werde mein Bestes thun, dieser Jhrer Begierde ein Genügen zu leisten.
Betrachten Sie demnach mit mir, Meine Her- ren, die ungemein-bewegliche Vorstellung des gros- sen Schmertzens, den der Herr Prof. Philippi über den Tod der Königin empfunden hat. Alles ist in die- ser Beschreibung natürlich, und so lebhaft vorge- stellet, daß mich deucht, ich sehe vor meinen Augen, die mancherley heftigen Bewegungen29) des Schreckens, des Schmertzes, der Furcht, der Bangig- keit und des Wehklagens, mit welchen der Hertzens- Schrein des Herrn Prof. angefüllet gewesen. Jch se- he, wie der geheime Schmertz sich gestreubet, und we- der vor, noch hinter sich gewolt hat30). Jch sehe, wie die Zunge, die beredte und nie genug zu preisende Zunge, gebebet. Nur eins ist mir zu hoch. Jch kan mir die Verschmachtung der Augen31) nicht vorstellen: Doch darüber betrübe ich mich nicht. Diese Blödigkeit meines Verstandes verhindert mich nicht zu begreifen, wie viel Kunst in dieser Stel- le verborgen ist.
Betrachte ich ferner, wie artig der Herr Prof. Philippi sich von diesem grossen Schmertz erhohlet; Gleich darauf aber vor Ehr-Furcht und Ohnmacht stutzig wird, und eine Weile stille schweiget: Wie Er durch die aus unverdienter Gütigkeit auf ihn un- verwandt gerichtete Augen der Hochwerthesten An- wesenden sich den Mund wieder öfnen lässet: Wie Er, nachdem Er seine Zuhörer, die nichts mehr
wün-
29) S. die sechs deutschen Reden p. 21.
30)ibid.
31)ibid.
(o)
werde mein Beſtes thun, dieſer Jhrer Begierde ein Genuͤgen zu leiſten.
Betrachten Sie demnach mit mir, Meine Her- ren, die ungemein-bewegliche Vorſtellung des groſ- ſen Schmertzens, den der Herr Prof. Philippi uͤber den Tod der Koͤnigin empfunden hat. Alles iſt in die- ſer Beſchreibung natuͤrlich, und ſo lebhaft vorge- ſtellet, daß mich deucht, ich ſehe vor meinen Augen, die mancherley heftigen Bewegungen29) des Schreckens, des Schmertzes, der Furcht, der Bangig- keit und des Wehklagens, mit welchen der Hertzens- Schrein des Herrn Prof. angefuͤllet geweſen. Jch ſe- he, wie der geheime Schmertz ſich geſtreubet, und we- der vor, noch hinter ſich gewolt hat30). Jch ſehe, wie die Zunge, die beredte und nie genug zu preiſende Zunge, gebebet. Nur eins iſt mir zu hoch. Jch kan mir die Verſchmachtung der Augen31) nicht vorſtellen: Doch daruͤber betruͤbe ich mich nicht. Dieſe Bloͤdigkeit meines Verſtandes verhindert mich nicht zu begreifen, wie viel Kunſt in dieſer Stel- le verborgen iſt.
Betrachte ich ferner, wie artig der Herr Prof. Philippi ſich von dieſem groſſen Schmertz erhohlet; Gleich darauf aber vor Ehr-Furcht und Ohnmacht ſtutzig wird, und eine Weile ſtille ſchweiget: Wie Er durch die aus unverdienter Guͤtigkeit auf ihn un- verwandt gerichtete Augen der Hochwertheſten An- weſenden ſich den Mund wieder oͤfnen laͤſſet: Wie Er, nachdem Er ſeine Zuhoͤrer, die nichts mehr
wuͤn-
29) S. die ſechs deutſchen Reden p. 21.
30)ibid.
31)ibid.
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(o)
werde mein Beſtes thun, dieſer Jhrer Begierde ein
Genuͤgen zu leiſten.
Betrachten Sie demnach mit mir, Meine Her-
ren, die ungemein-bewegliche Vorſtellung des groſ-
ſen Schmertzens, den der Herr Prof. Philippi uͤber
den Tod der Koͤnigin empfunden hat. Alles iſt in die-
ſer Beſchreibung natuͤrlich, und ſo lebhaft vorge-
ſtellet, daß mich deucht, ich ſehe vor meinen Augen,
die mancherley heftigen Bewegungen 29) des
Schreckens, des Schmertzes, der Furcht, der Bangig-
keit und des Wehklagens, mit welchen der Hertzens-
Schrein des Herrn Prof. angefuͤllet geweſen. Jch ſe-
he, wie der geheime Schmertz ſich geſtreubet, und we-
der vor, noch hinter ſich gewolt hat 30). Jch ſehe, wie
die Zunge, die beredte und nie genug zu preiſende
Zunge, gebebet. Nur eins iſt mir zu hoch. Jch
kan mir die Verſchmachtung der Augen 31) nicht
vorſtellen: Doch daruͤber betruͤbe ich mich nicht.
Dieſe Bloͤdigkeit meines Verſtandes verhindert
mich nicht zu begreifen, wie viel Kunſt in dieſer Stel-
le verborgen iſt.
Betrachte ich ferner, wie artig der Herr Prof.
Philippi ſich von dieſem groſſen Schmertz erhohlet;
Gleich darauf aber vor Ehr-Furcht und Ohnmacht
ſtutzig wird, und eine Weile ſtille ſchweiget: Wie
Er durch die aus unverdienter Guͤtigkeit auf ihn un-
verwandt gerichtete Augen der Hochwertheſten An-
weſenden ſich den Mund wieder oͤfnen laͤſſet: Wie
Er, nachdem Er ſeine Zuhoͤrer, die nichts mehr
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29) S. die ſechs deutſchen Reden p. 21.
30) ibid.
31) ibid.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/262>, abgerufen am 25.11.2024.
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