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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
wie er hörte, was sich begeben hatte, die Achseln zu-
cken, und siehe! die eine Schulter erstarrete, und ist
seit dem immer höher gewesen, als die andere. Mr.
Phips, der ehedessen die Ehre vergebens gesuchet hat-
te, die dem Hn. Makewind ohne seine Bemühung
wiederfahren war, machte es wie Ahitophel, und er-
hieng sich aus Verzweiffelung, selbst. Und, was das
erbärmlichste, so starb die Mutter des Hn. Makewind
vor Freuden. Ein wunderbar Gemisch von Bestür-
tzung und Freude beklemmte ihr mütterliches Hertze
dergestalt, daß sie, indem sie ihren Sohn aufs zärt-
lichste umarmete, und demselben Glück wünschen
wolte, eben wie jene Römerin, die ihren Sohn, den
sie todt geglaubet, aus der Schlacht wieder kommen
sahe, in Ohnmacht fiel, niedersanck, und in den Ar-
men ihres geliebten Sohnes den Geist aufgab. Ru-
he sanft, glückseliger Leib, der du einen so vortreflichen
Mann getragen hast! Jch weiß, mein Herr, Sie
wünschen ihr mit mir:

- - - tenuem & sine pondere terram
Spirantesque crocos & in urna perpetuum ver.

Die Spötter indessen waren nicht faul, sich über
diese unvermuthete Aufnahme des Herrn Makewind
lustig zu machen. Der eine sprengte aus, die Socie-
tät der Wissenschaften hätte den Herrn Makewind
mit eben der Bedingung aufgenommen, unter wel-
cher ehedessen Sylla einem schlechten Poeten seine
Verse belohnet, das ist, er habe eydlich angeloben müs-
sen, ferner nichts zu schreiben. Ein anderer sprach:
Die Societät wäre üppig worden, und wolte durch
solche Mitglieder, als der Hr. Makewind, den Glantz
ihrer Schönheit vermehren, wie das Frauenzimmer

durch
F 2

(o)
wie er hoͤrte, was ſich begeben hatte, die Achſeln zu-
cken, und ſiehe! die eine Schulter erſtarrete, und iſt
ſeit dem immer hoͤher geweſen, als die andere. Mr.
Phips, der ehedeſſen die Ehre vergebens geſuchet hat-
te, die dem Hn. Makewind ohne ſeine Bemuͤhung
wiederfahren war, machte es wie Ahitophel, und er-
hieng ſich aus Verzweiffelung, ſelbſt. Und, was das
erbaͤrmlichſte, ſo ſtarb die Mutter des Hn. Makewind
vor Freuden. Ein wunderbar Gemiſch von Beſtuͤr-
tzung und Freude beklemmte ihr muͤtterliches Hertze
dergeſtalt, daß ſie, indem ſie ihren Sohn aufs zaͤrt-
lichſte umarmete, und demſelben Gluͤck wuͤnſchen
wolte, eben wie jene Roͤmerin, die ihren Sohn, den
ſie todt geglaubet, aus der Schlacht wieder kommen
ſahe, in Ohnmacht fiel, niederſanck, und in den Ar-
men ihres geliebten Sohnes den Geiſt aufgab. Ru-
he ſanft, gluͤckſeliger Leib, der du einen ſo vortreflichen
Mann getragen haſt! Jch weiß, mein Herr, Sie
wuͤnſchen ihr mit mir:

‒ ‒ ‒ tenuem & ſine pondere terram
Spirantesque crocos & in urna perpetuum ver.

Die Spoͤtter indeſſen waren nicht faul, ſich uͤber
dieſe unvermuthete Aufnahme des Herrn Makewind
luſtig zu machen. Der eine ſprengte aus, die Socie-
taͤt der Wiſſenſchaften haͤtte den Herrn Makewind
mit eben der Bedingung aufgenommen, unter wel-
cher ehedeſſen Sylla einem ſchlechten Poeten ſeine
Veꝛſe belohnet, das iſt, eꝛ habe eydlich angeloben muͤſ-
ſen, ferner nichts zu ſchreiben. Ein anderer ſprach:
Die Societaͤt waͤre uͤppig worden, und wolte durch
ſolche Mitglieder, als der Hr. Makewind, den Glantz
ihrer Schoͤnheit vermehren, wie das Frauenzimmer

durch
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[83/0175] (o) wie er hoͤrte, was ſich begeben hatte, die Achſeln zu- cken, und ſiehe! die eine Schulter erſtarrete, und iſt ſeit dem immer hoͤher geweſen, als die andere. Mr. Phips, der ehedeſſen die Ehre vergebens geſuchet hat- te, die dem Hn. Makewind ohne ſeine Bemuͤhung wiederfahren war, machte es wie Ahitophel, und er- hieng ſich aus Verzweiffelung, ſelbſt. Und, was das erbaͤrmlichſte, ſo ſtarb die Mutter des Hn. Makewind vor Freuden. Ein wunderbar Gemiſch von Beſtuͤr- tzung und Freude beklemmte ihr muͤtterliches Hertze dergeſtalt, daß ſie, indem ſie ihren Sohn aufs zaͤrt- lichſte umarmete, und demſelben Gluͤck wuͤnſchen wolte, eben wie jene Roͤmerin, die ihren Sohn, den ſie todt geglaubet, aus der Schlacht wieder kommen ſahe, in Ohnmacht fiel, niederſanck, und in den Ar- men ihres geliebten Sohnes den Geiſt aufgab. Ru- he ſanft, gluͤckſeliger Leib, der du einen ſo vortreflichen Mann getragen haſt! Jch weiß, mein Herr, Sie wuͤnſchen ihr mit mir: ‒ ‒ ‒ tenuem & ſine pondere terram Spirantesque crocos & in urna perpetuum ver. Die Spoͤtter indeſſen waren nicht faul, ſich uͤber dieſe unvermuthete Aufnahme des Herrn Makewind luſtig zu machen. Der eine ſprengte aus, die Socie- taͤt der Wiſſenſchaften haͤtte den Herrn Makewind mit eben der Bedingung aufgenommen, unter wel- cher ehedeſſen Sylla einem ſchlechten Poeten ſeine Veꝛſe belohnet, das iſt, eꝛ habe eydlich angeloben muͤſ- ſen, ferner nichts zu ſchreiben. Ein anderer ſprach: Die Societaͤt waͤre uͤppig worden, und wolte durch ſolche Mitglieder, als der Hr. Makewind, den Glantz ihrer Schoͤnheit vermehren, wie das Frauenzimmer durch F 2

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/175>, abgerufen am 24.11.2024.