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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
nung seyn, daß man die Ursache dieser Dunckelheit
grössesten Theils in dem Verstande des Lesers suchen,
oder, dafern auch ja der Herr Pr. selbst nicht gantz
unschuldig, doch desfals diesen grossen und gottseeli-
gen Redner nicht tadeln müsse.

Man kan aus |den zärtlichen Ausdrückungen,
deren Er sich gegen das Flämmlein aus göttlicher
Flamme, die ungeheuchelte GOttes-Furcht, in sei-
ner Anrede bedienet, die brünstige Liebe, so Er zu
dieser Königin aller Tugenden träget, so deutlich ab-
nehmen, daß es eine Unbilligkeit seyn würde, wenn
man von ihm verlangen wolte, daß Er mit mehre-
rer Kaltsinnigkeit und Gelassenheit reden sollen.
Verliebte, Meine Herren, sind, wie Sie wissen,
oftmahls gantz ausser sich, wann sie mit der geliebten
Person reden, und eine kleine Verwirrung, abge-
brochene Worte, und dergleichen Merckmahle eines
abwesenden Verstandes, stehen ihnen ungemein wohl
an. Die Reden solcher Personen sind niemahls
überzeugender, als wenn kein Mensch, ja sie selbst
nicht wissen, was sie sagen wollen. O! wie wohl
hat demnach der Herr Prof. Philippi gethan, daß
Er seine Anrede an die ungeheuchelte GOttes-Furcht
so eingerichtet hat, als es der Zustand eines Hertzens
erfordert, das von einem so reinen und heiligen Feuer
entzündet ist, als das seinige.

Hochgeehrteste Herren! Jch bemercke mit vielem
Vergnügen, daß Sie über diese Probe der Fröm-
migkeit des Herrn Prof. Philippi eine Freude em-
pfinden, die Jhnen zu bergen fast unmöglich fällt.
Es fehlet nicht viel, so brechen ihre huldreiche Au-
gen in Freuden-Thränen aus. Aber, Meine Her-

ren,
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(o)
nung ſeyn, daß man die Urſache dieſer Dunckelheit
groͤſſeſten Theils in dem Verſtande des Leſers ſuchen,
oder, dafern auch ja der Herr Pr. ſelbſt nicht gantz
unſchuldig, doch desfals dieſen groſſen und gottſeeli-
gen Redner nicht tadeln muͤſſe.

Man kan aus |den zaͤrtlichen Ausdruͤckungen,
deren Er ſich gegen das Flaͤmmlein aus goͤttlicher
Flamme, die ungeheuchelte GOttes-Furcht, in ſei-
ner Anrede bedienet, die bruͤnſtige Liebe, ſo Er zu
dieſer Koͤnigin aller Tugenden traͤget, ſo deutlich ab-
nehmen, daß es eine Unbilligkeit ſeyn wuͤrde, wenn
man von ihm verlangen wolte, daß Er mit mehre-
rer Kaltſinnigkeit und Gelaſſenheit reden ſollen.
Verliebte, Meine Herren, ſind, wie Sie wiſſen,
oftmahls gantz auſſer ſich, wann ſie mit der geliebten
Perſon reden, und eine kleine Verwirrung, abge-
brochene Worte, und dergleichen Merckmahle eines
abweſenden Verſtandes, ſtehen ihnen ungemein wohl
an. Die Reden ſolcher Perſonen ſind niemahls
uͤberzeugender, als wenn kein Menſch, ja ſie ſelbſt
nicht wiſſen, was ſie ſagen wollen. O! wie wohl
hat demnach der Herr Prof. Philippi gethan, daß
Er ſeine Anrede an die ungeheuchelte GOttes-Furcht
ſo eingerichtet hat, als es der Zuſtand eines Hertzens
erfordert, das von einem ſo reinen und heiligen Feuer
entzuͤndet iſt, als das ſeinige.

Hochgeehrteſte Herren! Jch bemercke mit vielem
Vergnuͤgen, daß Sie uͤber dieſe Probe der Froͤm-
migkeit des Herrn Prof. Philippi eine Freude em-
pfinden, die Jhnen zu bergen faſt unmoͤglich faͤllt.
Es fehlet nicht viel, ſo brechen ihre huldreiche Au-
gen in Freuden-Thraͤnen aus. Aber, Meine Her-

ren,
L 2
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[163/0255] (o) nung ſeyn, daß man die Urſache dieſer Dunckelheit groͤſſeſten Theils in dem Verſtande des Leſers ſuchen, oder, dafern auch ja der Herr Pr. ſelbſt nicht gantz unſchuldig, doch desfals dieſen groſſen und gottſeeli- gen Redner nicht tadeln muͤſſe. Man kan aus |den zaͤrtlichen Ausdruͤckungen, deren Er ſich gegen das Flaͤmmlein aus goͤttlicher Flamme, die ungeheuchelte GOttes-Furcht, in ſei- ner Anrede bedienet, die bruͤnſtige Liebe, ſo Er zu dieſer Koͤnigin aller Tugenden traͤget, ſo deutlich ab- nehmen, daß es eine Unbilligkeit ſeyn wuͤrde, wenn man von ihm verlangen wolte, daß Er mit mehre- rer Kaltſinnigkeit und Gelaſſenheit reden ſollen. Verliebte, Meine Herren, ſind, wie Sie wiſſen, oftmahls gantz auſſer ſich, wann ſie mit der geliebten Perſon reden, und eine kleine Verwirrung, abge- brochene Worte, und dergleichen Merckmahle eines abweſenden Verſtandes, ſtehen ihnen ungemein wohl an. Die Reden ſolcher Perſonen ſind niemahls uͤberzeugender, als wenn kein Menſch, ja ſie ſelbſt nicht wiſſen, was ſie ſagen wollen. O! wie wohl hat demnach der Herr Prof. Philippi gethan, daß Er ſeine Anrede an die ungeheuchelte GOttes-Furcht ſo eingerichtet hat, als es der Zuſtand eines Hertzens erfordert, das von einem ſo reinen und heiligen Feuer entzuͤndet iſt, als das ſeinige. Hochgeehrteſte Herren! Jch bemercke mit vielem Vergnuͤgen, daß Sie uͤber dieſe Probe der Froͤm- migkeit des Herrn Prof. Philippi eine Freude em- pfinden, die Jhnen zu bergen faſt unmoͤglich faͤllt. Es fehlet nicht viel, ſo brechen ihre huldreiche Au- gen in Freuden-Thraͤnen aus. Aber, Meine Her- ren, L 2

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/255>, abgerufen am 25.11.2024.