Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
tete ihm kürtzlich: Es sey darum geschehen, weil sie
zerbrochen gewesen. Denn da die Luft den stärcksten
Zug nach der in der Fenster-Scheibe befindlichen
Oeffnung gehabt; so sey es kein Wunder, daß alle Aus-
dünstungen mit dahin gerissen worden: Und weil
nun wegen der Menge der Dünste ein Gedränge ent-
standen, so sey es gar was Natürliches, daß ein gut
Theil derselben zurücke bleiben müssen: und zwar
eben auf der zerbrochenen Fenster-Scheibe, als zu wel-
cher sie sich alle gedrungen, und also auch sonst nir-
gends, als auf derselben, die Verwandelung leiden
können. Jch erläuterte das, was ich gesagt hatte, mit
dem Gedränge einer Menge Volcks, das zu einer Thür
hinaus will, und der gute D. Bromley verstummete.

Sonst hat niemand wider meine Erklärung etwas
einzuwenden gehabt: Und wie wäre es auch möglich,
da sie so gründlich ist? Mich deucht, ich habe mit un-
wie dertreiblichen Gründen dargethan, daß die Figu-
ren meiner Fenster-Scheibe von dem Athem der in
meiner Stube versammleten Gelehrten entstanden.
Und dieses ist eine Entdeckung, die nicht nur gantz
neu, sondern auch von so grosser Nutzbarkeit ist, daß
ich mich in meinem Gewissen verbunden achte, noch
bey gegenwärtiger Parlaments-Versammlung Jh-
ro Maj. unserm allergnädigsten Könige sowohl, als
den beyden Häusern, dieselbe im Vertrauen be-
kannt zu machen. Jch werde dadurch die Pflichten
eines wohlgesinneten Bürgers erfüllen, und mich um
meine Nation, ja um die gantze Welt, unsterblich
verdient machen.

Lachen Sie nicht, mein Herr! Jch rede die Wahr-
heit: Und wenn Sie nur belieben, der Sache ein we-

nig
E 4

(o)
tete ihm kuͤrtzlich: Es ſey darum geſchehen, weil ſie
zerbrochen geweſen. Denn da die Luft den ſtaͤrckſten
Zug nach der in der Fenſter-Scheibe befindlichen
Oeffnung gehabt; ſo ſey es kein Wunder, daß alle Aus-
duͤnſtungen mit dahin geriſſen worden: Und weil
nun wegen der Menge der Duͤnſte ein Gedraͤnge ent-
ſtanden, ſo ſey es gar was Natuͤrliches, daß ein gut
Theil derſelben zuruͤcke bleiben muͤſſen: und zwar
eben auf der zerbrochenen Fenſter-Scheibe, als zu wel-
cher ſie ſich alle gedrungen, und alſo auch ſonſt nir-
gends, als auf derſelben, die Verwandelung leiden
koͤnnen. Jch erlaͤuterte das, was ich geſagt hatte, mit
dem Gedraͤnge einer Menge Volcks, das zu einer Thuͤꝛ
hinaus will, und der gute D. Bromley verſtummete.

Sonſt hat niemand wider meine Erklaͤrung etwas
einzuwenden gehabt: Und wie waͤre es auch moͤglich,
da ſie ſo gruͤndlich iſt? Mich deucht, ich habe mit un-
wie dertreiblichen Gruͤnden dargethan, daß die Figu-
ren meiner Fenſter-Scheibe von dem Athem der in
meiner Stube verſammleten Gelehrten entſtanden.
Und dieſes iſt eine Entdeckung, die nicht nur gantz
neu, ſondern auch von ſo groſſer Nutzbarkeit iſt, daß
ich mich in meinem Gewiſſen verbunden achte, noch
bey gegenwaͤrtiger Parlaments-Verſammlung Jh-
ro Maj. unſerm allergnaͤdigſten Koͤnige ſowohl, als
den beyden Haͤuſern, dieſelbe im Vertrauen be-
kannt zu machen. Jch werde dadurch die Pflichten
eines wohlgeſinneten Buͤrgers erfuͤllen, und mich um
meine Nation, ja um die gantze Welt, unſterblich
verdient machen.

Lachen Sie nicht, mein Herr! Jch rede die Wahr-
heit: Und wenn Sie nur belieben, der Sache ein we-

nig
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0163" n="71"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
tete ihm ku&#x0364;rtzlich: Es &#x017F;ey darum ge&#x017F;chehen, weil &#x017F;ie<lb/>
zerbrochen gewe&#x017F;en. Denn da die Luft den &#x017F;ta&#x0364;rck&#x017F;ten<lb/>
Zug nach der in der Fen&#x017F;ter-Scheibe befindlichen<lb/>
Oeffnung gehabt; &#x017F;o &#x017F;ey es kein Wunder, daß alle Aus-<lb/>
du&#x0364;n&#x017F;tungen mit dahin geri&#x017F;&#x017F;en worden: Und weil<lb/>
nun wegen der Menge der Du&#x0364;n&#x017F;te ein Gedra&#x0364;nge ent-<lb/>
&#x017F;tanden, &#x017F;o &#x017F;ey es gar was Natu&#x0364;rliches, daß ein gut<lb/>
Theil der&#x017F;elben zuru&#x0364;cke bleiben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: und zwar<lb/>
eben auf der zerbrochenen Fen&#x017F;ter-Scheibe, als zu wel-<lb/>
cher &#x017F;ie &#x017F;ich alle gedrungen, und al&#x017F;o auch &#x017F;on&#x017F;t nir-<lb/>
gends, als auf der&#x017F;elben, die Verwandelung leiden<lb/>
ko&#x0364;nnen. Jch erla&#x0364;uterte das, was ich ge&#x017F;agt hatte, mit<lb/>
dem Gedra&#x0364;nge einer Menge Volcks, das zu einer Thu&#x0364;&#xA75B;<lb/>
hinaus will, und der gute <hi rendition="#aq">D.</hi> Bromley ver&#x017F;tummete.</p><lb/>
          <p>Son&#x017F;t hat niemand wider meine Erkla&#x0364;rung etwas<lb/>
einzuwenden gehabt: Und wie wa&#x0364;re es auch mo&#x0364;glich,<lb/>
da &#x017F;ie &#x017F;o gru&#x0364;ndlich i&#x017F;t? Mich deucht, ich habe mit un-<lb/>
wie dertreiblichen Gru&#x0364;nden dargethan, daß die Figu-<lb/>
ren meiner Fen&#x017F;ter-Scheibe von dem Athem der in<lb/>
meiner Stube ver&#x017F;ammleten Gelehrten ent&#x017F;tanden.<lb/>
Und die&#x017F;es i&#x017F;t eine Entdeckung, die nicht nur gantz<lb/>
neu, &#x017F;ondern auch von &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;er Nutzbarkeit i&#x017F;t, daß<lb/>
ich mich in meinem Gewi&#x017F;&#x017F;en verbunden achte, noch<lb/>
bey gegenwa&#x0364;rtiger Parlaments-Ver&#x017F;ammlung Jh-<lb/>
ro Maj. un&#x017F;erm allergna&#x0364;dig&#x017F;ten Ko&#x0364;nige &#x017F;owohl, als<lb/>
den beyden Ha&#x0364;u&#x017F;ern, die&#x017F;elbe im Vertrauen be-<lb/>
kannt zu machen. Jch werde dadurch die Pflichten<lb/>
eines wohlge&#x017F;inneten Bu&#x0364;rgers erfu&#x0364;llen, und mich um<lb/>
meine Nation, ja um die gantze Welt, un&#x017F;terblich<lb/>
verdient machen.</p><lb/>
          <p>Lachen Sie nicht, mein Herr! Jch rede die Wahr-<lb/>
heit: Und wenn Sie nur belieben, der Sache ein we-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">nig</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0163] (o) tete ihm kuͤrtzlich: Es ſey darum geſchehen, weil ſie zerbrochen geweſen. Denn da die Luft den ſtaͤrckſten Zug nach der in der Fenſter-Scheibe befindlichen Oeffnung gehabt; ſo ſey es kein Wunder, daß alle Aus- duͤnſtungen mit dahin geriſſen worden: Und weil nun wegen der Menge der Duͤnſte ein Gedraͤnge ent- ſtanden, ſo ſey es gar was Natuͤrliches, daß ein gut Theil derſelben zuruͤcke bleiben muͤſſen: und zwar eben auf der zerbrochenen Fenſter-Scheibe, als zu wel- cher ſie ſich alle gedrungen, und alſo auch ſonſt nir- gends, als auf derſelben, die Verwandelung leiden koͤnnen. Jch erlaͤuterte das, was ich geſagt hatte, mit dem Gedraͤnge einer Menge Volcks, das zu einer Thuͤꝛ hinaus will, und der gute D. Bromley verſtummete. Sonſt hat niemand wider meine Erklaͤrung etwas einzuwenden gehabt: Und wie waͤre es auch moͤglich, da ſie ſo gruͤndlich iſt? Mich deucht, ich habe mit un- wie dertreiblichen Gruͤnden dargethan, daß die Figu- ren meiner Fenſter-Scheibe von dem Athem der in meiner Stube verſammleten Gelehrten entſtanden. Und dieſes iſt eine Entdeckung, die nicht nur gantz neu, ſondern auch von ſo groſſer Nutzbarkeit iſt, daß ich mich in meinem Gewiſſen verbunden achte, noch bey gegenwaͤrtiger Parlaments-Verſammlung Jh- ro Maj. unſerm allergnaͤdigſten Koͤnige ſowohl, als den beyden Haͤuſern, dieſelbe im Vertrauen be- kannt zu machen. Jch werde dadurch die Pflichten eines wohlgeſinneten Buͤrgers erfuͤllen, und mich um meine Nation, ja um die gantze Welt, unſterblich verdient machen. Lachen Sie nicht, mein Herr! Jch rede die Wahr- heit: Und wenn Sie nur belieben, der Sache ein we- nig E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/163
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/163>, abgerufen am 24.11.2024.