Leute, denen die Ursache unserer Bestürtzung und un- seres Jammers unbekannt ist, schweren solten, daß uns unsere Landes-Mutter abgestorben sey.
Meine sämmtlichen hier versammleten Brüder sind, wie ich ihnen an ihren Augen angemercket habe, dreymahl im Begrif gewesen, unsern lieben Bruder, den von Boxhorn, zu verfluchen, weil er durch seine zwar wohlgemeinte, aber von Ew. Hoch-Edelgeb. so ungnädig aufgenommene Lob- Rede Ew. Hoch-Edelgeb. zu einem so fremden und unfreundlichen Bezeigen gegen unsere Gesell- schaft veranlasset hat, und es Ew. Hoch-Edelgeb. auf den Knien abzubitten, daß unsere Gesellschaft so nach- läßig gewesen, und nicht vorhero reiflich überleget, ob das Verfahren des von Boxhorn Ew. Hoch-Edel- geb. auch gefallen würde: Allein keiner von allen hat ein Wort aus seiner beklemmten Brust hervorbrin- gen können. Sie sind alle erstarret, sitzen mit niederge- schlagenen Augen, und die Furcht vor dem Grimm Ew. Hoch-Edelgeb. hat ihrer aller Zungen gelähmet. Was würde demnach daraus werden, wenn auch ich, dem es oblieget, das Wort vor unsere Gesellschaft zu führen, durch den Donner der ausserordentlichen Beredsamkeit, mit welcher Ew. Hoch-Edelgeb. ge- wohnt sind Wunder zu thun, so starck wäre gerühret worden? Würde nicht unsere Gesellschaft die Unhöf- lichkeit begehen, und Ew. Hoch-Edelgeb. ohne alle Antwort von sich lassen müssen?
Allein so bin ich, zu allem Glücke, noch so viel bey mir selbst, daß ich meiner Pflicht ein Genüge thun,
und
Z 2
(o)
Leute, denen die Urſache unſerer Beſtuͤrtzung und un- ſeres Jammers unbekannt iſt, ſchweren ſolten, daß uns unſere Landes-Mutter abgeſtorben ſey.
Meine ſaͤmmtlichen hier verſammleten Bruͤder ſind, wie ich ihnen an ihren Augen angemercket habe, dreymahl im Begrif geweſen, unſern lieben Bruder, den von Boxhorn, zu verfluchen, weil er durch ſeine zwar wohlgemeinte, aber von Ew. Hoch-Edelgeb. ſo ungnaͤdig aufgenommene Lob- Rede Ew. Hoch-Edelgeb. zu einem ſo fremden und unfreundlichen Bezeigen gegen unſere Geſell- ſchaft veranlaſſet hat, und es Ew. Hoch-Edelgeb. auf den Knien abzubitten, daß unſere Geſellſchaft ſo nach- laͤßig geweſen, und nicht vorhero reiflich uͤberleget, ob das Verfahren des von Boxhorn Ew. Hoch-Edel- geb. auch gefallen wuͤrde: Allein keiner von allen hat ein Wort aus ſeiner beklemmten Bruſt hervorbrin- gen koͤnnen. Sie ſind alle erſtarret, ſitzen mit niederge- ſchlagenen Augen, und die Furcht vor dem Grimm Ew. Hoch-Edelgeb. hat ihrer aller Zungen gelaͤhmet. Was wuͤrde demnach daraus werden, wenn auch ich, dem es oblieget, das Wort vor unſere Geſellſchaft zu fuͤhren, durch den Donner der auſſerordentlichen Beredſamkeit, mit welcher Ew. Hoch-Edelgeb. ge- wohnt ſind Wunder zu thun, ſo ſtarck waͤre geruͤhret worden? Wuͤrde nicht unſere Geſellſchaft die Unhoͤf- lichkeit begehen, und Ew. Hoch-Edelgeb. ohne alle Antwort von ſich laſſen muͤſſen?
Allein ſo bin ich, zu allem Gluͤcke, noch ſo viel bey mir ſelbſt, daß ich meiner Pflicht ein Genuͤge thun,
und
Z 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0447"n="355"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Leute, denen die Urſache unſerer Beſtuͤrtzung und un-<lb/>ſeres Jammers unbekannt iſt, ſchweren ſolten, daß<lb/>
uns unſere <hirendition="#fr">Landes-Mutter</hi> abgeſtorben ſey.</p><lb/><p>Meine ſaͤmmtlichen hier verſammleten Bruͤder<lb/>ſind, wie ich ihnen <hirendition="#fr">an ihren Augen angemercket<lb/>
habe,</hi> dreymahl im Begrif geweſen, unſern lieben<lb/>
Bruder, <hirendition="#fr">den von Boxhorn,</hi> zu verfluchen, weil er<lb/>
durch ſeine zwar <hirendition="#fr">wohlgemeinte,</hi> aber von Ew.<lb/>
Hoch-Edelgeb. ſo ungnaͤdig aufgenommene <hirendition="#fr">Lob-<lb/>
Rede</hi> Ew. Hoch-Edelgeb. zu einem ſo fremden und<lb/><hirendition="#fr">unfreundlichen Bezeigen</hi> gegen unſere Geſell-<lb/>ſchaft veranlaſſet hat, und es Ew. Hoch-Edelgeb. auf<lb/>
den Knien abzubitten, daß unſere Geſellſchaft ſo nach-<lb/>
laͤßig geweſen, und nicht vorhero reiflich uͤberleget, ob<lb/>
das Verfahren des <hirendition="#fr">von Boxhorn</hi> Ew. Hoch-Edel-<lb/>
geb. auch gefallen wuͤrde: Allein keiner von allen hat<lb/>
ein Wort aus ſeiner beklemmten Bruſt hervorbrin-<lb/>
gen koͤnnen. Sie ſind alle erſtarret, ſitzen mit niederge-<lb/>ſchlagenen Augen, und die Furcht vor dem Grimm<lb/>
Ew. Hoch-Edelgeb. hat ihrer aller Zungen gelaͤhmet.<lb/>
Was wuͤrde demnach daraus werden, wenn auch ich,<lb/>
dem es oblieget, das Wort vor unſere Geſellſchaft zu<lb/>
fuͤhren, durch den Donner der <hirendition="#fr">auſſerordentlichen<lb/>
Beredſamkeit,</hi> mit welcher Ew. Hoch-Edelgeb. ge-<lb/>
wohnt ſind Wunder zu thun, ſo ſtarck waͤre geruͤhret<lb/>
worden? Wuͤrde nicht unſere Geſellſchaft die Unhoͤf-<lb/>
lichkeit begehen, und Ew. Hoch-Edelgeb. ohne alle<lb/>
Antwort von ſich laſſen muͤſſen?</p><lb/><p>Allein ſo bin ich, zu allem Gluͤcke, noch ſo viel bey<lb/>
mir ſelbſt, daß ich meiner Pflicht ein Genuͤge thun,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[355/0447]
(o)
Leute, denen die Urſache unſerer Beſtuͤrtzung und un-
ſeres Jammers unbekannt iſt, ſchweren ſolten, daß
uns unſere Landes-Mutter abgeſtorben ſey.
Meine ſaͤmmtlichen hier verſammleten Bruͤder
ſind, wie ich ihnen an ihren Augen angemercket
habe, dreymahl im Begrif geweſen, unſern lieben
Bruder, den von Boxhorn, zu verfluchen, weil er
durch ſeine zwar wohlgemeinte, aber von Ew.
Hoch-Edelgeb. ſo ungnaͤdig aufgenommene Lob-
Rede Ew. Hoch-Edelgeb. zu einem ſo fremden und
unfreundlichen Bezeigen gegen unſere Geſell-
ſchaft veranlaſſet hat, und es Ew. Hoch-Edelgeb. auf
den Knien abzubitten, daß unſere Geſellſchaft ſo nach-
laͤßig geweſen, und nicht vorhero reiflich uͤberleget, ob
das Verfahren des von Boxhorn Ew. Hoch-Edel-
geb. auch gefallen wuͤrde: Allein keiner von allen hat
ein Wort aus ſeiner beklemmten Bruſt hervorbrin-
gen koͤnnen. Sie ſind alle erſtarret, ſitzen mit niederge-
ſchlagenen Augen, und die Furcht vor dem Grimm
Ew. Hoch-Edelgeb. hat ihrer aller Zungen gelaͤhmet.
Was wuͤrde demnach daraus werden, wenn auch ich,
dem es oblieget, das Wort vor unſere Geſellſchaft zu
fuͤhren, durch den Donner der auſſerordentlichen
Beredſamkeit, mit welcher Ew. Hoch-Edelgeb. ge-
wohnt ſind Wunder zu thun, ſo ſtarck waͤre geruͤhret
worden? Wuͤrde nicht unſere Geſellſchaft die Unhoͤf-
lichkeit begehen, und Ew. Hoch-Edelgeb. ohne alle
Antwort von ſich laſſen muͤſſen?
Allein ſo bin ich, zu allem Gluͤcke, noch ſo viel bey
mir ſelbſt, daß ich meiner Pflicht ein Genuͤge thun,
und
Z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/447>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.