neque poeta, neque orator fuit, qui quem- quam meliorem, quam se arbitraretur. Hoc etiam malis contingit. Und dieses ist die Ursache, warum alberne Redner sich so sel- ten bessern, und ein böser Poet eben so schwer zu bekehren ist, als ein Pharisäer. Es ist leich- ter, daß ein Cameel durch ein Nadel-Oehr ge- he, als daß ein solcher Schwärmer klug werde. Was ist nun mit solchen Leuten anzufangen? Soll man sie wüten lassen? Das wäre was schönes vor sie. Allein was würde endlich daraus werden? Jhre Thorheit ist anste- ckend, und junge Leute, deren Verstand noch nicht zu seiner Reife gelanget ist, sind leicht zu verführen. Die gelehrte Welt muß diesem Unfug, so viel möglich, vorbeugen, und ihr ge- rechtes Mißfallen über das Verfahren der bö- sen Scribenten, so ernstlich und nachdrücklich bezeugen, daß andere sich scheuen, diesen Ver- ächtern der Vernunft und Feinden des guten Geschmacks nachzuahmen. Folglich ist es nichts ungerechtes, wenn ein Gelehrter einen bösen Scribenten so abstrafet, daß andere Ge- legenheit haben, sich an seinem Exempel zu spiegeln.
Ein Ein- wurf und die Ant- wort dar- auf.
Aber hier fällt mir ein ernsthafter Cato in die Rede, und spricht: "Er gebe zu, daß man "einen bösen Scribenten, ohne Sünde, ta- "deln und ihm seine Fehler vorhalten könne: "Allein dieses müsse auf eine bescheidene Art, "ohne alle Bitterkeit, nicht aber durch beissen- "de Spott-Schriften geschehen. Durch
"Satyren
(o)
neque poëta, neque orator fuit, qui quem- quam meliorem, quam ſe arbitraretur. Hoc etiam malis contingit. Und dieſes iſt die Urſache, warum alberne Redner ſich ſo ſel- ten beſſern, und ein boͤſer Poet eben ſo ſchwer zu bekehren iſt, als ein Phariſaͤer. Es iſt leich- ter, daß ein Cameel durch ein Nadel-Oehr ge- he, als daß ein ſolcher Schwaͤrmer klug werde. Was iſt nun mit ſolchen Leuten anzufangen? Soll man ſie wuͤten laſſen? Das waͤre was ſchoͤnes vor ſie. Allein was wuͤrde endlich daraus werden? Jhre Thorheit iſt anſte- ckend, und junge Leute, deren Verſtand noch nicht zu ſeiner Reife gelanget iſt, ſind leicht zu verfuͤhren. Die gelehrte Welt muß dieſem Unfug, ſo viel moͤglich, vorbeugen, und ihr ge- rechtes Mißfallen uͤber das Verfahren der boͤ- ſen Scribenten, ſo ernſtlich und nachdruͤcklich bezeugen, daß andere ſich ſcheuen, dieſen Ver- aͤchtern der Vernunft und Feinden des guten Geſchmacks nachzuahmen. Folglich iſt es nichts ungerechtes, wenn ein Gelehrter einen boͤſen Scribenten ſo abſtrafet, daß andere Ge- legenheit haben, ſich an ſeinem Exempel zu ſpiegeln.
Ein Ein- wurf und die Ant- wort dar- auf.
Aber hier faͤllt mir ein ernſthafter Cato in die Rede, und ſpricht: “Er gebe zu, daß man „einen boͤſen Scribenten, ohne Suͤnde, ta- „deln und ihm ſeine Fehler vorhalten koͤnne: „Allein dieſes muͤſſe auf eine beſcheidene Art, „ohne alle Bitterkeit, nicht aber durch beiſſen- „de Spott-Schriften geſchehen. Durch
„Satyren
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quam meliorem, quam ſe arbitraretur.
Hoc etiam malis contingit. Und dieſes iſt die
Urſache, warum alberne Redner ſich ſo ſel-
ten beſſern, und ein boͤſer Poet eben ſo ſchwer
zu bekehren iſt, als ein Phariſaͤer. Es iſt leich-
ter, daß ein Cameel durch ein Nadel-Oehr ge-
he, als daß ein ſolcher Schwaͤrmer klug werde.
Was iſt nun mit ſolchen Leuten anzufangen?
Soll man ſie wuͤten laſſen? Das waͤre was
ſchoͤnes vor ſie. Allein was wuͤrde endlich
daraus werden? Jhre Thorheit iſt anſte-
ckend, und junge Leute, deren Verſtand noch
nicht zu ſeiner Reife gelanget iſt, ſind leicht zu
verfuͤhren. Die gelehrte Welt muß dieſem
Unfug, ſo viel moͤglich, vorbeugen, und ihr ge-
rechtes Mißfallen uͤber das Verfahren der boͤ-
ſen Scribenten, ſo ernſtlich und nachdruͤcklich
bezeugen, daß andere ſich ſcheuen, dieſen Ver-
aͤchtern der Vernunft und Feinden des guten
Geſchmacks nachzuahmen. Folglich iſt es
nichts ungerechtes, wenn ein Gelehrter einen
boͤſen Scribenten ſo abſtrafet, daß andere Ge-
legenheit haben, ſich an ſeinem Exempel zu
ſpiegeln.
Aber hier faͤllt mir ein ernſthafter Cato in
die Rede, und ſpricht: “Er gebe zu, daß man
„einen boͤſen Scribenten, ohne Suͤnde, ta-
„deln und ihm ſeine Fehler vorhalten koͤnne:
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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