Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
davor seyn, daß sie mich nicht, wenn ich fortführe, nach
meinem Geschmack zu schreiben, unter dem Vor-
wand, sie habe Schimpff von mir, wieder ausstossen
würde? Jch kenne sie gar zu wohl. Sie versteht kein
Ehren-Wort, und wenn man ihr, aus Höflichkeit,
verspricht, sich zu bessern, und sich zu bemühen, solche
Schrifften ans Licht zu stellen, welche fähig, zu ver-
hindern, daß die getroffene Wahl sie nicht gereue, so
macht sie Ernst daraus, und hält sich berechtiget, die-
ses, als eine Schuldigkeit, zu fordern. Jch liebe die
Freyheit, und lasse mir die Hände so nicht binden.
Würde es mir also nicht eben so gehen, als meinem
wehrten Freunde, Mr. Makewind?

Dieser junge Mensch ist einer der vortreflichsten
Köpfe unserer Zeit, und wird wenige seines gleichen
haben. Man hat an ihm, von seiner Kindheit an, vie-
len Witz, und eine ungemein starcke Einbildungs-
Kraft wahrgenommen. Diese vortrefliche Gemüths-
Gaben sind mit den Jahren immer stärcker gewor-
den, und alle, die ihn kennen, geben ihm das Zeugniß,
daß er in seinem 14ten Jahre Dinge gethan, darüber
man erstaunen muß.

Die Eltern sparten nichts an seiner Erziehung, weil
sie sich von einem Knaben so guter Hoffnung mit
Recht grosse Dingeversprechen konnten. Sie gaben
ihm die geschicktesten Lehr-Meister: Aber keiner von
allen war so geschickt, daß er ihm eine Lust zu den
Anfangs-Gründen der Wissenschafften hätte bey-
bringen können, in welchen junge Leute pflegen unter-
richtet zu werden. Er sahe dieses als Kleinigkeiten
an, und trachtete nach höhern Dingen.

Man schickte ihn demnach, wie er kaum 17. Jahr

alt

(o)
davor ſeyn, daß ſie mich nicht, wenn ich fortfuͤhre, nach
meinem Geſchmack zu ſchreiben, unter dem Vor-
wand, ſie habe Schimpff von mir, wieder ausſtoſſen
wuͤrde? Jch kenne ſie gar zu wohl. Sie verſteht kein
Ehren-Wort, und wenn man ihr, aus Hoͤflichkeit,
verſpricht, ſich zu beſſern, und ſich zu bemuͤhen, ſolche
Schrifften ans Licht zu ſtellen, welche faͤhig, zu ver-
hindern, daß die getroffene Wahl ſie nicht gereue, ſo
macht ſie Ernſt daraus, und haͤlt ſich berechtiget, die-
ſes, als eine Schuldigkeit, zu fordern. Jch liebe die
Freyheit, und laſſe mir die Haͤnde ſo nicht binden.
Wuͤrde es mir alſo nicht eben ſo gehen, als meinem
wehrten Freunde, Mr. Makewind?

Dieſer junge Menſch iſt einer der vortreflichſten
Koͤpfe unſerer Zeit, und wird wenige ſeines gleichen
haben. Man hat an ihm, von ſeiner Kindheit an, vie-
len Witz, und eine ungemein ſtarcke Einbildungs-
Kraft wahrgenommen. Dieſe vortrefliche Gemuͤths-
Gaben ſind mit den Jahren immer ſtaͤrcker gewor-
den, und alle, die ihn kennen, geben ihm das Zeugniß,
daß er in ſeinem 14ten Jahre Dinge gethan, daruͤber
man erſtaunen muß.

Die Eltern ſparten nichts an ſeiner Erziehung, weil
ſie ſich von einem Knaben ſo guter Hoffnung mit
Recht groſſe Dingeverſprechen konnten. Sie gaben
ihm die geſchickteſten Lehr-Meiſter: Aber keiner von
allen war ſo geſchickt, daß er ihm eine Luſt zu den
Anfangs-Gruͤnden der Wiſſenſchafften haͤtte bey-
bringen koͤnnen, in welchen junge Leute pflegen unter-
richtet zu werden. Er ſahe dieſes als Kleinigkeiten
an, und trachtete nach hoͤhern Dingen.

Man ſchickte ihn demnach, wie er kaum 17. Jahr

alt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="77"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
davor &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie mich nicht, wenn ich fortfu&#x0364;hre, nach<lb/>
meinem Ge&#x017F;chmack zu &#x017F;chreiben, unter dem Vor-<lb/>
wand, &#x017F;ie habe Schimpff von mir, wieder aus&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wu&#x0364;rde? Jch kenne &#x017F;ie gar zu wohl. Sie ver&#x017F;teht kein<lb/>
Ehren-Wort, und wenn man ihr, aus Ho&#x0364;flichkeit,<lb/>
ver&#x017F;pricht, &#x017F;ich zu be&#x017F;&#x017F;ern, und &#x017F;ich zu bemu&#x0364;hen, &#x017F;olche<lb/>
Schrifften ans Licht zu &#x017F;tellen, welche fa&#x0364;hig, zu ver-<lb/>
hindern, daß die getroffene Wahl &#x017F;ie nicht gereue, &#x017F;o<lb/>
macht &#x017F;ie Ern&#x017F;t daraus, und ha&#x0364;lt &#x017F;ich berechtiget, die-<lb/>
&#x017F;es, als eine Schuldigkeit, zu fordern. Jch liebe die<lb/>
Freyheit, und la&#x017F;&#x017F;e mir die Ha&#x0364;nde &#x017F;o nicht binden.<lb/>
Wu&#x0364;rde es mir al&#x017F;o nicht eben &#x017F;o gehen, als meinem<lb/>
wehrten Freunde, Mr. Makewind?</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er junge Men&#x017F;ch i&#x017F;t einer der vortreflich&#x017F;ten<lb/>
Ko&#x0364;pfe un&#x017F;erer Zeit, und wird wenige &#x017F;eines gleichen<lb/>
haben. Man hat an ihm, von &#x017F;einer Kindheit an, vie-<lb/>
len Witz, und eine ungemein &#x017F;tarcke Einbildungs-<lb/>
Kraft wahrgenommen. Die&#x017F;e vortrefliche Gemu&#x0364;ths-<lb/>
Gaben &#x017F;ind mit den Jahren immer &#x017F;ta&#x0364;rcker gewor-<lb/>
den, und alle, die ihn kennen, geben ihm das Zeugniß,<lb/>
daß er in &#x017F;einem 14ten Jahre Dinge gethan, daru&#x0364;ber<lb/>
man er&#x017F;taunen muß.</p><lb/>
          <p>Die Eltern &#x017F;parten nichts an &#x017F;einer Erziehung, weil<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich von einem Knaben &#x017F;o guter Hoffnung mit<lb/>
Recht gro&#x017F;&#x017F;e Dingever&#x017F;prechen konnten. Sie gaben<lb/>
ihm die ge&#x017F;chickte&#x017F;ten Lehr-Mei&#x017F;ter: Aber keiner von<lb/>
allen war &#x017F;o ge&#x017F;chickt, daß er ihm eine Lu&#x017F;t zu den<lb/>
Anfangs-Gru&#x0364;nden der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften ha&#x0364;tte bey-<lb/>
bringen ko&#x0364;nnen, in welchen junge Leute pflegen unter-<lb/>
richtet zu werden. Er &#x017F;ahe die&#x017F;es als Kleinigkeiten<lb/>
an, und trachtete nach ho&#x0364;hern Dingen.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;chickte ihn demnach, wie er kaum 17. Jahr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">alt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0169] (o) davor ſeyn, daß ſie mich nicht, wenn ich fortfuͤhre, nach meinem Geſchmack zu ſchreiben, unter dem Vor- wand, ſie habe Schimpff von mir, wieder ausſtoſſen wuͤrde? Jch kenne ſie gar zu wohl. Sie verſteht kein Ehren-Wort, und wenn man ihr, aus Hoͤflichkeit, verſpricht, ſich zu beſſern, und ſich zu bemuͤhen, ſolche Schrifften ans Licht zu ſtellen, welche faͤhig, zu ver- hindern, daß die getroffene Wahl ſie nicht gereue, ſo macht ſie Ernſt daraus, und haͤlt ſich berechtiget, die- ſes, als eine Schuldigkeit, zu fordern. Jch liebe die Freyheit, und laſſe mir die Haͤnde ſo nicht binden. Wuͤrde es mir alſo nicht eben ſo gehen, als meinem wehrten Freunde, Mr. Makewind? Dieſer junge Menſch iſt einer der vortreflichſten Koͤpfe unſerer Zeit, und wird wenige ſeines gleichen haben. Man hat an ihm, von ſeiner Kindheit an, vie- len Witz, und eine ungemein ſtarcke Einbildungs- Kraft wahrgenommen. Dieſe vortrefliche Gemuͤths- Gaben ſind mit den Jahren immer ſtaͤrcker gewor- den, und alle, die ihn kennen, geben ihm das Zeugniß, daß er in ſeinem 14ten Jahre Dinge gethan, daruͤber man erſtaunen muß. Die Eltern ſparten nichts an ſeiner Erziehung, weil ſie ſich von einem Knaben ſo guter Hoffnung mit Recht groſſe Dingeverſprechen konnten. Sie gaben ihm die geſchickteſten Lehr-Meiſter: Aber keiner von allen war ſo geſchickt, daß er ihm eine Luſt zu den Anfangs-Gruͤnden der Wiſſenſchafften haͤtte bey- bringen koͤnnen, in welchen junge Leute pflegen unter- richtet zu werden. Er ſahe dieſes als Kleinigkeiten an, und trachtete nach hoͤhern Dingen. Man ſchickte ihn demnach, wie er kaum 17. Jahr alt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/169
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/169>, abgerufen am 24.11.2024.