Die gewisse Rechnung, die ich mir darauf mache, macht mich so kühne, daß ich meinen Nahmen, nach welchem so viel Fragens gewesen ist, und den der Hr. M. Sievers insonderheit so sehnlich zu wissen verlanget hat, ungescheut nenne, doch nur auf eine Art, daß es den meisten schwer fallen wird, ihn zu errahten. Man sage nicht, daß ich daran unge- schickt handele. Man würde dazu berechtiget seyn, wenn ich mit jemand anders, als mit dem Hn. M. Sievers zu thun hätte. Einem Manne, der seinen Talmud so fertig, als seinen Abend-See- gen lieset, entdecke ich mich deutlich genug: der wird einen deutschen Nahmen leicht ohne Puncte lesen können. Der Hr. M. Sievers siehet also oh- ne Mühe, wer ich bin, und wie ich heisse. Jch weiß wohl, der Hr. M. Sievers hat sich verlau- ten lassen, er wolle, wenn er nur wüste, wer ich wäre, mich dergestalt abwürtzen, daß ich bereuen solte, mit ihm angebunden zu haben: Aber diese Drohung macht mir keinen Kummer. Jch habe die Unschuld meiner Absichten so deutlich darge- than, daß ich von der Billigkeit des Hn. M. hof- fen kan, er werde mich wieder zu Gnaden anneh- men, und seinen Eyfer wider diejenigen kehren, deren unbesonnenes Urtheil von meiner Schrift ihn anfangs wider mich in Harnisch gejaget. Wir sind Freunde. Valeant qvi inter nos dissidium volunt.
Solte ich mich aber in meiner Hoffnung be- trogen sehen, so werde ich zwar nicht wieder auf die verzweifelten Gedancken verfallen, ein Medi- cus zu werden; Denn ich hoffe, daß meine Un-
schuld
(o)
Die gewiſſe Rechnung, die ich mir darauf mache, macht mich ſo kuͤhne, daß ich meinen Nahmen, nach welchem ſo viel Fragens geweſen iſt, und den der Hr. M. Sievers inſonderheit ſo ſehnlich zu wiſſen verlanget hat, ungeſcheut nenne, doch nur auf eine Art, daß es den meiſten ſchwer fallen wird, ihn zu errahten. Man ſage nicht, daß ich daran unge- ſchickt handele. Man wuͤrde dazu berechtiget ſeyn, wenn ich mit jemand anders, als mit dem Hn. M. Sievers zu thun haͤtte. Einem Manne, der ſeinen Talmud ſo fertig, als ſeinen Abend-See- gen lieſet, entdecke ich mich deutlich genug: der wird einen deutſchen Nahmen leicht ohne Puncte leſen koͤnnen. Der Hr. M. Sievers ſiehet alſo oh- ne Muͤhe, wer ich bin, und wie ich heiſſe. Jch weiß wohl, der Hr. M. Sievers hat ſich verlau- ten laſſen, er wolle, wenn er nur wuͤſte, wer ich waͤre, mich dergeſtalt abwuͤrtzen, daß ich bereuen ſolte, mit ihm angebunden zu haben: Aber dieſe Drohung macht mir keinen Kummer. Jch habe die Unſchuld meiner Abſichten ſo deutlich darge- than, daß ich von der Billigkeit des Hn. M. hof- fen kan, er werde mich wieder zu Gnaden anneh- men, und ſeinen Eyfer wider diejenigen kehren, deren unbeſonnenes Urtheil von meiner Schrift ihn anfangs wider mich in Harniſch gejaget. Wir ſind Freunde. Valeant qvi inter nos diſſidium volunt.
Solte ich mich aber in meiner Hoffnung be- trogen ſehen, ſo werde ich zwar nicht wieder auf die verzweifelten Gedancken verfallen, ein Medi- cus zu werden; Denn ich hoffe, daß meine Un-
ſchuld
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(o)
Die gewiſſe Rechnung, die ich mir darauf
mache, macht mich ſo kuͤhne, daß ich meinen
Nahmen, nach welchem ſo viel Fragens geweſen iſt,
und den der Hr. M. Sievers inſonderheit ſo ſehnlich
zu wiſſen verlanget hat, ungeſcheut nenne, doch nur
auf eine Art, daß es den meiſten ſchwer fallen wird,
ihn zu errahten. Man ſage nicht, daß ich daran unge-
ſchickt handele. Man wuͤrde dazu berechtiget ſeyn,
wenn ich mit jemand anders, als mit dem Hn.
M. Sievers zu thun haͤtte. Einem Manne, der
ſeinen Talmud ſo fertig, als ſeinen Abend-See-
gen lieſet, entdecke ich mich deutlich genug: der
wird einen deutſchen Nahmen leicht ohne Puncte
leſen koͤnnen. Der Hr. M. Sievers ſiehet alſo oh-
ne Muͤhe, wer ich bin, und wie ich heiſſe. Jch
weiß wohl, der Hr. M. Sievers hat ſich verlau-
ten laſſen, er wolle, wenn er nur wuͤſte, wer ich
waͤre, mich dergeſtalt abwuͤrtzen, daß ich bereuen
ſolte, mit ihm angebunden zu haben: Aber dieſe
Drohung macht mir keinen Kummer. Jch habe
die Unſchuld meiner Abſichten ſo deutlich darge-
than, daß ich von der Billigkeit des Hn. M. hof-
fen kan, er werde mich wieder zu Gnaden anneh-
men, und ſeinen Eyfer wider diejenigen kehren,
deren unbeſonnenes Urtheil von meiner Schrift
ihn anfangs wider mich in Harniſch gejaget. Wir
ſind Freunde. Valeant qvi inter nos diſſidium
volunt.
Solte ich mich aber in meiner Hoffnung be-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/219>, abgerufen am 23.11.2024.
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