Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
hat, als einen Missethäter anzuklagen. Werwas ein
Pasqvil-
lant sey?

den ehrlichen Nahmen seines Nächsten auf die-
se Art angreifet, der thut nichts böses, weil der
Angeklagte sich verantworten kan, und also
nicht durch die Anklage, sondern durch seine be-
gangene Missethat, und das darüber gefällte
Urtheil des Richters, seinen ehrlichen Nahmen
verliehret, und der Ankläger, wo er seine Be-
schuldigung nicht hinlänglich beweiset, Ge-
fahr läuft, als ein Calumniant gestraft zu
werden. Wenn aber einer sich gelüsten lässet,
seinen Mit-Bürger ausser Gericht, es sey
mündlich oder schriftlich solcher Verbrechen zu
beschuldigen, auf welche die Strafe der Obrig-
keit, und der Verlust des ehrlichen Nahmens
nothwendig folgen muß, der begeht eine straf-
bare That. Denn unser ehrlicher Nahme
fliesset aus der Beobachtung der Regeln der
Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung
von äusserst-bösen Thaten, wozu uns die Ge-
setze der Obrigkeit verbinden. Ob wir diese
Gesetze gehalten haben oder nicht, das ist eine
Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent-
scheiden kan. Folglich kömmt unser ehrlicher
Nahme hauptsächlich auf diejenige gute Mei-
nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf
das Urtheil an, das sie von unsern Thaten, so
ferne dieselbe den Gesetzen unterworfen sind, fäl-
let. Wenn nun einer dieses Urtheil der Obrigkeit
nicht erwartet, sondern uns eigenmächtig, auf
eine tückische Weise, vor Uebertreter der Gesetze
erkläret, und unehrlich machen will, so greift

er
Q 4

(o)
hat, als einen Miſſethaͤter anzuklagen. Werwas ein
Pasqvil-
lant ſey?

den ehrlichen Nahmen ſeines Naͤchſten auf die-
ſe Art angreifet, der thut nichts boͤſes, weil der
Angeklagte ſich verantworten kan, und alſo
nicht durch die Anklage, ſondern durch ſeine be-
gangene Miſſethat, und das daruͤber gefaͤllte
Urtheil des Richters, ſeinen ehrlichen Nahmen
verliehret, und der Anklaͤger, wo er ſeine Be-
ſchuldigung nicht hinlaͤnglich beweiſet, Ge-
fahr laͤuft, als ein Calumniant geſtraft zu
werden. Wenn aber einer ſich geluͤſten laͤſſet,
ſeinen Mit-Buͤrger auſſer Gericht, es ſey
muͤndlich oder ſchriftlich ſolcher Verbrechen zu
beſchuldigen, auf welche die Strafe der Obrig-
keit, und der Verluſt des ehrlichen Nahmens
nothwendig folgen muß, der begeht eine ſtraf-
bare That. Denn unſer ehrlicher Nahme
flieſſet aus der Beobachtung der Regeln der
Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung
von aͤuſſerſt-boͤſen Thaten, wozu uns die Ge-
ſetze der Obrigkeit verbinden. Ob wir dieſe
Geſetze gehalten haben oder nicht, das iſt eine
Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent-
ſcheiden kan. Folglich koͤmmt unſer ehrlicher
Nahme hauptſaͤchlich auf diejenige gute Mei-
nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf
das Urtheil an, das ſie von unſern Thaten, ſo
ferne dieſelbe den Geſetzen unterworfen ſind, faͤl-
let. Wenn nun einer dieſes Urtheil der Obrigkeit
nicht erwartet, ſondern uns eigenmaͤchtig, auf
eine tuͤckiſche Weiſe, vor Uebertreter der Geſetze
erklaͤret, und unehrlich machen will, ſo greift

er
Q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0339" n="247"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
hat, als einen Mi&#x017F;&#x017F;etha&#x0364;ter anzuklagen. Wer<note place="right">was ein<lb/>
Pasqvil-<lb/>
lant &#x017F;ey?</note><lb/>
den ehrlichen Nahmen &#x017F;eines Na&#x0364;ch&#x017F;ten auf die-<lb/>
&#x017F;e Art angreifet, der thut nichts bo&#x0364;&#x017F;es, weil der<lb/>
Angeklagte &#x017F;ich verantworten kan, und al&#x017F;o<lb/>
nicht durch die Anklage, &#x017F;ondern durch &#x017F;eine be-<lb/>
gangene Mi&#x017F;&#x017F;ethat, und das daru&#x0364;ber gefa&#x0364;llte<lb/>
Urtheil des Richters, &#x017F;einen ehrlichen Nahmen<lb/>
verliehret, und der Ankla&#x0364;ger, wo er &#x017F;eine Be-<lb/>
&#x017F;chuldigung nicht hinla&#x0364;nglich bewei&#x017F;et, Ge-<lb/>
fahr la&#x0364;uft, als ein Calumniant ge&#x017F;traft zu<lb/>
werden. Wenn aber einer &#x017F;ich gelu&#x0364;&#x017F;ten la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
&#x017F;einen Mit-Bu&#x0364;rger au&#x017F;&#x017F;er Gericht, es &#x017F;ey<lb/>
mu&#x0364;ndlich oder &#x017F;chriftlich &#x017F;olcher Verbrechen zu<lb/>
be&#x017F;chuldigen, auf welche die Strafe der Obrig-<lb/>
keit, und der Verlu&#x017F;t des ehrlichen Nahmens<lb/>
nothwendig folgen muß, der begeht eine &#x017F;traf-<lb/>
bare That. Denn un&#x017F;er ehrlicher Nahme<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;et aus der Beobachtung der Regeln der<lb/>
Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung<lb/>
von a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t-bo&#x0364;&#x017F;en Thaten, wozu uns die Ge-<lb/>
&#x017F;etze der Obrigkeit verbinden. Ob wir die&#x017F;e<lb/>
Ge&#x017F;etze gehalten haben oder nicht, das i&#x017F;t eine<lb/>
Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent-<lb/>
&#x017F;cheiden kan. Folglich ko&#x0364;mmt un&#x017F;er ehrlicher<lb/>
Nahme haupt&#x017F;a&#x0364;chlich auf diejenige gute Mei-<lb/>
nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf<lb/>
das Urtheil an, das &#x017F;ie von un&#x017F;ern Thaten, &#x017F;o<lb/>
ferne die&#x017F;elbe den Ge&#x017F;etzen unterworfen &#x017F;ind, fa&#x0364;l-<lb/>
let. Wenn nun einer die&#x017F;es Urtheil der Obrigkeit<lb/>
nicht erwartet, &#x017F;ondern uns eigenma&#x0364;chtig, auf<lb/>
eine tu&#x0364;cki&#x017F;che Wei&#x017F;e, vor Uebertreter der Ge&#x017F;etze<lb/>
erkla&#x0364;ret, und unehrlich machen will, &#x017F;o greift<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 4</fw><fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0339] (o) hat, als einen Miſſethaͤter anzuklagen. Wer den ehrlichen Nahmen ſeines Naͤchſten auf die- ſe Art angreifet, der thut nichts boͤſes, weil der Angeklagte ſich verantworten kan, und alſo nicht durch die Anklage, ſondern durch ſeine be- gangene Miſſethat, und das daruͤber gefaͤllte Urtheil des Richters, ſeinen ehrlichen Nahmen verliehret, und der Anklaͤger, wo er ſeine Be- ſchuldigung nicht hinlaͤnglich beweiſet, Ge- fahr laͤuft, als ein Calumniant geſtraft zu werden. Wenn aber einer ſich geluͤſten laͤſſet, ſeinen Mit-Buͤrger auſſer Gericht, es ſey muͤndlich oder ſchriftlich ſolcher Verbrechen zu beſchuldigen, auf welche die Strafe der Obrig- keit, und der Verluſt des ehrlichen Nahmens nothwendig folgen muß, der begeht eine ſtraf- bare That. Denn unſer ehrlicher Nahme flieſſet aus der Beobachtung der Regeln der Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung von aͤuſſerſt-boͤſen Thaten, wozu uns die Ge- ſetze der Obrigkeit verbinden. Ob wir dieſe Geſetze gehalten haben oder nicht, das iſt eine Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent- ſcheiden kan. Folglich koͤmmt unſer ehrlicher Nahme hauptſaͤchlich auf diejenige gute Mei- nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf das Urtheil an, das ſie von unſern Thaten, ſo ferne dieſelbe den Geſetzen unterworfen ſind, faͤl- let. Wenn nun einer dieſes Urtheil der Obrigkeit nicht erwartet, ſondern uns eigenmaͤchtig, auf eine tuͤckiſche Weiſe, vor Uebertreter der Geſetze erklaͤret, und unehrlich machen will, ſo greift er was ein Pasqvil- lant ſey? Q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/339
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/339>, abgerufen am 24.11.2024.