hat, als einen Missethäter anzuklagen. Werwas ein Pasqvil- lant sey? den ehrlichen Nahmen seines Nächsten auf die- se Art angreifet, der thut nichts böses, weil der Angeklagte sich verantworten kan, und also nicht durch die Anklage, sondern durch seine be- gangene Missethat, und das darüber gefällte Urtheil des Richters, seinen ehrlichen Nahmen verliehret, und der Ankläger, wo er seine Be- schuldigung nicht hinlänglich beweiset, Ge- fahr läuft, als ein Calumniant gestraft zu werden. Wenn aber einer sich gelüsten lässet, seinen Mit-Bürger ausser Gericht, es sey mündlich oder schriftlich solcher Verbrechen zu beschuldigen, auf welche die Strafe der Obrig- keit, und der Verlust des ehrlichen Nahmens nothwendig folgen muß, der begeht eine straf- bare That. Denn unser ehrlicher Nahme fliesset aus der Beobachtung der Regeln der Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung von äusserst-bösen Thaten, wozu uns die Ge- setze der Obrigkeit verbinden. Ob wir diese Gesetze gehalten haben oder nicht, das ist eine Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent- scheiden kan. Folglich kömmt unser ehrlicher Nahme hauptsächlich auf diejenige gute Mei- nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf das Urtheil an, das sie von unsern Thaten, so ferne dieselbe den Gesetzen unterworfen sind, fäl- let. Wenn nun einer dieses Urtheil der Obrigkeit nicht erwartet, sondern uns eigenmächtig, auf eine tückische Weise, vor Uebertreter der Gesetze erkläret, und unehrlich machen will, so greift
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hat, als einen Miſſethaͤter anzuklagen. Werwas ein Pasqvil- lant ſey? den ehrlichen Nahmen ſeines Naͤchſten auf die- ſe Art angreifet, der thut nichts boͤſes, weil der Angeklagte ſich verantworten kan, und alſo nicht durch die Anklage, ſondern durch ſeine be- gangene Miſſethat, und das daruͤber gefaͤllte Urtheil des Richters, ſeinen ehrlichen Nahmen verliehret, und der Anklaͤger, wo er ſeine Be- ſchuldigung nicht hinlaͤnglich beweiſet, Ge- fahr laͤuft, als ein Calumniant geſtraft zu werden. Wenn aber einer ſich geluͤſten laͤſſet, ſeinen Mit-Buͤrger auſſer Gericht, es ſey muͤndlich oder ſchriftlich ſolcher Verbrechen zu beſchuldigen, auf welche die Strafe der Obrig- keit, und der Verluſt des ehrlichen Nahmens nothwendig folgen muß, der begeht eine ſtraf- bare That. Denn unſer ehrlicher Nahme flieſſet aus der Beobachtung der Regeln der Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung von aͤuſſerſt-boͤſen Thaten, wozu uns die Ge- ſetze der Obrigkeit verbinden. Ob wir dieſe Geſetze gehalten haben oder nicht, das iſt eine Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent- ſcheiden kan. Folglich koͤmmt unſer ehrlicher Nahme hauptſaͤchlich auf diejenige gute Mei- nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf das Urtheil an, das ſie von unſern Thaten, ſo ferne dieſelbe den Geſetzen unterworfen ſind, faͤl- let. Wenn nun einer dieſes Urtheil der Obrigkeit nicht erwartet, ſondern uns eigenmaͤchtig, auf eine tuͤckiſche Weiſe, vor Uebertreter der Geſetze erklaͤret, und unehrlich machen will, ſo greift
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hat, als einen Miſſethaͤter anzuklagen. Wer
den ehrlichen Nahmen ſeines Naͤchſten auf die-
ſe Art angreifet, der thut nichts boͤſes, weil der
Angeklagte ſich verantworten kan, und alſo
nicht durch die Anklage, ſondern durch ſeine be-
gangene Miſſethat, und das daruͤber gefaͤllte
Urtheil des Richters, ſeinen ehrlichen Nahmen
verliehret, und der Anklaͤger, wo er ſeine Be-
ſchuldigung nicht hinlaͤnglich beweiſet, Ge-
fahr laͤuft, als ein Calumniant geſtraft zu
werden. Wenn aber einer ſich geluͤſten laͤſſet,
ſeinen Mit-Buͤrger auſſer Gericht, es ſey
muͤndlich oder ſchriftlich ſolcher Verbrechen zu
beſchuldigen, auf welche die Strafe der Obrig-
keit, und der Verluſt des ehrlichen Nahmens
nothwendig folgen muß, der begeht eine ſtraf-
bare That. Denn unſer ehrlicher Nahme
flieſſet aus der Beobachtung der Regeln der
Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung
von aͤuſſerſt-boͤſen Thaten, wozu uns die Ge-
ſetze der Obrigkeit verbinden. Ob wir dieſe
Geſetze gehalten haben oder nicht, das iſt eine
Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent-
ſcheiden kan. Folglich koͤmmt unſer ehrlicher
Nahme hauptſaͤchlich auf diejenige gute Mei-
nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf
das Urtheil an, das ſie von unſern Thaten, ſo
ferne dieſelbe den Geſetzen unterworfen ſind, faͤl-
let. Wenn nun einer dieſes Urtheil der Obrigkeit
nicht erwartet, ſondern uns eigenmaͤchtig, auf
eine tuͤckiſche Weiſe, vor Uebertreter der Geſetze
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was ein
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/339>, abgerufen am 24.11.2024.
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