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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
unser einmüthiges Flehen dadurch gnädigst
von GOtt erhöret worden
39).

Sie sehen, meine Herren, daß der Herr Prof.
Philippi sich in dieser Stelle so heroisch gebärdet,
als Er sonst noch nicht gethan hat. Er scheuet sich
nicht, gleich zu Anfange dem gantzen menschlichen Ge-
schlechte ins Angesicht zu wiedersprechen; indem Er
sich nicht undeutlich mercken lässet, Er glaube, daß
ein Mensch ewig leben könne. Er spricht; es sey
dasjenige, so dem Könige den höchstverdienten Ruhm
der Unsterblichkeit noch einigermassen streitig ge-
macht, numehro aus dem Wege geräumet. Der
wahre Sinn dieser Worte kan auf gut deutsch kein
anderer seyn, als daß der König, da Er dieses mahl
wieder gesund worden, numehro gar nicht sterben,
sondern ewig leben werde.

O! was wolte ich nicht darum geben, daß dieses
wahr wäre! Billig solten solche Könige, als derjenige,
den der Herr Prof. Philippi lobt, nicht sterben.
Und wir hätten Ursache uns zu freuen, wenn der
Herr Prof. Philippi ein so wahrhafter Prophet
wäre, als er ein heroischer Redner ist, der, nach den
Regeln seiner Kunst, Dinge sagen muß, die nicht
geschehen können, und die kein Mensch glaubt.
Aber so sehen wir wohl, daß der Hr. Prof. Philippi
hier nicht hat weissagen, sondern nur durch seine wun-
derbare Ausdrückungen uns von der Natur der he-
roischen Beredsamkeit einen Begriff geben wollen.

Er hat seinen Zweck völlig erreichet. Was
ist wohl heroischer, als sich der gantzen Welt, ent-

gegen
39) S. die sechs deutschen Reden p. 53. 54.

(o)
unſer einmuͤthiges Flehen dadurch gnaͤdigſt
von GOtt erhoͤret worden
39).

Sie ſehen, meine Herren, daß der Herr Prof.
Philippi ſich in dieſer Stelle ſo heroiſch gebaͤrdet,
als Er ſonſt noch nicht gethan hat. Er ſcheuet ſich
nicht, gleich zu Anfange dem gantzen menſchlichen Ge-
ſchlechte ins Angeſicht zu wiederſprechen; indem Er
ſich nicht undeutlich mercken laͤſſet, Er glaube, daß
ein Menſch ewig leben koͤnne. Er ſpricht; es ſey
dasjenige, ſo dem Koͤnige den hoͤchſtverdienten Ruhm
der Unſterblichkeit noch einigermaſſen ſtreitig ge-
macht, numehro aus dem Wege geraͤumet. Der
wahre Sinn dieſer Worte kan auf gut deutſch kein
anderer ſeyn, als daß der Koͤnig, da Er dieſes mahl
wieder geſund worden, numehro gar nicht ſterben,
ſondern ewig leben werde.

O! was wolte ich nicht darum geben, daß dieſes
wahr waͤre! Billig ſolten ſolche Koͤnige, als derjenige,
den der Herr Prof. Philippi lobt, nicht ſterben.
Und wir haͤtten Urſache uns zu freuen, wenn der
Herr Prof. Philippi ein ſo wahrhafter Prophet
waͤre, als er ein heroiſcher Redner iſt, der, nach den
Regeln ſeiner Kunſt, Dinge ſagen muß, die nicht
geſchehen koͤnnen, und die kein Menſch glaubt.
Aber ſo ſehen wir wohl, daß der Hr. Prof. Philippi
hier nicht hat weiſſagen, ſondern nur durch ſeine wun-
derbare Ausdruͤckungen uns von der Natur der he-
roiſchen Beredſamkeit einen Begriff geben wollen.

Er hat ſeinen Zweck voͤllig erreichet. Was
iſt wohl heroiſcher, als ſich der gantzen Welt, ent-

gegen
39) S. die ſechs deutſchen Reden p. 53. 54.
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[180/0272] (o) unſer einmuͤthiges Flehen dadurch gnaͤdigſt von GOtt erhoͤret worden 39). Sie ſehen, meine Herren, daß der Herr Prof. Philippi ſich in dieſer Stelle ſo heroiſch gebaͤrdet, als Er ſonſt noch nicht gethan hat. Er ſcheuet ſich nicht, gleich zu Anfange dem gantzen menſchlichen Ge- ſchlechte ins Angeſicht zu wiederſprechen; indem Er ſich nicht undeutlich mercken laͤſſet, Er glaube, daß ein Menſch ewig leben koͤnne. Er ſpricht; es ſey dasjenige, ſo dem Koͤnige den hoͤchſtverdienten Ruhm der Unſterblichkeit noch einigermaſſen ſtreitig ge- macht, numehro aus dem Wege geraͤumet. Der wahre Sinn dieſer Worte kan auf gut deutſch kein anderer ſeyn, als daß der Koͤnig, da Er dieſes mahl wieder geſund worden, numehro gar nicht ſterben, ſondern ewig leben werde. O! was wolte ich nicht darum geben, daß dieſes wahr waͤre! Billig ſolten ſolche Koͤnige, als derjenige, den der Herr Prof. Philippi lobt, nicht ſterben. Und wir haͤtten Urſache uns zu freuen, wenn der Herr Prof. Philippi ein ſo wahrhafter Prophet waͤre, als er ein heroiſcher Redner iſt, der, nach den Regeln ſeiner Kunſt, Dinge ſagen muß, die nicht geſchehen koͤnnen, und die kein Menſch glaubt. Aber ſo ſehen wir wohl, daß der Hr. Prof. Philippi hier nicht hat weiſſagen, ſondern nur durch ſeine wun- derbare Ausdruͤckungen uns von der Natur der he- roiſchen Beredſamkeit einen Begriff geben wollen. Er hat ſeinen Zweck voͤllig erreichet. Was iſt wohl heroiſcher, als ſich der gantzen Welt, ent- gegen 39) S. die ſechs deutſchen Reden p. 53. 54.

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/272>, abgerufen am 26.11.2024.