ren, sparen Sie diese edle Feuchtigkeit noch einen Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn Sie sich jetzo müde weinen, was wollen Sie denn thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip- pi in der beweglichsten Stellung zeige, wie Er, zum Beschluß seiner Gedächtniß-Rede, auf der Erden liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar- men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, so kräftig betet, daß seine Zuhörer alle vor Freuden, wie die Kinder, weinen müssen27)? Jch verden- cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen bey einem so unvermutheten Anblick die Augen über- gehen. Ein so ausserordentliches Bezeigen eines Redners, von dem man gantz was anders, als aus der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver- muthet hätte, verdienet die heissesten Zähren. Der Herr Prof. Philippi ist der erste, der sich die Frey- heit genommen, eine weltliche Rede auf eine so prie- sterliche und erbauliche Art zu schliessen. Er verdie- net dahero, daß man seine GOttes-Furcht lobet, und seinen Heldenmuth bewundert. Die Welt, Meine Herren, liegt so gar im Argen, daß ihr al- les, was den geringsten Schein der Gottseeligkeit hat, lächerlich und thörigt vorkömmt. Man kan also nicht anders, als über die heilige Hertzhaftigkeit des Herrn Philippi erstaunen, der sich nicht gescheuet hat, durch seine andächtige Gebärden der bösen Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher gesehen, daß sein Verfahren, ausser der gottseligen Versammlung, in welcher Er seine Rede gehalten hat, wenig Bey-
fall
27) S. die sechs deutschen Reden p. 44. 45.
(o)
ren, ſparen Sie dieſe edle Feuchtigkeit noch einen Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn Sie ſich jetzo muͤde weinen, was wollen Sie denn thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip- pi in der beweglichſten Stellung zeige, wie Er, zum Beſchluß ſeiner Gedaͤchtniß-Rede, auf der Erden liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar- men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, ſo kraͤftig betet, daß ſeine Zuhoͤrer alle vor Freuden, wie die Kinder, weinen muͤſſen27)? Jch verden- cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen bey einem ſo unvermutheten Anblick die Augen uͤber- gehen. Ein ſo auſſerordentliches Bezeigen eines Redners, von dem man gantz was anders, als aus der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver- muthet haͤtte, verdienet die heiſſeſten Zaͤhren. Der Herr Prof. Philippi iſt der erſte, der ſich die Frey- heit genommen, eine weltliche Rede auf eine ſo prie- ſterliche und erbauliche Art zu ſchlieſſen. Er verdie- net dahero, daß man ſeine GOttes-Furcht lobet, und ſeinen Heldenmuth bewundert. Die Welt, Meine Herren, liegt ſo gar im Argen, daß ihr al- les, was den geringſten Schein der Gottſeeligkeit hat, laͤcherlich und thoͤrigt vorkoͤmmt. Man kan alſo nicht anders, als uͤber die heilige Hertzhaftigkeit des Herrn Philippi erſtaunen, der ſich nicht geſcheuet hat, durch ſeine andaͤchtige Gebaͤrden der boͤſen Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher geſehen, daß ſein Verfahren, auſſer der gottſeligen Verſammlung, in welcher Er ſeine Rede gehalten hat, wenig Bey-
fall
27) S. die ſechs deutſchen Reden p. 44. 45.
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ren, ſparen Sie dieſe edle Feuchtigkeit noch einen
Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn
Sie ſich jetzo muͤde weinen, was wollen Sie denn
thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip-
pi in der beweglichſten Stellung zeige, wie Er, zum
Beſchluß ſeiner Gedaͤchtniß-Rede, auf der Erden
liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar-
men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, ſo
kraͤftig betet, daß ſeine Zuhoͤrer alle vor Freuden,
wie die Kinder, weinen muͤſſen 27)? Jch verden-
cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen
bey einem ſo unvermutheten Anblick die Augen uͤber-
gehen. Ein ſo auſſerordentliches Bezeigen eines
Redners, von dem man gantz was anders, als aus
der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver-
muthet haͤtte, verdienet die heiſſeſten Zaͤhren. Der
Herr Prof. Philippi iſt der erſte, der ſich die Frey-
heit genommen, eine weltliche Rede auf eine ſo prie-
ſterliche und erbauliche Art zu ſchlieſſen. Er verdie-
net dahero, daß man ſeine GOttes-Furcht lobet,
und ſeinen Heldenmuth bewundert. Die Welt,
Meine Herren, liegt ſo gar im Argen, daß ihr al-
les, was den geringſten Schein der Gottſeeligkeit
hat, laͤcherlich und thoͤrigt vorkoͤmmt. Man kan
alſo nicht anders, als uͤber die heilige Hertzhaftigkeit
des Herrn Philippi erſtaunen, der ſich nicht geſcheuet
hat, durch ſeine andaͤchtige Gebaͤrden der boͤſen
Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher geſehen, daß
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27) S. die ſechs deutſchen Reden p. 44. 45.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/256>, abgerufen am 25.11.2024.
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