſo boͤſe nicht, und wenn wir uns entſchlieſſen koͤnnten, demſelben zu folgen, ſo wuͤrden wir vieler Verdrießlichkeiten uͤberhoben ſeyn. Allein es iſt Schade, daß er von unſern Feinden herruͤhret. Sollen wir, unſern Verfolgern zu gefallen, eine Sa- che verſchwoͤren, ohne welche wir nicht ſeyn wuͤrden, was wir ſeyn muͤſſen, wenn wir der Gemaͤchlichkeiten und der Vortheile theilhaftig ſeyn wollen, die mit dem Caracter eines kleinen Geiſtes unaufloͤßlich verknuͤ- pfet ſind? Dieſes wird nimmer geſchehen. Wir ſind kleine Geiſter, und alſo nicht einmahl faͤhig, un- ſere Maͤngel zu erkennen. Alle gute Rathſchlaͤge halten wir vor Verfuͤhrung, und ein edler Eigen- ſinn, der uns angebohren iſt, und welchen wir mit dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns an, allezeit auf unſerm Kopf zu beſtehen, und unſern Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir ſpotten alſo, und werden immer ſpotten, ob wir gleich nicht dazu geſchickt ſind. Wer nicht lachen will, der kan es bleiben laſſen. Es wird uns dieſes um ſo viel lieber ſeyn, je mercklicher unſere Spoͤttereyen dadurch von den Spoͤttereyen der groſſen Geiſter, mit welchen wir, Gewiſſens halber, nicht die gering- ſte Aehnlichkeit haben koͤnnen, unterſchieden werden. Und koͤnnen wirs dann nicht machen wie du, theurer Philippi, es in deinem Mathematiſchen Ver- ſuch wider Wolfen gemacht haſt, und alleine uͤber unſere Einfaͤlle lachen, daß uns der Bauch ſchuͤt- tert? Laß es ſeyn, daß wir manchmahl keine Urſache
darzu
(8)Cicero de Nat. Deor. Lib. I.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><cit><quote><pbfacs="#f0455"n="363"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/><hirendition="#aq">diatis, ne experiamini quidem. <hirendition="#i">Non decet; non<lb/>
datum eſt, non poteſtis.</hi></hi><noteplace="foot"n="(8)"><hirendition="#aq">Cicero de Nat. Deor. Lib. I.</hi></note></quote></cit><lb/><p>Dieſer Rath iſt ſo boͤſe nicht, und wenn wir uns<lb/>
entſchlieſſen koͤnnten, demſelben zu folgen, ſo wuͤrden<lb/>
wir vieler Verdrießlichkeiten uͤberhoben ſeyn. Allein<lb/>
es iſt Schade, daß er von unſern Feinden herruͤhret.<lb/>
Sollen wir, unſern Verfolgern zu gefallen, eine Sa-<lb/>
che verſchwoͤren, ohne welche wir nicht ſeyn wuͤrden,<lb/>
was wir ſeyn muͤſſen, wenn wir der Gemaͤchlichkeiten<lb/>
und der Vortheile theilhaftig ſeyn wollen, die mit dem<lb/>
Caracter eines kleinen Geiſtes unaufloͤßlich verknuͤ-<lb/>
pfet ſind? Dieſes wird nimmer geſchehen. Wir<lb/>ſind kleine Geiſter, und alſo nicht einmahl faͤhig, un-<lb/>ſere Maͤngel zu erkennen. Alle gute Rathſchlaͤge<lb/>
halten wir vor Verfuͤhrung, und ein edler Eigen-<lb/>ſinn, der uns angebohren iſt, und welchen wir mit<lb/>
dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns<lb/>
an, allezeit auf unſerm Kopf zu beſtehen, und unſern<lb/>
Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir<lb/>ſpotten alſo, und werden immer ſpotten, ob wir<lb/>
gleich nicht dazu geſchickt ſind. Wer nicht lachen<lb/>
will, der kan es bleiben laſſen. Es wird uns dieſes um<lb/>ſo viel lieber ſeyn, je mercklicher unſere Spoͤttereyen<lb/>
dadurch von den Spoͤttereyen der groſſen Geiſter,<lb/>
mit welchen wir, Gewiſſens halber, nicht die gering-<lb/>ſte Aehnlichkeit haben koͤnnen, unterſchieden werden.<lb/>
Und koͤnnen wirs dann nicht machen wie du, theurer<lb/>
Philippi, es in deinem <hirendition="#fr">Mathematiſchen Ver-<lb/>ſuch</hi> wider Wolfen gemacht haſt, und alleine uͤber<lb/>
unſere Einfaͤlle lachen, daß uns der Bauch ſchuͤt-<lb/>
tert? Laß es ſeyn, daß wir manchmahl keine Urſache<lb/><fwplace="bottom"type="catch">darzu</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[363/0455]
(o)
diatis, ne experiamini quidem. Non decet; non
datum eſt, non poteſtis. (8)
Dieſer Rath iſt ſo boͤſe nicht, und wenn wir uns
entſchlieſſen koͤnnten, demſelben zu folgen, ſo wuͤrden
wir vieler Verdrießlichkeiten uͤberhoben ſeyn. Allein
es iſt Schade, daß er von unſern Feinden herruͤhret.
Sollen wir, unſern Verfolgern zu gefallen, eine Sa-
che verſchwoͤren, ohne welche wir nicht ſeyn wuͤrden,
was wir ſeyn muͤſſen, wenn wir der Gemaͤchlichkeiten
und der Vortheile theilhaftig ſeyn wollen, die mit dem
Caracter eines kleinen Geiſtes unaufloͤßlich verknuͤ-
pfet ſind? Dieſes wird nimmer geſchehen. Wir
ſind kleine Geiſter, und alſo nicht einmahl faͤhig, un-
ſere Maͤngel zu erkennen. Alle gute Rathſchlaͤge
halten wir vor Verfuͤhrung, und ein edler Eigen-
ſinn, der uns angebohren iſt, und welchen wir mit
dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns
an, allezeit auf unſerm Kopf zu beſtehen, und unſern
Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir
ſpotten alſo, und werden immer ſpotten, ob wir
gleich nicht dazu geſchickt ſind. Wer nicht lachen
will, der kan es bleiben laſſen. Es wird uns dieſes um
ſo viel lieber ſeyn, je mercklicher unſere Spoͤttereyen
dadurch von den Spoͤttereyen der groſſen Geiſter,
mit welchen wir, Gewiſſens halber, nicht die gering-
ſte Aehnlichkeit haben koͤnnen, unterſchieden werden.
Und koͤnnen wirs dann nicht machen wie du, theurer
Philippi, es in deinem Mathematiſchen Ver-
ſuch wider Wolfen gemacht haſt, und alleine uͤber
unſere Einfaͤlle lachen, daß uns der Bauch ſchuͤt-
tert? Laß es ſeyn, daß wir manchmahl keine Urſache
darzu
(8) Cicero de Nat. Deor. Lib. I.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/455>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.