die ihr verliehene Gewalt den Ausbruch der gröbsten Bosheit zu verhindern, und ist zu- frieden, wenn ihre Unterthanen die unterste Stafel der Weisheit betreten, und nichts begehen, das mit dem Endzweck der bürgerli- chen Gesellschaft streitet. Das übrige stellet sie eines jeden Gutbefinden anheim.
Da nun die Ehre aus solchen Thaten entste- her, welche die Obrigkeit in unsere Willkühr stellet, deren Verrichtung sie nicht unumgäng- lich von uns fordert, und um deren Unterlas- sung sie uns nicht strafet; so kan man dieselbe als eine Sache ansehen, um welche sich die Obrigkeit wenig bekümmert, und worüber sie sich keine Erkenntniß anmasset. Denn da die Obrigkeit, als Obrigkeit, nicht von der Güte und Beschafenheit derer Thaten urthei- let, durch welche wir Ehre erlangen, so kan sie auch von der Ehre selbst nicht urtheilen. Sie kan dieselbe niemand geben oder nehmen, son- dern wir haben sie von unsern Mit-Bürgern zu gewarten. Auf deren Urtheil von unserer Auführung beruhet sie. Ein jeder hat dem- nach die Freyheit von den Thaten anderer Leute, so ferne dieselbe den Gesetzen, und der Erkänntniß des Richters nicht unterworfen sind, seine Gedancken zu sagen. Er kan loben, was ihm gefällt, und tadeln, was ihm nicht an- stehet, ohne Gefahr dem Richter in die Hände zu fallen.
So strafbar es demnach ist, seinen Näch-Ueber Feh- ler die sten eines Todschlages, Raubes, Diebstahls,
Ehe-
Q 5
(o)
die ihr verliehene Gewalt den Ausbruch der groͤbſten Bosheit zu verhindern, und iſt zu- frieden, wenn ihre Unterthanen die unterſte Stafel der Weisheit betreten, und nichts begehen, das mit dem Endzweck der buͤrgerli- chen Geſellſchaft ſtreitet. Das uͤbrige ſtellet ſie eines jeden Gutbefinden anheim.
Da nun die Ehre aus ſolchen Thaten entſte- her, welche die Obrigkeit in unſere Willkuͤhr ſtellet, deren Verrichtung ſie nicht unumgaͤng- lich von uns fordert, und um deren Unterlaſ- ſung ſie uns nicht ſtrafet; ſo kan man dieſelbe als eine Sache anſehen, um welche ſich die Obrigkeit wenig bekuͤmmert, und woruͤber ſie ſich keine Erkenntniß anmaſſet. Denn da die Obrigkeit, als Obrigkeit, nicht von der Guͤte und Beſchafenheit derer Thaten urthei- let, durch welche wir Ehre erlangen, ſo kan ſie auch von der Ehre ſelbſt nicht urtheilen. Sie kan dieſelbe niemand geben oder nehmen, ſon- dern wir haben ſie von unſern Mit-Buͤrgern zu gewarten. Auf deren Urtheil von unſerer Aufuͤhrung beruhet ſie. Ein jeder hat dem- nach die Freyheit von den Thaten anderer Leute, ſo ferne dieſelbe den Geſetzen, und der Erkaͤnntniß des Richters nicht unterworfen ſind, ſeine Gedancken zu ſagen. Er kan loben, was ihm gefaͤllt, und tadeln, was ihm nicht an- ſtehet, ohne Gefahr dem Richter in die Haͤnde zu fallen.
So ſtrafbar es demnach iſt, ſeinen Naͤch-Ueber Feh- ler die ſten eines Todſchlages, Raubes, Diebſtahls,
Ehe-
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die ihr verliehene Gewalt den Ausbruch der
groͤbſten Bosheit zu verhindern, und iſt zu-
frieden, wenn ihre Unterthanen die unterſte
Stafel der Weisheit betreten, und nichts
begehen, das mit dem Endzweck der buͤrgerli-
chen Geſellſchaft ſtreitet. Das uͤbrige ſtellet ſie
eines jeden Gutbefinden anheim.
Da nun die Ehre aus ſolchen Thaten entſte-
her, welche die Obrigkeit in unſere Willkuͤhr
ſtellet, deren Verrichtung ſie nicht unumgaͤng-
lich von uns fordert, und um deren Unterlaſ-
ſung ſie uns nicht ſtrafet; ſo kan man dieſelbe
als eine Sache anſehen, um welche ſich die
Obrigkeit wenig bekuͤmmert, und woruͤber
ſie ſich keine Erkenntniß anmaſſet. Denn
da die Obrigkeit, als Obrigkeit, nicht von der
Guͤte und Beſchafenheit derer Thaten urthei-
let, durch welche wir Ehre erlangen, ſo kan ſie
auch von der Ehre ſelbſt nicht urtheilen. Sie
kan dieſelbe niemand geben oder nehmen, ſon-
dern wir haben ſie von unſern Mit-Buͤrgern
zu gewarten. Auf deren Urtheil von unſerer
Aufuͤhrung beruhet ſie. Ein jeder hat dem-
nach die Freyheit von den Thaten anderer
Leute, ſo ferne dieſelbe den Geſetzen, und der
Erkaͤnntniß des Richters nicht unterworfen
ſind, ſeine Gedancken zu ſagen. Er kan loben,
was ihm gefaͤllt, und tadeln, was ihm nicht an-
ſtehet, ohne Gefahr dem Richter in die Haͤnde
zu fallen.
So ſtrafbar es demnach iſt, ſeinen Naͤch-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/341>, abgerufen am 23.11.2024.
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