Der Hr. Mag. Sievers wolte mit al- ler Gewalt ein Naturkündiger seyn. Jch weiß nicht, ob diese Begierde eine Frucht, oder eine Ursache der unverdienten Ehre war, die ihm die Königl. Preußische So- cietät der Wissenschaften erwieß. So viel ist gewiß, daß er, nachdem ihm diese be- rühmte Gesellschaft, aus Ursachen, die ihr allein bekannt sind, zu ihrem Mit- gliede erkohren hatte, beständig an dem Ufer der Ostsee herumirrete, und bunte Steine suchte. Die er fand ließ er so gleich in Kupfer stechen, schreib ein lateinisches Briefchen dabey, und versandte sie in gantz Deutschland an unterschiedene berühmte Männer. Dieses war nun freylich ein bequemes Mittel, ohne grosse Unkosten in der Welt bekannt zu werden: Allein ich hielte es doch vor Kinderey, von einem jeden bunten Quarck so viel Aufhebens zu machen, und wollte dem Hrn. M. Sie- vers dieses durch den Titel des Schreibens des Ritters Clifton an einen gelehrten Sa- mojeden, auf eine höfliche Art, zu verste- hen geben. Jch nannte zu dem Ende die Betrachtungen dieses Ritters über eine ge- frorne Fenster-Scheibe, Vitrea fracta, oder nichtswürdig, läppisch Zeug. Der
mu-
(o)
Der Hr. Mag. Sievers wolte mit al- ler Gewalt ein Naturkuͤndiger ſeyn. Jch weiß nicht, ob dieſe Begierde eine Frucht, oder eine Urſache der unverdienten Ehre war, die ihm die Koͤnigl. Preußiſche So- cietaͤt der Wiſſenſchaften erwieß. So viel iſt gewiß, daß er, nachdem ihm dieſe be- ruͤhmte Geſellſchaft, aus Urſachen, die ihr allein bekannt ſind, zu ihrem Mit- gliede erkohren hatte, beſtaͤndig an dem Ufer der Oſtſee herumirrete, und bunte Steine ſuchte. Die er fand ließ er ſo gleich in Kupfer ſtechen, ſchreib ein lateiniſches Briefchen dabey, und verſandte ſie in gantz Deutſchland an unterſchiedene beruͤhmte Maͤnner. Dieſes war nun freylich ein bequemes Mittel, ohne groſſe Unkoſten in der Welt bekannt zu werden: Allein ich hielte es doch vor Kinderey, von einem jeden bunten Quarck ſo viel Aufhebens zu machen, und wollte dem Hrn. M. Sie- vers dieſes durch den Titel des Schreibens des Ritters Clifton an einen gelehrten Sa- mojeden, auf eine hoͤfliche Art, zu verſte- hen geben. Jch nannte zu dem Ende die Betrachtungen dieſes Ritters uͤber eine ge- frorne Fenſter-Scheibe, Vitrea fracta, oder nichtswuͤrdig, laͤppiſch Zeug. Der
mu-
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><pbfacs="#f0016"n="12"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/><p>Der Hr. Mag. <hirendition="#fr">Sievers</hi> wolte mit al-<lb/>
ler Gewalt ein Naturkuͤndiger ſeyn. Jch<lb/>
weiß nicht, ob dieſe Begierde eine Frucht,<lb/>
oder eine Urſache der unverdienten Ehre<lb/>
war, die ihm die Koͤnigl. Preußiſche So-<lb/>
cietaͤt der Wiſſenſchaften erwieß. So viel<lb/>
iſt gewiß, daß er, nachdem ihm dieſe be-<lb/>
ruͤhmte Geſellſchaft, aus Urſachen, die<lb/>
ihr allein bekannt ſind, zu ihrem Mit-<lb/>
gliede erkohren hatte, beſtaͤndig an dem<lb/>
Ufer der Oſtſee herumirrete, und bunte<lb/>
Steine ſuchte. Die er fand ließ er ſo gleich<lb/>
in Kupfer ſtechen, ſchreib ein lateiniſches<lb/>
Briefchen dabey, und verſandte ſie in gantz<lb/>
Deutſchland an unterſchiedene beruͤhmte<lb/>
Maͤnner. Dieſes war nun freylich ein<lb/>
bequemes Mittel, ohne groſſe Unkoſten<lb/>
in der Welt bekannt zu werden: Allein<lb/>
ich hielte es doch vor Kinderey, von einem<lb/>
jeden bunten Quarck ſo viel Aufhebens zu<lb/>
machen, und wollte dem Hrn. M. <hirendition="#fr">Sie-<lb/>
vers</hi> dieſes durch den Titel des Schreibens<lb/>
des Ritters Clifton an einen gelehrten Sa-<lb/>
mojeden, auf eine hoͤfliche Art, zu verſte-<lb/>
hen geben. Jch nannte zu dem Ende die<lb/>
Betrachtungen dieſes Ritters uͤber eine ge-<lb/>
frorne Fenſter-Scheibe, <hirendition="#aq">Vitrea fracta,</hi><lb/>
oder nichtswuͤrdig, laͤppiſch Zeug. Der<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">mu-</hi></fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[12/0016]
(o)
Der Hr. Mag. Sievers wolte mit al-
ler Gewalt ein Naturkuͤndiger ſeyn. Jch
weiß nicht, ob dieſe Begierde eine Frucht,
oder eine Urſache der unverdienten Ehre
war, die ihm die Koͤnigl. Preußiſche So-
cietaͤt der Wiſſenſchaften erwieß. So viel
iſt gewiß, daß er, nachdem ihm dieſe be-
ruͤhmte Geſellſchaft, aus Urſachen, die
ihr allein bekannt ſind, zu ihrem Mit-
gliede erkohren hatte, beſtaͤndig an dem
Ufer der Oſtſee herumirrete, und bunte
Steine ſuchte. Die er fand ließ er ſo gleich
in Kupfer ſtechen, ſchreib ein lateiniſches
Briefchen dabey, und verſandte ſie in gantz
Deutſchland an unterſchiedene beruͤhmte
Maͤnner. Dieſes war nun freylich ein
bequemes Mittel, ohne groſſe Unkoſten
in der Welt bekannt zu werden: Allein
ich hielte es doch vor Kinderey, von einem
jeden bunten Quarck ſo viel Aufhebens zu
machen, und wollte dem Hrn. M. Sie-
vers dieſes durch den Titel des Schreibens
des Ritters Clifton an einen gelehrten Sa-
mojeden, auf eine hoͤfliche Art, zu verſte-
hen geben. Jch nannte zu dem Ende die
Betrachtungen dieſes Ritters uͤber eine ge-
frorne Fenſter-Scheibe, Vitrea fracta,
oder nichtswuͤrdig, laͤppiſch Zeug. Der
mu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.