und unchristlich, daß ich ehrliche Leu-" te so empfindlich kränckte, die mir nim-" mer etwas zuwieder gethan hätten. Es" gienge mich ja nicht an, ob die Schriften" dieser Leute gut oder schlecht gerathen wä-" ren. Man müsse sich nicht klug düncken" lassen, jederman zu tadeln. Die satyri-" sche Schreibart sey einem Christen unan-" ständig. Meine Schriften wären Pas-" quille, und ich müste ein sehr boßhaftes" Gemüth haben. Jch bezeugte auch eine" schlechte Ehrerbietung gegen die heilige" Schrift, mißbrauchte biblischer Redens-" Arten, und man sähe wohl, daß ich wenig" Religion hätte, weil alles, was ich ge-" schrieben mit Religions-Spöttereyen an-" gefüllet sey u. s. w."
Es hätte mich nicht verdriessen sollen, wenn diese unbilligen Urtheile nur von Leuten wären gefället worden, denen ihre Einfalt, oder ihr Amt ein Recht giebt, zu sagen, was sie wollen: Allein so muste ich sie auch von Leuten hören, die klug seyn wollten, und die es, ohne Verletzung ihres Gewissens, seyn konnten. Jch ler- nete daraus, daß ein gesunder Verstand seltener ist, als man insgemein glaubet, und fand vor nöthig, meinen unbilligen
Rich-
(o)
und unchriſtlich, daß ich ehrliche Leu-„ te ſo empfindlich kraͤnckte, die mir nim-„ mer etwas zuwieder gethan haͤtten. Es„ gienge mich ja nicht an, ob die Schriften„ dieſer Leute gut oder ſchlecht gerathen waͤ-„ ren. Man muͤſſe ſich nicht klug duͤncken„ laſſen, jederman zu tadeln. Die ſatyri-„ ſche Schreibart ſey einem Chriſten unan-„ ſtaͤndig. Meine Schriften waͤren Pas-„ quille, und ich muͤſte ein ſehr boßhaftes„ Gemuͤth haben. Jch bezeugte auch eine„ ſchlechte Ehrerbietung gegen die heilige„ Schrift, mißbrauchte bibliſcher Redens-„ Arten, und man ſaͤhe wohl, daß ich wenig„ Religion haͤtte, weil alles, was ich ge-„ ſchrieben mit Religions-Spoͤttereyen an-„ gefuͤllet ſey u. ſ. w.‟
Es haͤtte mich nicht verdrieſſen ſollen, wenn dieſe unbilligen Urtheile nur von Leuten waͤren gefaͤllet worden, denen ihre Einfalt, oder ihr Amt ein Recht giebt, zu ſagen, was ſie wollen: Allein ſo muſte ich ſie auch von Leuten hoͤren, die klug ſeyn wollten, und die es, ohne Verletzung ihres Gewiſſens, ſeyn konnten. Jch ler- nete daraus, daß ein geſunder Verſtand ſeltener iſt, als man insgemein glaubet, und fand vor noͤthig, meinen unbilligen
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(o)
und unchriſtlich, daß ich ehrliche Leu-„
te ſo empfindlich kraͤnckte, die mir nim-„
mer etwas zuwieder gethan haͤtten. Es„
gienge mich ja nicht an, ob die Schriften„
dieſer Leute gut oder ſchlecht gerathen waͤ-„
ren. Man muͤſſe ſich nicht klug duͤncken„
laſſen, jederman zu tadeln. Die ſatyri-„
ſche Schreibart ſey einem Chriſten unan-„
ſtaͤndig. Meine Schriften waͤren Pas-„
quille, und ich muͤſte ein ſehr boßhaftes„
Gemuͤth haben. Jch bezeugte auch eine„
ſchlechte Ehrerbietung gegen die heilige„
Schrift, mißbrauchte bibliſcher Redens-„
Arten, und man ſaͤhe wohl, daß ich wenig„
Religion haͤtte, weil alles, was ich ge-„
ſchrieben mit Religions-Spoͤttereyen an-„
gefuͤllet ſey u. ſ. w.‟
Es haͤtte mich nicht verdrieſſen ſollen,
wenn dieſe unbilligen Urtheile nur von
Leuten waͤren gefaͤllet worden, denen ihre
Einfalt, oder ihr Amt ein Recht giebt,
zu ſagen, was ſie wollen: Allein ſo muſte
ich ſie auch von Leuten hoͤren, die klug
ſeyn wollten, und die es, ohne Verletzung
ihres Gewiſſens, ſeyn konnten. Jch ler-
nete daraus, daß ein geſunder Verſtand
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und fand vor noͤthig, meinen unbilligen
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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