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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
rühriges Beginnen hält, wenn man seine
Schriften tadelt, und daß er denen thörichten
Weibes-Personen gleicht, die es nicht so hoch
empfinden, wenn jemand ihre Keuschheit in
Zweifel ziehet, als wenn man ihnen ihre Schön-
heit streitig macht. Einen solchen Scribenten
kan der bescheidenste Widerspruch, die feineste
und unschuldigste Spötterey ausser sich setzen.
Aber der Hr. Prof. Philippi hat keine Ursache
sich des Briontes wegen ungebärdig zu stellen,
es sey denn, daß er glaube, er könne nicht mit
Ehren in der Welt leben, wo ihn nicht jeder-
mann vor einen grossen Dichter, und vor ei-
nen natürlichen, männlichen und heroi-
schen
Redner halte. Es giebt viele ehrliche,
geschickte und kluge Männer, die weder grosse
Poeten, noch ausserordentliche Redner sind,
und doch von jedermann hoch gehalten wer-
den, und ich will hofen, daß der Hr. Prof. Phi-
lippi noch viele gute Eigenschaften besitzet, die
nicht so zweifelhaft sind, als seine Geschicklich-
keit in der Beredsamkeit und in der Dicht-
Kunst. Er kan ein grosser Welt-Weiser, ein gu-
ter Juriste, ein geschickter Advocat seyn, ja ich
bin versichert, daß er ein ehrlicher und tugend-
hafter Mann ist. Derjenige, der ihn als einen
ungeschickten Redner und unerträgli-
chen Reimer
vorgestellet hat, lässet ihm, ausser
den Ruhm eines Redners und Dichters, alle
Verdienste, die ein gelehrter Mann und ehrli-
cher Bürger haben kan. Was hat er dann
zu klagen? Meint er aber, alle seine Ehre grün-

de

(o)
ruͤhriges Beginnen haͤlt, wenn man ſeine
Schriften tadelt, und daß er denen thoͤrichten
Weibes-Perſonen gleicht, die es nicht ſo hoch
empfinden, wenn jemand ihre Keuſchheit in
Zweifel ziehet, als wenn man ihnen ihre Schoͤn-
heit ſtreitig macht. Einen ſolchen Scribenten
kan der beſcheidenſte Widerſpruch, die feineſte
und unſchuldigſte Spoͤtterey auſſer ſich ſetzen.
Aber der Hr. Prof. Philippi hat keine Urſache
ſich des Briontes wegen ungebaͤrdig zu ſtellen,
es ſey denn, daß er glaube, er koͤnne nicht mit
Ehren in der Welt leben, wo ihn nicht jeder-
mann vor einen groſſen Dichter, und vor ei-
nen natuͤrlichen, maͤnnlichen und heroi-
ſchen
Redner halte. Es giebt viele ehrliche,
geſchickte und kluge Maͤnner, die weder groſſe
Poeten, noch auſſerordentliche Redner ſind,
und doch von jedermann hoch gehalten wer-
den, und ich will hofen, daß der Hr. Prof. Phi-
lippi noch viele gute Eigenſchaften beſitzet, die
nicht ſo zweifelhaft ſind, als ſeine Geſchicklich-
keit in der Beredſamkeit und in der Dicht-
Kunſt. Er kan ein groſſer Welt-Weiſer, ein gu-
ter Juriſte, ein geſchickter Advocat ſeyn, ja ich
bin verſichert, daß er ein ehrlicher und tugend-
hafter Mann iſt. Derjenige, der ihn als einen
ungeſchickten Redner und unertraͤgli-
chen Reimer
vorgeſtellet hat, laͤſſet ihm, auſſer
den Ruhm eines Redners und Dichters, alle
Verdienſte, die ein gelehrter Mann und ehrli-
cher Buͤrger haben kan. Was hat er dann
zu klagen? Meint er aber, alle ſeine Ehre gruͤn-

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[266/0358] (o) ruͤhriges Beginnen haͤlt, wenn man ſeine Schriften tadelt, und daß er denen thoͤrichten Weibes-Perſonen gleicht, die es nicht ſo hoch empfinden, wenn jemand ihre Keuſchheit in Zweifel ziehet, als wenn man ihnen ihre Schoͤn- heit ſtreitig macht. Einen ſolchen Scribenten kan der beſcheidenſte Widerſpruch, die feineſte und unſchuldigſte Spoͤtterey auſſer ſich ſetzen. Aber der Hr. Prof. Philippi hat keine Urſache ſich des Briontes wegen ungebaͤrdig zu ſtellen, es ſey denn, daß er glaube, er koͤnne nicht mit Ehren in der Welt leben, wo ihn nicht jeder- mann vor einen groſſen Dichter, und vor ei- nen natuͤrlichen, maͤnnlichen und heroi- ſchen Redner halte. Es giebt viele ehrliche, geſchickte und kluge Maͤnner, die weder groſſe Poeten, noch auſſerordentliche Redner ſind, und doch von jedermann hoch gehalten wer- den, und ich will hofen, daß der Hr. Prof. Phi- lippi noch viele gute Eigenſchaften beſitzet, die nicht ſo zweifelhaft ſind, als ſeine Geſchicklich- keit in der Beredſamkeit und in der Dicht- Kunſt. Er kan ein groſſer Welt-Weiſer, ein gu- ter Juriſte, ein geſchickter Advocat ſeyn, ja ich bin verſichert, daß er ein ehrlicher und tugend- hafter Mann iſt. Derjenige, der ihn als einen ungeſchickten Redner und unertraͤgli- chen Reimer vorgeſtellet hat, laͤſſet ihm, auſſer den Ruhm eines Redners und Dichters, alle Verdienſte, die ein gelehrter Mann und ehrli- cher Buͤrger haben kan. Was hat er dann zu klagen? Meint er aber, alle ſeine Ehre gruͤn- de

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/358>, abgerufen am 22.11.2024.